Die Sicht der Dinge - von Christian Fuchs
An diesem Wochenende tagen in Bad Blankenburg wieder der German Meetings. Dort geht es einmal mehr darum, zu analysieren, zu diskutieren und eigentlich würde es noch um viel mehr gehen. "Uneigentlich" bleibt die Hoffnung, dass die Zeichen der Zeit bei allen flächendeckend erkannt sind und gerade in den letzten Monaten auch erkannt wurden.
Das EM-Jahr 2002 mit dem Zulauf in München sollte zum Jahr des Aufbruchs erklärt werden (Foto: Kiefner)
Die Europameisterschaft in München hat die Sportart Leichtathletik in den Fokus gerückt und eine ungeahnte Welle der Begeisterung entfacht. Noch schwieriger, als diese anzufackeln, könnte es nun sein, den Rückenwind zu nutzen. Es ist eine Frage des Handelns, die sich auch die oft in Wehklagen befindlichen Meetingdirektoren in der schwarz-rot-goldenen Republik stellen müssen.Dabei gibt es genug positive Beispiele in den eigenen Reihen. Ein Blick auf die Zuschauerzahlen genügt, um das zu unterstreichen. Kassel hat sich prächtig entwickelt, obwohl noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Cottbus, unter der Regie von German-Meetings-Präsident Uli Hobeck, hat die Lausitz nicht weniger im Griff und startet im Januar sogar mit einem neuen Spezial-Meeting in der Halle in das Jahr 2003. Rehlingen und Eberstadt stehen wie ein Fels in der Brandung, Cuxhaven und Dessau haben sich etabliert.
Meetingsterben? Genau hinsehen...
Zugegeben. Den Meetings in Deutschland wehte zuletzt ein heftiger Wind ins Gesicht, Fernseh- und Sponsorenprobleme waren nicht immer einfach zu lösen. Mancherorts auch gar nicht. Von einem Meetingsterben war deshalb häufig die Rede. Wer aber genau hinsieht, wird etwas anderes feststellen. Zwar konnte die leistungssportliche Lücke, die Nürnberg und vor ein paar Jahren Köln im internationalen Vergleich hinterlassen haben, hierzulande (noch) nicht geschlossen werden.
Aber nehmen wir Sondershausen als kleines Beispiel. Was dort im "Thüringer Niemandsland", wo die wirtschaftliche Lage schlechter und die Arbeitslosenquote höher ist, als in den meisten anderen Teilen der Bundesrepublik, geschafft wurde, verdient alle Achtung. Es gaben in diesem Jahr nach der EM fast alle deutschen Medaillengewinner ihre Visitenkarte ab und es wurden neue Ideen bei Präsentation und Ablauf erfolgreich getestet, die sich auch die vermeintlich "Großen" durchaus zu Herzen nehmen sollten.
Der DLV konnte mit einem konsequenten Fan-Projekt zum Sparkassen DLV-Meeting in Dortmund die primäre Zielgruppe der Leichtathletik-Familie in der Region erfolgreich ansprechen und auch einen gelungenen Schritt in Richtung modernere Präsentation der Leichtathletik tun. Wenn von sich selbst enttäuschte Athleten in diesem Zusammenhang von "zuviel Volksfest" sprechen, haben sie ihr Fähnchen in den falschen Wind gehisst und ernten nicht zu Unrecht ein Kopfschütteln ihrer Kollegen. Schließlich nehmen die Bayern-Profis auch nicht ihren Fans die Trommeln ab!
Gänsehautfeeling den Golden-League-Skeptikern
Nehmen wir das Berliner ISTAF, dem es trotz einer argen Krise gelang, im ausverkauften Jahn-Sportpark eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, die bei Zuschauern und Athleten gleichermaßen für Gänsehautfeeling sorgte und die alle Golden-League-Skeptiker eines Besseren belehrte. Meeting-Direktor Christian Schenk hatte auch den Mut, neue Wege zu gehen. Der Vierkampf der "Könige der Athleten" war für die Besucher eine packende Sache.
Das Jahr 2002 mit der Europameisterschaft in heimischen Breiten, bei der man nach einer ausgeklügelten, professionellen PR-Maschinerie mit den davon angelockten Leichtathletik-Fans den Regen einfach wegjubelte, mit den neuen Ideen von Sondershausen über Dortmund bis Berlin muss zum Aufbruch erklärt werden. In München und Wattenscheid, dort wo die Leichtathletik mit EM und Deutscher Meisterschaft mehr als nur ordentlich präsentiert wurde, wird bereits daran fleißig gearbeitet, den Rückenwind zum Segeln zu nutzen. Meetingsterben? Von wegen...
Trotzdem! Euphorie ist gut, aber...
Handeln statt soviel reden, Ausprobieren statt wieder skeptisch wegpacken! Auch etwas "Learning by doing" gehört dazu. Es hat noch niemandem geschadet. Nur etwas mehr Mut dafür würde man sich mancherorts wünschen und man wird das Gefühl nicht los, dass es manchmal nur die "Angst vor der eigenen Courage" ist, die hindert. Verhindert! Zum Glück nicht immer...