30.000 Teilnehmer beim Paris-Marathon
Der Bursche zog ein Gesicht, als habe er seinen Kollegen einen lustigen Streich gespielt. "War doch klar, dass gewinnen würde. Oder?", meinte Benoît Zwierzchlewski mit breitem Grinsen zu den vielen Journalisten, die ihn neugierig mit Fragen löcherten, "schließlich war ich der Stärkste in diesem Feld."
Paris Marathon (Foto: Hörnemann)
An Selbstbewusstsein fehlt's ihm nicht. "Ich hatte gut trainiert und war deshalb prima in Form", erzählte der strahlende Sieger (2:08:18 h) des Paris-Marathon, der mit knapp 30.000 Anmeldungen seinen Ruf als Frankreichs größte Laufveranstaltung eindrucksvoll bestätigte. "Nach 30 Kilometern habe ich attackiert und Gas gegeben." Rachid Ziar, ein Algerier, war der Einzige, der ihm folgen konnte. Freilich bekam er schon sehr bald Probleme und mühte sich verzweifelt nach Kräften, das hohe Tempo zu halten.Die beiden Ausreißer eilten im Gleichschritt Seite an Seite durch Paris, wo sich sonst vierspurig die Blechkolonnen über die Prachtstraßen wälzen. Benoît Zwierzchlewski, der unerschrockene Frontrunner, schaute seinem Begleiter dann aufreizend lässig ins Gesicht, zündete noch rasch einen Nachbrenner, und weg war er. Rachid Ziar, der arme Kerl, ließ die Sohlen schleifen und kam nicht mehr mit. "Danach hatte ich freie Bahn", erinnerte sich der 25-jährige Franzose, der im Norden, in der Nähe von Lille, aufgewachsen ist, "und nun wollte ich mir auch den Streckenrekord holen." Den hatte der Kenianer Julius Ruto am Ostersonntag 1999 mit 2:08:10 Stunden aufgestellt.
Wer ist dieser Benoît Z., wie er von seinen Fans der Einfachheit halber gerufen wird? Er gilt als "Rohdiamant", der schon in jungen Jahren sein außerordentliches Talent andeutete. Zwei Goldmedaillen, gewonnen bei den Junioren-Europameisterschaften über 5000 und 10.000 Meter, zieren seine Karriere, die ähnlich kurvenreich verlief wie eine Achterbahn. "Ja, ja, ich war so manches Mal verletzt." Da hat er ganz gewaltig untertrieben. Denn Benoît Z. musste in schöner Regelmäßigkeit gesundheitliche Rückschläge einstecken und tat dies ohne zu klagen. "Er ist auch ein Sturkopf", bemerkte Alain Dallenbach, der Ehemann von Chantal Dallenbach, die als viertbeste Frau (2:28:27 h) französischen Rekord gelaufen ist, "Benoît macht oft mehr, als ihm gut tut." In der Vergangenheit hat er bereits zahlreiche Trainer verschlissen, dazu zählen neben Alain Dallenbach auch Vincent Rousseau, der schnellste Marathonmann Belgiens, und Dr. Gabriele Rosa, der ihn vor zwölf Monaten zu Moses Tanui ins Fila-Trainingscamp nach Kenia gelotst hatte. Dort bewältigte er hohe Kilometerumfänge. Doch im letzten Moment hinderte ihn damals eine hartnäckige Oberschenkelzerrung an der Paris-Teilnahme.
Aber bei der WM in Edmonton war Benoît Z. wieder topfit und feierte ein gelungenes Comeback als 13. im Gesamtklassement. "Dieses Rennen", blickte er zurück, "hat mir neuen Mut gegeben." Mit 2:08:18 Stunden feierte der Publikumsliebling den schönsten Triumph seiner noch jungen Laufbahn, auch wenn er Rutos Bestmarke nur hauchdünn verfehlt hatte. Für ihn, der schon so viel Pech hatte, muss es ein erhebendes Gefühl gewesen sein, als er allein auf dem Kopfsteinpflaster der Avenue Foch den tosenden Applaus eines begeisterten Publikums auskosten durfte. "Das hat Laune gemacht." Sprach's und dachte froh gelaunt an das Preisgeld von stolzen 25.000 Euro, das ihm neben einer Antrittsgage zuteil wurde.
Die gleiche Summe plus einen Zuschlag für den Streckenrekord steckte sich auch Marleen Renders in die Tasche. Denn sie wiederholte ihren Coup aus dem Jahr 2000. Damals erreichte die belgische Vielstarterin mit 2:23:44 Stunden bereits eine absolute Weltklasse-Zeit, die sie noch mal um weitere 39 Sekunden auf 2:23:05 steigerte. "Die Stimmung unterwegs war fantastisch", lobte die "Grande Dame" der Marathonszene die Atmosphäre, "die Menschen haben mich lauthals angefeuert. Da konnte ich gar nicht langsamer werden." Sie war happy, winkte im Zielraum in die tausendköpfige Menge und posierte für die Fotografen, die das zierliche Persönchen mit Pokal und Blumenstrauß ablichteten.