Heike Drechsler: "Liebe diese Sportart"
Heike Drechsler hat noch einmal ein großes Ziel. Gerade von einer Achillessehnenoperation wiedergenesen, will sie Kurs auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Athen nehmen und dort ihre glanzvolle Karriere mit einem guten Resultat abschließen. Erfahren Sie mehr im Interview mit der Weitsprung-Olympiasiegerin...
Heike Drechsler setzt an zum Sprung nach Athen (Foto: Asics)
Sie haben in Ihrer Karriere alles gewonnen, was man gewinnen kann. Können Sie diejenigen verstehen, die nicht nachvollziehen können, warum Sie sich nochmals diesen Stress einer monatelangen Olympiavorbereitung antun? Heike Drechsler:
Vielleicht ist es ein bisschen verrückt, aber ich liebe nun mal diese Sportart. Ich denke, dass man auch nur mit dieser Leidenschaft derartige Durststrecken durchstehen kann. Ich hatte sehr viele schöne Jahre, so dass es für mich nach dieser Operation eine neue Herausforderung ist, meine Sehne richtig gesund werden zu lassen und Olympia vor Augen zu haben. Das ist meine Motivation und das Ziel, das ich brauche. Ich werde dies angehen und sehen, wie weit ich komme. Was kann es denn Schöneres geben, als bei Olympia einen schönen Schlusspunkt unter die sportliche Karriere zu setzen, und vielleicht ja auch einen erfolgreichen.
Was entgegnen Sie dem Vorwurf, dass Sie den Moment des Abschieds gegebenenfalls verpasst haben?
Heike Drechsler:
Ich bin auch schon 1996 und 1997 abgeschrieben worden. Da hieß es, die Heike Drechsler kann nicht mehr springen. Damit kann ich leben, denn ich weiß, was ich kann und glaube an mich. Alles andere ist nur Gefasel. Und ich weiß, wie schnell die Leute wieder beruhigt sind, wenn sie mich gut springen sehen. Wenn ich nicht absolut überzeugt davon wäre, in Athen zu starten, würde ich diese lange Vorbereitung nicht machen.
Nehmen wir an, alles läuft nach Ihren Vorstellungen, das heißt, Sie qualifizieren sich für Athen, machen einen guten Wettkampf und erreichen das Finale. Was würde das für Sie bedeuten?
Heike Drechsler:
Das ist natürlich schwer vorauszusehen, denn zur Zeit zähle ich jeden Tag, um weiter gesund zu werden. Aber klar, wenn ich das Finale erreichen sollte, dann geht es schon um die Wurst und ich hoffe, dass ich dann zu meinen alten kämpferischen Stärken finde. Ich glaube, dass ich ein gutes Omen habe und sehr viel Erfahrung in die Waagschale werfen kann. Gerade durch Sydney weiß ich, dass ich bei Großveranstaltungen richtig kämpfen und sehr weit vorne landen kann. Aber ich bin keine Hellseherin, so dass ich momentan Stück für Stück plane und als erstes wieder auf die Beine kommen will.
Aber für ein erfolgreiches Abschneiden werden Sie sich mit sieben Metern auseinandersetzen müssen ...
Heike Drechsler:
... wenn 6,99 Meter zum Sieg reichen, soll mich das nicht stören (lacht).
Aber im Ernst, ich habe natürlich immer den Anspruch an mich, eine Medaille zu gewinnen. Um mit weniger zufrieden zu sein, bin ich zu verwöhnt.
Für die erfolgsverwöhnte Heike Drechsler wäre es eine herbe persönliche Niederlage, wenn es nicht wie geplant läuft? Wir erinnern uns an die Europameisterschaft im vergangenen Jahr.
Heike Drechsler:
Letztes Jahr war für mich sehr kompliziert und die Bedingungen waren ebenfalls sehr mäßig. Trotzdem glaube ich, dass auch die EM unterm Strich kein schlechtes Ergebnis war. Natürlich ist man von mir mehr gewohnt, aber bei der EM hatten alle Springerinnen große Probleme wegen der unglaublichen Witterungsverhältnisse. Ich selbst habe in 20 Jahren noch nie so einen Regen während eines Wettkampfs erlebt wie letztes Jahr in München. Damit hatte ich gewaltige Probleme, so dass ich das Ergebnis ertragen muss. Aber ich sehe es nicht als Niederlage für mich, denn ich hatte schon in München gesundheitliche Probleme mit der Achillessehne. Vielmehr glaube ich, dass sich die Leute mal daran gewöhnen müssen, dass es auch fünfte Plätze gibt. Die gab es auch früher schon bei mir, nur hat sie keiner gezählt.
Aber es wäre für Sie doch schon eine Niederlage, wenn Sie nicht unter den letzten Acht landen würden?
Heike Drechsler:
So denke ich nicht, obwohl ich natürlich schon den Endkampf erreichen will. Entscheidender ist für mich, dass ich ein ordentliches Resultat erziele. Wenn das der Fall ist, dann habe ich auch einen ordentlichen Abschluss für mich erreicht. Betrachtet man das derzeitige Leistungsniveau in der Weltspitze, muss man doch einfach feststellen, dass alles offen ist. Also wenn da nun alle 7,50 Meter springen oder fünf Springerinnen 7 Meter, dann würde ich sagen: "Okay, das wars, ich höre auf!" Aber so ist es ja nicht. Bei den Weltmeisterschaften in Paris waren 6,74 Meter die Silbermedaille und das kann ich auch. Eine 6,80 Meter springe ich immer, wenn ich fit bin und damit kann man eine Medaille gewinnen. Ich werde mein Bestes geben, möchte natürlich weit springen und es wäre schön, wenn es noch mal sieben Meter würden. Und dann mit einem ordentlichen Ergebnis aufhören.
Interview: Asics