2009 - Wer schaut schon zu, wer macht noch mit?
Nach den Olympischen Spielen in Peking (China) ist vor den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin. Während für die Mehrzahl der deutschen Top-Athleten die Vorbereitung auf die kommende Saison schon wieder begonnen hat, werden sich einige Größen der deutschen Leichtathletik in diesem Winter erstmals zurücklehnen können. Wer hat 2008 die Spikes an den Nagel gehängt, und wer wird sich nach der Heim-WM verabschieden? Ein Überblick und Ausblick.
Gold und Silber bei Olympischen Spielen, sechs Welt- und zwei Europameistertitel sowie zahlreiche weitere Medaillen bei internationalen Meisterschaften sammelten die Athleten, die in der vergangenen Saison ihren Rücktritt bekannt gaben. Die meisten dieser Erfolge gehen auf das Konto eines Mannes: Lars Riedel.Der Olympiasieger und fünffache Weltmeister, der sich nach 13 Jahren beim LAC Erdgas Chemnitz im Herbst seiner Laufbahn dem TuS Saulheim anschloss, hatte noch mit einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Peking geliebäugelt. Hartnäckige Rückenprobleme machten dem 41-Jährigen aber schließlich einen Strich durch die Rechnung.
Verabschiedung in Nürnberg
Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg wurde Lars Riedel mit stehenden Ovationen vom Publikum verabschiedet. Mit ihm zusammen in den wohlverdienten sportlichen Ruhestand entlassen wurden auch Boris Henry (SV schlau.com Saar 05), zweimaliger WM-Dritter im Speerwerfen, Andreas Erm (SC Potsdam), WM-Dritter und deutscher Rekordhalter im Gehen, und die Zwillinge Gabi und Birgit Rockmeier (LG Olympia Dortmund), Weltmeisterinnen mit der 4x100 Meter-Staffel. Sie hatten jeweils schon vor oder zur Olympiasaison ihr Karriereende bekannt gegeben.
Das Nürnberger easyCredit Stadion sollte auch für weitere deutsche Top-Athleten die Bühne für ihren Abgang werden. Als DM-Dritter gab Karsten Kobs (ASC 09 Dortmund), Hammerwurf-Weltmeister von 1999, etwas überraschend bekannt, dass diese Meisterschaften die letzten für ihn sein würden. „Mit der Leichtathletik werde ich wahrscheinlich nicht mehr viel zu tun haben“, gab er anschließend Auskunft.
Ebenfalls seinen letzten großen Wettkampf bestritt Hochspringer Roman Fricke (TSV Bayer 04 Leverkusen), der 2003 und 2004 die deutschen Farben bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen vertreten hatte. Und auch Moritz Höft (LG Nord Berlin), der Deutsche 800-Meter-Meister des vergangenen Jahres, vermeldete nach seinem Ausstieg aus dem Vorlauf seinen Abschied vom Leistungssport.
Der Körper spielt nicht mehr mit
Kirsten Bolm (MTG Mannheim) konnte, nachdem sie im Jahr 2007 verletzungsbedingt eine Pause einlegen musste, auch in der Olympiasaison nur einen einzigen Wettkampf absolvieren. Im September vermeldete die Hürdensprinterin auf ihrer Homepage schließlich offiziell, dass sie nicht in den Kampf um die Tickets nach Berlin eingreifen wird. Trotz verpasster Olympia-Qualifikation empfinde sie ihre Karriere „in keinster Weise als unvollendet“, schreibt die sympathische 33-Jährige, die vor zwei Jahren noch Vize-Europameisterin geworden war.
Im Alter von 33 Jahren Schluss ist auch für 400-Meter-Läufer Ingo Schultz (TSV Bayer 04 Leverkusen), WM-Zweiter 2001 und Europameister 2002. Ihn plagen Verletzungsprobleme im Fuß-Fersen-Bereich, von denen er nicht glaubt, sie bis zur Heim-WM in den Griff zu bekommen. Ähnlich geht es Alexander Lubina (TV Wattenscheid 01). Ein Ermüdungsbruch im Fuß veranlasste den Langstrecken-Spezialisten am vergangenen Wochenende dazu, seinen Abtritt zu verkünden.
Mit dessen Vereinskameraden Detlef Bock (Kugelstoßen), dem Weitspringer Kofi Amoah Prah und der Mehrkämpferin Katja Keller (beide LG Nike Berlin) zogen 2008 drei weitere Athleten, die sich bereits das Nationaltrikot überstreifen durften, den Schlussstrich unter ihre Karriere.
Franka Dietzsch noch einmal dabei?
Die meisten der deutschen Top-Athleten der vergangenen Jahre haben allerdings zumindest noch ein großes Ziel vor Augen, bevor sie sich von der großen Leichtathletik-Bühne verabschieden wollen: Die Teilnahme bei der Heim-WM im Berliner Olympiastadion.
Nimmermüde scheint die mittlerweile 40-jährige Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg). Die dreifache Weltmeisterin im Diskuswerfen konnte sich zwar in diesem Jahr aufgrund von gesundheitlichen Problemen nicht für die Olympischen Spiele qualifizieren, hat aber vor, sich für Berlin noch einmal neu zu motivieren. „Eigentlich will ich dort noch mal richtig ordentlich werfen und dann eine Medaille gewinnen“, verkündete sie im Sommer.
Auch Disziplinkollege Michael Möllenbeck wird sich trotz verpasster Olympia-Qualifikation keineswegs zurücklehnen. Im Berliner Olympiastadion möchte sich der zweifache WM-Dritte, der im Dezember 39 Jahre alt wird, von den Leichtathletik-Fans verabschieden. Gleiches gilt für Charles Friedek. Der Dreisprung-Weltmeister von 1999 vermeldete auf der Homepage seines Vereins Team ReferenzNetzwerk Leverkusen bereits im Frühjahr, dass 2009 für ihn Schluss sein wird.
Boxring oder Kugelstoßring?
Speerwerferin Steffi Nerius (TSV Bayer 04 Leverkusen) wird bei den kommenden Weltmeisterschaften mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls ihren letzten großen Wettkampf absolvieren. „2009 kann Schluss sein“ hatte sie schon im vergangen Jahr spekuliert und diese Absicht im Sommer bestätigt. Die 36-Jährige hat seit 2002 bei allen internationalen Meisterschaften mit Ausnahme der Olympischen Spiele 2008 eine Medaille geholt.
Offen hält sich Nadine Kleinert (SC Magdeburg), wie lange sie sich noch für große Weiten im Kugelstoßring quälen will. Die Olympia-Zweite von 2004 sowie mehrmalige WM-Medaillengewinnerin liebäugelt mit einer Karriere als Profi-Boxerin und hat sich noch nicht dazu geäußert, wann diese beginnen könnte. „Ich habe immer gesagt, dass ich selber bestimmen möchte, wann ich aufhöre. […] Und wer weiß, vielleicht gehe ich noch mal 2009 an den Start“, gab die Sportsoldatin kürzlich in einem Interview auf der Homepage der Bundeswehr Auskunft.
Zur Heim-WM noch einmal in Topform
Ein weiterer Athlet, der in den vergangenen Jahren immer wieder die deutschen Farben bei internationalen Meisterschaften vertreten durfte, ist der Sprinter Ronny Ostwald (TV Wattenscheid 01). Es ist anzunehmen, dass der 34-Jährige nach der WM in Berlin seine sportliche Karriere ausklingen lassen wird. In Peking war er als Ersatzläufer der 4x100 Meter-Staffel mit dabei, ein Start im Berliner Olympiastadion wäre sicherlich noch einmal ein Höhepunkt für den Polizeiobermeister. Ähnliches gilt für Mehrkämpferin Sonja Kesselschläger. Die Neubrandenburgerin deutete ebenfalls bereits an, sich in einem Jahr verabschieden zu wollen.
Verletzungspech hatte im Olympiajahr drei Athletinnen dazu veranlasst, mit dem Gedanken an ein Karriereende zu spielen: Weitspringerin Bianca Kappler (LC asics Rehlingen) und 400-Meter-Hürden-Läuferin Ulrike Urbansky (jetzt Leyckes) wurden durch einen Achillessehnen-Riss um die Reise nach Peking gebracht, Claudia Marx (Erfurter LAC), 400-Meter-Hürdenläuferin, plagte sich mit Ermüdungsbrüchen. Alle drei verkündeten nun, dass sie im kommenden Jahr bei der WM in Berlin als Aktive dabei sein wollen. Auch der Erfurter Nils Schumann will noch ein Jahr auf den zwei Stadionrunden dranhängen.
Insgesamt haben sich bereits in den letzten Monaten mehr bekannte Namen von der großen Bühne der deutschen Leichtathletik verabschiedet, als das ein Jahr vor der Heim-WM zu erwarten war. Fest steht: Nach den Titelkämpfen in Berlin erfolgt ein weiterer Schnitt. Aber wer weiß... vielleicht bieten ja die Resultate im WM-Jahr für einige Sportler Anlass dazu, die Abschiedspläne noch einmal zu überdenken.
