Ein halbes Jahrhundert liegt zwischen "Damals 1963" und "Heute 2013 ". Was hat sich in dieser Zeit alles getan und verändert auf politischer, aber auch auf sportlicher Ebene in Deutschland? 1963 gab es die beiden deutschen Staaten: BRD, das kapitalistische Deutschland und die DDR, das sozialistische Deutschland. Es waren zwei Staaten, die von der politischen Lage aus nicht unterschiedlicher sein konnten. Aber der Ursprung der Menschen und ihre Sprache in beiden Saaten waren nicht die einzigen Gemeinsamkeiten. Nein, eine weitere Gemeinsamkeit beider Kulturen lag in der sportlichen Betätigung.
Aus der Sicht des Landesverbandes Thüringen kann man in den 50 Jahren Volkslauf sehr viele große Laufaktivitäten beschreiben. Der Freistaat Thüringen setzt sich aus den ehemaligen Bezirken Erfurt, Gera und Suhl zusammen. Am 19.September des Jahres 1990 wurde der Thüringer Leichtathletikverband gegründet. Wer sich mit den letzten 23 Jahren der Laufszene in Thüringen beschäftigt, kommt nicht umhin, auf die Ursprünge in der DDR zurückzuschauen.
Es gab in der DDR wenige Dinge, die sich im Selbstlauf entwickelten und zu einer Massenbewegung wurden. Staat und Partei achteten sehr genau darauf, dass alles, was viele Menschen integrierte, unter ihrem Kontrollmechanismus stand. Genau das aber erreichte man in der Laufbewegung nicht, sie war nicht staatlich verordnet.
Ende der 60er Jahre, als in der Bundesrepublik die "Trimm-dich-Bewegung" neue Akzente im Massensport setzte, zog auch die DDR nach und inszenierte die "Meilenbewegung". Als Jubiläumsmeile, Olympiameile, oder ähnliches, war sie ein Teil der Propaganda des Staates und wandte sich vor allem an Brigaden und die Massenorganisationen. Diese Meile war jeweils die Strecke, bei der die Meterzahl der jeweiligen Jahreszahl entsprach. Eine wirkliche Grundlage für eine regelmäßige sportliche Betätigung war sie aber nicht.
Natürlich gab es in der DDR den einen oder anderen Straßenlauf wie etwa die regelmäßig durchgeführten "Greizer Straßenläufe", die der sehr gute DDR-Marathonläufer Walter Tröger bis in das hohe Alter organisierte, große Starterfelder fehlten jedoch. Und es gab in dem einen oder anderen Ort Silvesterläufe. Der erste Silvesterlauf in Europa fand 1955 im südthüringischen Wasungen statt, das durch seinen Karneval sicher bekannter ist. Die Idee für diesen Lauf hatte Rüdiger Grunow damals zusammen mit seinen Wasunger Sportkameraden.
Mitte der 70er Jahre sahen viele ehemalige Stadionleichtathleten oder Straßenläufer wie Walter Tröger, Hartmut Neumann, Wolfgang Kahms und andere - die kaum noch Startmöglichkeiten hatten, weil alles dem Hochleistungssport untergeordnet war - die Chance gekommen, in der DDR Läufe zu organisieren.
Aus heutiger Sicht muss man den "Guts-Muths-Rennsteiglauf" als Initialzündung für die Laufbewegung der DDR ansehen. Es waren einige Orientierungsläufer aus Jena und Weimar, die 1973 das erste Mal zu fünft einen Lauf auf dem Kammweg des Thüringer Waldes über circa 100 Kilometer machten. Um sich in die Meilenbewegung der DDR zu integrieren, sprach man einfach vom "50-Meilenlauf". Im folgenden Jahr waren es ein paar mehr, der Durchbruch kam dann 1975, als fast 1.000 Läufer bei dem legendären Taschenlampenstart in der Nacht an der Wirkungsstätte des Namenpatrons des Laufes in Schnepfenthal an den Start gingen. Diese Riesenbeteiligung war damals eine Sensation.
Man kann sich heute nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen die Organisatoren 1975 arbeiten mussten. Dies betraf in den Folgejahren alle Veranstalter, die sich entschlossen, in der DDR einen Lauf zu organisieren. Laufen wurde in wenigen Jahren eine Massenbewegung, was der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) mit Manfred Ewald nicht gerne sah, sich aber auch gerne damit schmückte. Es war Massensport, der den Staat fast nichts kostete.
Rührige Sportgemeinschaften organisierten gemeinsam mit Medizinern Anfängerlaufkurse, um Neueinsteiger gezielt an eine sportliche Betätigung heranzuführen. Dafür gab es die auch in der DDR existierenden Lauftreffs, die in vielen Städten seit damals existieren und auch die Wendezeiten überstanden haben. In Zusammenarbeit mit Sportmedizinern gab es systematische Auswertungen von Läufen, bei denen ausgewählte Sportler ärztlich beobachtet und die verschiedensten Werte gemessen und analysiert wurden. Das kam einerseits dem Leistungssport zu Gute, war aber auch für die Freizeitsportler von großer Bedeutung.
Betrachtet man die Art der Läufe, so stellt man fest, dass vor allem Geländeläufe das Bild dominieren. Eine Tatsache, die sich bis heute auf dem Gebiet der neuen Bundesländer gehalten hat. Landschaftsläufe haben vor allem unter volkssportlichem Aspekt eine Bedeutung. Wem es nicht darauf ankommt auf der Straße schnelle 10 Kilometer- oder Halbmarathon-Zeiten zu erreichen, der läuft lieber in der freien Natur.
Bereits Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre war es eine ganze Anzahl von neu entstandenen Läufen auf dem gesamten Territorium der DDR. Zu den in Thüringen entstandenen und mit Abstand ältesten Läufen zählen, der Holzlandlauf, der Talsperrenlauf, der Kernberglauf, der Mühltallauf, der Guths Muths- Rennsteiglauf, der Moorentallauf, der Lange Bahn Lauf, der Hohe-Reuth-Lauf, der Silberberglauf, der Vogelberglauf, der Gölitztallauf, der Famberglauf, der Heeresberglauf, der Schwarzatallauf, der Mommelsteinlauf, der Kyffhäuserberglauf, der Frankenwaldlauf und die Silvesterläufe in Meiningen, Apolda, Gera, usw.
Innerhalb weniger Jahre erreichten die meisten Läufe Rekordteilnahmen. Woher kam das Potenzial der Läufer? Natürlich hatte auch in der DDR die Diskussion um eine gesündere Lebensweise dazu geführt, dass mancher Bewegungsmuffel hinter dem Schreibtisch hervorgelockt worden ist und sich dem neuen Trend "Lauf dich gesund" verschrieb.
Mit der Grenzöffnung entwickelte sich auf dem Gebiet der DDR eine völlig neue Situation. Die Läufer zog es nun zu Citymarathons und den großen Laufveranstaltungen in aller Welt von Biehle bis New York (USA), von Oslo (Norwegen) bis Südafrika. Laufveranstalter in der DDR standen 1990 im Regen. Die Anzahl der Teilnehmer an den Läufen ging um teilweise mehr als 50 Prozent zurück. Hinzu kam ein weiterer Faktor. Die Marktwirtschaft traf auch die Laufbewegung. Sehr schnell zeigte es sich ohne Sponsoren läuft nichts
Das war die Situation, in der der Thüringer Leichtathletik-Verband gegründet wurde. Unter dessen Dach gründete sich etwas später eine Laufkommission, die es in dieser Form in den Landesverbänden der alten Bundesländer nicht gibt. Dabei griff man auf die Erfahrungen und auch auf die Mitglieder der damaligen Kommissionen der drei Thüringer Bezirke zurück.
In der DDR war es unter dem Aspekt, dass Läufe eben einfach funktionierten. Da die Funktionsebenen über vieles einfach hinwegsahen, war es relativ einfach, Läufe zu organisieren. Jetzt aber zeigte es sich, dass neue Strukturen zum Teil mit deutscher Bürokratie auch den Sport verwalteten. Das bedeutete, dass eine Anpassung der Laufbewegung notwendig wurde.
Als dann 1991 der erste Thüringencup startete, betrat man faktisch Neuland. Die Veranstalter hatten das Problem, dass die Teilnehmerzahlen drastisch zurückgingen und der Kostenfaktor nur schwer kalkulierbar war. Wenn man im Jahr 2013 auf 23 erfolgreiche Jahre Thüringencup zurückschauen, so ist das den Veranstaltern, die sehr oft selbst Läufer sind, den zahlreichen Sponsoren und der Kommission Laufbewegung zu verdanken.
Diese Kommission stand in den 23 Jahren unter der Leitung der Thüringer Volkslaufwarte Frank Burmeister, Olaf Kleinsteuber, Rüdiger Grunow und heute Kerstin Herrmann- Girnth. Darunter befanden sich in der ersten Zeit viele, die die DDR Laufbewegung erlebt und vor allem mit gestaltet haben. Heute hat sich diese Kommission verjüngt, so wie in der Zwischenzeit auch das Starterfeld bei den Läufen.
Wenn es heute in Thüringen 150 Läufe mit zum Teil sogar steigenden Teilnehmerzahlen gibt, so ist das ein Ergebnis einer breiten Cupbewegung, denn es gibt neben dem Thüringencup und dem Meistercup den Klassikercup, den Saalecup, den Saalfeld/Rudolstadt-Cup, den Werracup, den Geracup und andere. Diese territorialen Cups mit steigenden Teilnehmerzahlen sind das Potential, aus dem die traditionsreiche Laufbewegung in Thüringen schöpft.
Start war der 15.April 1972 mit 18 Teilnehmern. Bis zur Wende waren dort bis zu 800 Starter pro Lauf gelaufen, aber auch nach der Wende 1989 konnte der Lauf Starterfelder von bis zu 580 Teilnehmern verbuchen. Die Gesamtstrecke führt durch das gesamte Mühltal mit Wendepunkten in Weißenborn und Kursdorf. In den ersten Jahren erfolgte keine Einzelwertung für Männer und Frauen, dies änderte sich ab 1978. Bekannte Sportgrößen aus der ehemaligen DDR die sich in die Liste der Läufe einreihen können sind u. a. Uwe Geisenhainer, Werner Schildhauer, Heiko Klimmer. Der Lauf hat in diesem Jahr die 42. Auflage.
Am 12. Mai 1973 starten vier wagemutige Studenten aus Jena auf dem Weitwanderweg Rennsteig den Versuch, um durch einen 100-Kilometer-Lauf an den berühmten Pädagogen und Begründer des Schulsports, Johann Christoph Friedrich Guts Muths, zu erinnern. Das Experiment gelingt und der Lauf expandiert in der Folge als Guts-Muths-Rennsteiglauf zu einem der größten Breitensportereignisse der DDR, der sich trotz vieler Versuche erfolgreich der staatlichen Vereinnahmung entzieht.
Bis 1989 sind es jährlich Tausende Sportler, die sich einen der begehrten Startplätze ergattern. So ist der beliebte Landschaftslauf heute der größte Crosslauf Europas und kommt bei der alljährlichen Umfrage nach den beliebtesten Marathons mit bestechender Regelmäßigkeit unter die Top Ten. Rennsteiglauf bedeutet gegenwärtig 15.000 Läufer, die sich Jahr für Jahr Mitte Mai von verschiedenen Startorten aus auf unterschiedlich langen Strecken zum "schönsten Ziel der Welt", in den kleinen Erholungsort Schmiedefeld am Rennsteig bewegen. Der Streckenrekord für die 73,7 Kilometer liegt bei 5:10.20 Stunden und wird durch den Thüringer Christian Seiler gehalten.
Am 19.03.1978 wurde der erste "Volkssportmassenlauf" durchgeführt. Die Veranstalter überlegten aufgrund der schlechten Witterung, der geringen Teilnehmerzahl und der demzufolge noch reichlich vorhandenen Präsente und Souvenirs, die Veranstaltung im Herbst noch einmal zu organisieren und durchzuführen. Am 14.09.1978 wurde noch einmal gestartet. 128 Teilnehmer waren über 8 und 20 Kilometer unterwegs. 1993 war Hartwig Gauder, der Geher-Weltmeister und Olympiasieger über 16 Kilometer unter den Läufern. Das setzte sich in den nachfolgenden Jahren erfreulicherweise fort. Auch Biathlon-Olympiasieger Sven Fischer ist regelmäßiger Gast als Läufer. Er übernimmt gerne die Ehrungen der Sportler. Bis zur Wende liefen dort bis zu 650 Starter und nach der Wende halten sie die Teilnehmerzahlen mit bis zu 220 aufrecht.
Der Moorentallauf wird im Jahre 2013 zum 35. Mal veranstaltet. Von Anfang an ist Jürgen Rockstroh Hauptorganisator dieses Laufes. Der Landschaftslauf führt in seinen Ursprüngen über die Herressener- und Schötener Promenade. Nach der Wende wurde der Lauf mit Start und Ziel im Apoldaer Stadion durchgeführt. Seit fünf Jahren ist der AC Apolda Ausrichter der Thüringer Meisterschaft im Halbmarathon auf der amtlich vermessenen Strecke.
Der Start zum 1. Lauf erfolgte am 7. April 1979 mit 735 Teilnehmern. Zum 6. Lauf, ebenfalls am 7. April 1984, konnte der Lauf mit der Rekordzahl 3.308 Starter aufwarten. Von 1991 bis 1998 lagen die Teilnehmerzahlen rund 1.000 und ab 2001 über 2.000 Starter. Am 7. April 1990 konnte der Lauf die ersten Starter aus Niedersachsen und Hessen, mit 50 Läufern und eine übergroße Schar Wanderern verbuchen. Am 12. Juni 1993 war er Ausrichter eines Pokallaufes um den DLV-Berglauf-Pokal. In der Frauenkonkurrenz siegte die damals 17-jährige Kati Wilhelm von SC Steinbach Hallenberg, die später fünf WM-Titel im Biathlon gewann. Der Kyffhäuser-Berglauf ist aber auch die "Kinderstube" des 800-Meter-Olympiasiegers Nils Schumann, der mit 13 Teilnahmen insgesamt dort gestartet ist. Ständiger Gast bis heute sind Waldemar Cierpinski, zweifacher Marathon-Olympiasieger und Manfred Kuschmann, der 10.000-Meter-Europameister aus Halle. Am 13. April 2013 fand der 35. Internationaler Kyffhäuser-Berglauf statt.
Als 1981 zum ersten Mal ein Silberberglauf stattfand, glaubte wohl niemand, dass daraus eine über 30-jährige Erfolgsgeschichte werden würde. Die Idee zur Ausrichtung dieses Laufes kam aus der damaligen Kommission für Jugendfragen und Sport, deren Vorsitzender Helmut Eberhardt war. Zusammen mit Manfred Firla, Manfred Mörer und Frank-Werner Stößel organisierte man den ersten Lauf. Auf der Strecke von 6 Kilometern nahmen über 100 Läufer daran teil. Aufgrund des guten Starts verlagerte man den Lauf mit Start und Ziel auf den Sportplatz von Möhrenbach und verlängerte die Laufstrecke auf 11 Kilometer. Zum 32. Silberberglauf konnten über 250 Teilnehmer gezählt werden. Dazu trägt auch der seit 1998 ausgetragene Bambino-Lauf bei, der den läuferischen Nachwuchs an die großen Strecken heranführen soll. Seit Mitte der 90er Jahre erfreut sich der Lauf auch einer internationalen Beteiligung. Besonders Niederländer können jährlich begrüßt werden. Zu den Jubiläumsläufern zählt auch Horst Hörnlein, der als Rennrodler Welt- und Europameister wurde.
Der erste Startschuss fiel am 17. Juni 1982. Einer kleinen Schar von Fambacher-Rennsteigläufern hatten zwei der Macher des inzwischen legendären Kammlaufes angetragen, sich zu organisieren. Jochen Heusing, einst Wettkampfleiter, und Gesamtorganisationschef Volker Kittel waren die Taufpaten für die Fambacher-Lauf- und Wanderbewegung auf deren Vereinsebene. Die zehn und die zwanzig Kilometer wurden zum Standard. So ist es bis heute. Mitte der 80er-Jahre wuchs die Teilnehmerschar auf gut 300 Leute an. Viele bekannte Namen reihen sich in die Liste beim Famberglauf, auch solche, die später sogar in die Weltspitze vorstießen, wie die Biathletin Katrin Apel oder der Nordisch-Kombinierte Marko Baacke.
Der Oßlaer Horst Merx, damals selbst passionierter Läufer, hat 1983 zum ersten Mal gemeinsam mit seiner Frau die Initiative ergriffen und mit zuerst 15 Startern diesen Lauf über 15 Kilometer ins Leben gerufen. Ohne elektronische Zeitmessung. Die Strecke führte um Oßla und Wurzbach herum. Die Staatsgrenze zwang ausschließlich zu dieser Richtung und assoziierte den inoffiziellen Namen "Sperrzonen-Schilderwald-Lauf". Sportlich waren die ersten Läufe bis 1988 durchaus auch ein Höhepunkt für Läufer aus Ostthüringen. Andreas Grimm aus Friesau trug sich als erster in die Siegerlisten ein, mit 56:52 Minuten. 1994 haben Oßlaer Freizeitläufer diese Tradition wiederbelebt.
Autoren: Zusammenarbeit von Dr. Rüdiger Grunow (ehm. Laufwart des TLV), den einzelnen Vertreter der genannten Volksläufe - des Mühltallaufes, des Guth-Muts-Laufes, des Mommelsteinlauf, des Moorentallauf, des Kyffhäuser- Berglauf, des Silberberglauf, des Famberglauf und des Frankenwaldlauf- und der heutigen Laufwartin Kerstin Herrmann-Girnth