40 Jahre Meyfarth-Märchen in München
Am 4. September 2012 jährt sich ein für viele Sportfans unvergesslicher Tag: Vor 40 Jahren gewann Ulrike Meyfahrt bei den Olympischen Spielen in München völlig unverhofft Gold im Hochsprung.
Ulrike Meyfarth hat den Tag manchmal verflucht, der Millionen Deutschen laut Umfrage als unvergesslichster Augenblick der Olympia-Geschichte in Erinnerung ist.Dieser 4. September 1972, als die unbekannte 16-Jährige 80.000 Zuschauer im Münchner Olympiastadion und Millionen an den Fernsehern elektrisierte, als sie mit 1,90 Meter zum Gold und über 1,92 Meter zum Weltrekord floppte, beschert vielen noch heute Gänsehaut.
"Von den Dingen überrollt"
Ihr selbst ist 40 Jahre danach vor allem noch dies im Gedächtnis: "Mein Name rutschte auf der Anzeigetafel immer höher." Vor den beiden entscheidenden Sprüngen fühlte sie: "Es wurde so unglaublich still im Stadion, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Und dann tobten wieder alle los..."
Dem Höhenflug folgte später die Erkenntnis: "Ich wurde als unbedarftes Mädchen von den Dingen überrollt. Ich konnte den Rummel als Teenager nicht verkraften. Die Unbefangenheit war weg. Ich fühlte mich bei allem, was ich tat, beobachtet. Manchmal habe ich diesen Tag verflucht."
Neuanfang mit Gerd Osenberg
Ulrike Meyfarth, Jahrgang 1956 und heute 56 Jahre alt, kam es oft so vor, als müsse sie sich das geschenkte Gold im Nachhinein hart verdienen. Der Druck, den sie sich machte, ging erst einmal nach hinten los.
Vier Jahre später scheiterte sie bei Olympia in Montreal in der Qualifikation, dann als angehende Studentin am numerus clausus (Abitur-Schnitt 3,2). Monatelang beschäftigte die Diskussion, ob ein Spitzensportler an der Uni einen Bonus erhalten sollte, die ganze Gesellschaft. Jahre später war sie Diplom-Sportlehrerin.
Auch sportlich bekam sie die Kurve. Entscheidend war der Wechsel zu Gerd Osenberg, der damals in München auch Heide Rosendahl zu zweimal Gold und Silber im Fünfkampf geführt hatte. Der kluge Tüftler und besonnene Pädagoge, heute 75, hatte auch für ihre Situation das richtige Händchen. "Er hat mit mir ganz von vorne angefangen. Es war eine Zeit mit vielen Experimenten. Aber der Erfolg gab uns recht."
Gold und Weltrekord in Athen
Allmählich ging es nach oben. 1981 platzte endgültig der Knoten. Erstmals sprang sie wieder höher als damals, mit 1,96 Metern (bundes-)deutschen Rekord, siegte bei Europa- und Weltpokal.
Zehn Jahre nach München dann der erste Zwei-Meter-Sprung, bei der EM 1982 in Athen (Griechenland) die Rückkehr zu Gold und Weltrekord (2,02 m). Ein Jahr später WM-Silber hinter der Russin Tamara Bykowa und Steigerung auf 2,03 Meter. Und 1984 die goldene Erfüllung für die Frau, die gefühlt hatte: "Ein richtiger Athlet wird man nur durch Niederlagen."
Zweites Olympia-Gold "hart erarbeitet"
Mit olympischem Rekord von 2,02 Metern siegte sie in Los Angeles (USA). War sie mit 16 Jahren die jüngste Einzel-Olympiasiegerin der Leichtathletik-Geschichte, so wurde sie jetzt zur ältesten Hochsprung-Siegerin der Spiele und zur Ersten, die mit 12 Jahren Abstand Gold wiederholte. Auch keine andere wurde wie die 1999 zur "Jahrhundert-Hochspringerin" gewählte Rheinländerin viermal in Serie (1981 bis 1984) Deutschlands Sportlerin des Jahres.
War Ulrike Meyfarth, verheiratet mit dem früheren Handball-Bundesligaspieler und Wirtschaftsanwalt Roland Nasse, Mutter zweier Töchter (Alexandra 24, Antonia 19), das erste Gold in den Schoß gefallen, so empfand sie nach dem zweiten: "Das habe ich hart erarbeitet. Aus der Eintagsfliege wurde ein Lebenswerk."
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)