24-Stunden-Team holt in Kanada Bronze
"Abgerechnet wird zum Schluss" ist eine gerade bei Ultramarathonläufen oft gehörte Floskel. Bei der am vergangenen Wochenende in Drummondville (Kanada) durchgeführten 24-Stunden-World Challenge traf diese Binsenweisheit allerdings wieder einmal voll ins Schwarze.

Monika Belau überzeugt in Kanada (Foto: Mühl)
War das DLV-Männerteam drei bis bier Stunden vor Schluss noch weit vom Gewinn einer Medaille entfernt, sollten am Ende alle Bemühungen um ein optimales Mannschaftsergebnis mit Bronze belohnt werden. Einen in dieser Form nicht erwarteten Erfolg feierten auch die DLV-Frauen mit Rang vier in der Teamwertung, weiterhin erzielten Monika Belau und Andreas Baier herausragende Ergebnisse in der Einzelwertung.Seit 2003 führt die IAU (International Association of Ultrarunners) neben der traditionellen Europameisterschaft auch eine (inoffizielle) Weltmeisterschaft im 24-Stunden-Lauf durch. Die Veranstaltung in Drummondville versprach von vornherein, in sportlicher Hinsicht eine WM der Superlative zu werden. 44 Männer mit persönlichen Bestleistungen oberhalb der 230 Kilometer-Marke waren von den 27 teilnehmenden Verbänden gemeldet worden, bei den Frauen waren 17 Teilnehmerinnen mit Bestleistungen oberhalb der 220 Kilometer-Marke angegeben.
Schwierige Bedingungen
Ingesamt begaben sich am Samstag um 14.00 Uhr Ortszeit 92 Männer und 53 Frauen auf die 2,21 Kilometer lange Runde im Herzen der Stadt. Die Bedingungen waren alles andere als optimal für einen Wettkampf dieser Länge. Neben Nachmittagstemperaturen von um 30 Grad Celsius wies der Kurs einen Höhenunterschied von rund 16 Metern auf, die den Teilnehmern mit zunehmender Wettkampfdauer das Leben schwer und den Wettkampf zu einem der härtesten und selektivsten Meisterschaftsrennen der letzten Jahre machen sollten.
Derartige Rahmenumstände hinderten allerdings einige Eliteläufer nicht, schon zu Beginn ein hohes Tempo anzuschlagen. Jose Posado aus Spanien legte in der ersten Stunde bereits 14 Kilometer zurück, Europameister Anatoly Kruglikov aus Russland und Janos Bogar aus Ungarn folgten nicht weit dahinter. Bei den Frauen setzte sich die Italienerin Monica Casiraghi, Ex-Welt- und Europameisterin über 100 Kilometer, mit mehr als zwölf zurückgelegten Kilometern an die Spitze. Europameisterin Lyudmila Kalinina aus Russland folgte mit Respektabstand. Der japanische Weltmeister Ryoichi Sekya hielt sich in der Anfangsphase auf Platz elf der Gesamtwertung klug zurück, eine Taktik, die schon bald Früchte tragen sollte.
Angepasste Wettkampftaktik
Im deutschen Team hatte man sich schon Tage vor dem Rennen eingehend mit der Strecke, den zu erwartenden Witterungsbedingungen und dem aktuellen Formzustand aller Athleten/innen auseinandergesetzt. Insofern war völlig klar, dass angesichts der zu erwartenden, äußerst schwierigen Bedingungen ein möglichst zurückhaltendes Tempo in der ersten Rennhälfte ratsam sein würde. In der Mannschaftsbesprechung wurde daraufhin für jedes Teammitglied eine entsprechende Marschroute vereinbart.
Dies führte dazu, dass sich die deutschen Läufer/innen in den ersten Stunden überwiegend im hinteren Drittel aufhielten. So fand sich Ralf Steißlinger, der die Deutsche 24-Stunden-Jahresbestenliste aktuell mit 242,239 Kilometern anführt, nach einer Stunde gerade einmal auf Rang 95 der Gesamtwertung wieder, Andreas Baier folgte auf Rang 110, Gerald Dudacy belegte zu diesem Zeitpunkt Platz 119. Monika Belau, Marika Heinlein und Sabine Strotkamp lagen auf den Plätzen 125, 126 und 138 weit im hinteren Teil des Feldes.
In den Abendstunden gingen die Temperaturen auf etwa 20 Grad Celsius zurück, dafür erwies sich fortan eine hohe Luftfeuchtigkeit als weiterhin schweißtreibend. Beim Halbzeitstand um 2.00 Uhr hatte sich das Bild in der Männerspitze gravierend gewandelt: Weltmeister Ryoichi Sekya lag vorne, Janos Bogar rund sechs Kilometer zurück, Dritter war der Japaner Masayuki Otaki weitere zwei Kilometer dahinter.
Bei den Frauen hatte Monica Casiraghi nach rund neun Stunden die Segel gestrichen und den Weg für Lyudmila Kalinina freigemacht, die mit gut 128 Kilometern auf Rang zehn der Gesamtwertung lag. Rundengleich hinter ihr lief die Weltmeisterin Sumie Inagaki aus Japan vor Irina Koval aus Russland, die zu diesem Zeitpunkt 122 Kilometer zurückgelegt hatte.
Deutsche Läufer arbeiten sich nach vorne
Die deutschen Teilnehmer hatten sich bereits spürbar nach vorne gearbeitet. So belegte Ralf Steißlinger mit circa 121 Kilometern jetzt Rang 32, Andreas Baier folgte drei Kilometer zurück auf Platz 49, Gerald Dudacy lag mit rund 112 Kilometern auf Platz 70.
Auch die DLV-Frauen lagen nun weiter vorne. Monika Belau nahm mit knapp 109 Kilometern Gesamtrang 76 ein, Marika Heinlein lag eine Runde hinter ihr auf Platz 81, Sabine Strotkamp lief mit circa 99 zurückgelegten Kilometern auf Platz 115 vor.
In den Morgenstunden kletterten die Temperaturen wieder deutlich nach oben, gegen 9.00 Uhr mögen bereits um die 30 Grad Celsius geherrscht haben. Von den Athleten/innen war auf der praktisch schattenfreien Strecke von nun an ein Höchstmaß an physischer und psychischer Belastbarkeit gefordert, wenn das Lauftempo bis zum Schlusssignal beibehalten werden sollte. Nun begannen unsere Läufer/innen, nominell eigentlich klar unterlegenen, von ihrer Wettkampftaktik zu profitieren.
Andreas Baier innerhalb der Top-Ten der Welt
Andreas Baier konnte sein Tempo im Verlauf der zweiten Hälfte nicht nur halten, sondern war in der Schlussphase sogar noch zu einer Steigerung fähig und beendete den Wettkampf schließlich mit 234,571 Kilometern. Mit zwei praktisch gleichen Rennhälften steigerte er seine Anfang Mai beim 24-Stunden-Lauf in Basel (Schweiz) aufgestellte persönliche Bestleistung um bemerkenswerte 25 Kilometer und stieß auf Platz zehn in die Weltelite vor.
Ralf Steißlinger hatte in der Nacht ein wenig Tempo herausnehmen müssen, konnte in den letzten Stunden des Wettkampfs aber noch einmal zulegen und erzielte mit ebenfalls ausgezeichneten 228,728 Kilometern Rang 14. Gerald Dudacy kam mit den Bedingungen weniger gut als seine Teamkameraden zurecht, biss sich aber wacker durch und belegte mit 209,793 Kilometern Rang 27, klar im ersten Drittel des Männerfeldes.
Monika Belau hervorragende Siebte
Auch Monika Belau arbeitete sich in der zweiten Wettkampfhälfte mächtig nach vorne. Mit 213,410 Kilomtern legte die 53 Jahre alte Nationalteam-Debütantin auf ihre in Scharnebeck Mitte Juni erzielte Leistung rund vier Kilometer drauf, eine geradezu sensationelle Leistung, die in diesem so hochkarätig besetzten internationalen Klassefeld nicht weniger als Rang sieben bedeutete.
Marika Heinlein kam am Ende auf 197,676 Kilometer, eine ebenfalls bravouröse Leistung, denn die letzten drei Stunden wurden für sie ausgesprochen hart.
Rang zwölf war der Lohn für ihr Durchhaltevermögen.
Besondere Leidensfähigkeit war bei Sabine Strotkamp gefragt. Fünf Stunden vor Schluss stellten sich abrupt Schienbeinschmerzen mit einer Vehemenz ein, die das Weiterlaufen zur Tortur werden ließ und die Leistung entsprechend drückte. Dennoch platzierte sie sich mit 180,417 Kilometern auf Rang 26 und damit noch innerhalb der ersten Teilnehmerhälfte.
Starke Teamresultate
Der vorbildliche Kampfgeist aller deutschen Teilnehmer zahlte sich schließlich auch in bemerkenswerten Teamresultaten aus: Die DLV-Männer gewannen bei 17 gestarteten Teams mit 673,092 Kilometern hinter den Mannschaften von Japan (761,842 km) und Frankreich (742,206 km) Bronze, ein zuvor nicht für möglich gehaltenes Ergebnis.
Das DLV-Frauenteam belegte bei zehn angetretenen Teams mit 591,503 Kilometern Platz vier hinter den Mannschaften von Russland (671,329 km), Japan (641,207 km) und Frankreich (614,488 km). Auch von diesem Resultat hätte zu Wettkampfbeginn niemand in der deutschen Mannschaft zu träumen gewagt. Eine Platzierung zwischen Rang sechs und acht war in der Mannschaftsbesprechung als realistisches Ziel angesehen worden, sowohl bei Männern als auch Frauen.
Ryoichi Sekya vorn
Bei den Männern siegte Ryoichi Sekya mit 263,562 Kilometern vor dem Franzosen Mohamed Magroun (257,018 km) und Masayuki Otaki (253,814 km), die Frauenwertung gewann Lyudmila Kalinina mit 236,848 Kilomtern vor Brigitte Bec aus Frankreich (233,137 km) und Galina Eremina aus Russland (230,288 km).
Erfolgsfaktor Betreuung
Naturgemäß spielt der Faktor Betreuung bei 24-Stunden-Läufen eine besonders wichtige Rolle für das Zustandekommen der Leistungen der Athleten/innen. Aufgrund der hohen Temperaturen befand sich das DLV-Betreuerteam rund um die Uhr im Dauereinsatz und Heike Steißlinger, Michael Wolf, Bruno Heinlein, Svenja Strotkamp und Volkmar Mühl leisteten angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen Schwerstarbeit, um allen deutschen Teilnehmern die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.
Alles in allem war es ein für die Athleten/innen überaus harter, aber sportlich in hohem Maße erfolgreicher Einsatz der gezeigt hat, dass die deutschen Ultramarathonläufer/innen auch in der längsten Meisterschaftsdisziplin im Laufen international nicht nur mithalten, sondern erfolgreich sein können.
Neuaufbau gelungen
Besonders erfreulich ist, dass der Neuaufbau des DLV-24-Stunden-Nationalteams mit vier Debütanten/innen gelungen ist und sich mit den jetzt vorhandenen und weiteren potentiellen Nationalteamkandidaten für das kommende Jahr Perspektiven auf eine Fortführung und Verfestigung der jetzt erzielten Erfolge abzeichnen. Vorausgesetzt, es gelingt der IAU, auch für 2008 Organisatoren für die internationalen 24-Stunden-Meisterschaften zu finden. Aufgrund der augenblicklichen Schwierigkeiten konnte IAU-Präsident Dirk Strumane in Drummondville noch keinen Hinweis auf die Austragungsorte im kommenden Jahr abgeben.
Doch Geduld und Optimismus sind bekanntlich mit die wichtigsten Tugenden von Ultramarathonläufern.