Läuft Haile Gebrselassie in Berlin?
"The big guns" schrieben die englischen Boulevardblätter vorm Showdown Mitte April beim London-Marathon, wo sich Khalid Khannouchi, Paul Tergat und Haile Gebrselassie einen gnadenlosen Fight lieferten. "Die drei Gewehre" werden auch im Herbst wild drauflos ballern. Khalid Khannouchi und Paul Tergat haben sich bereits entschieden. Sie starten am 13. Oktober auf dem Hochgeschwindkeitskurs von Chicago. Und Haile Gebrselassie? Wo läuft er? Möglicherweise in Berlin!
Ist Haile Gebreselassie in Berlin die Nummer eins? (Foto: Hörnemann)
Der kleine Äthiopier, der in London seinen Einstand gab, hat noch nicht vergessen, dass ihm Khalid Khannouchi und Paul Tergat in der Schlussphase davon gerannt sind. "Ich war bis Kilometer 39 der Hase", erzählte er noch Anfang Juni in Hengelo mit grimmiger Miene, "das wird mir nicht noch mal passieren." Auf der Insel belegte er den dritten Platz in 2:06:35 Stunden und war alles andere als hochzufrieden.Mit Berlin in Verhandlungen
Ein Mann wie Haile Gebrselassie hat allerdings andere, weit höhere Ansprüche. Einer wie er will immer der Schnellste sein – ganz egal auf welcher Strecke! Noch steht nicht fest, wo er seinen zweiten Marathon-Versuch wagen wird. Doch alle Zeichen deuten auf Berlin hin. "Wir sind in Verhandlungen", sagte sein holländischer Manager Jos Hermens auf Anfrage. "Berlin hat sicherlich gute Chancen." Dann listete er die Vorteile der Bundeshauptstadt auf: "Die Strecke ist bekanntermaßen recht flott, die Organisation ist perfekt, eine optimale Verpflegung ist unterwegs garantiert und besonders wichtig: Der Zeitunterschied zu Äthiopien beträgt nur eine Stunde." Drum gäbe es keine Probleme mit dem Jetlag.
Die Berliner haben natürlich auch Konkurrenz. In erster Linie Chicago mit seinen finanziellen Möglichkeiten! "Und wenn wir uns weder mit Berlin noch Chicago einigen können", baute Hermens für den Fall der Fälle vor, "dann bleibt uns immer noch der Amsterdam-Marathon, den wir selber organisieren." Doch ist das Budget begrenzt.
Amsterdam sorgte im Oktober 1999 für weltweites Aufsehen, als vier Läufer unter 2:07 geblieben sind. So eine Leistungsdichte hatte es bis dato noch nie gegeben! Der Kenianer Fred Kiprop siegte in einem Herzschlag-Finale in 2:06:47 Stunden vor dem Äthiopier Tesfaye Jifar (2:06:49 h), William Kiplagat (2:06:50 h), der auch aus Kenia kommt, und Jifars Trainingspartner Tesfaye Tola (2:06:57 h). Haile Gebrselassie war damals Zeuge dieses außergewöhnlichen Rennens. Ob er ebenfalls in Amsterdam, Chicago oder, wie viele vermuten, in Berlin starten wird, das dürfte sich schon bald entscheiden.
Khalid Khannouchi in Chicago
Khalid Kannouchi, der alte und neue Inhaber der Weltbestzeit (2:05:38 h in London), hat Bob Bright, dem Race-Director von Chicago, bereits vor mehreren Tagen sein Ja-Wort gegeben. In der "Windy City" am Lake Michigan, wie die drittgrößte US-Metropole im Nordosten des Bundesstaates Illinois gerufen wird, hat er in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Vier Mal ist der gebürtige Marokkaner, der im Mai 2000 die US-Staatsbürgerschaft erhalten hat, in Chicago angetreten, drei Mal hat er gewonnen: 1997 bei seinem phänomenalen Debüt in 2:07:10 Stunden, 1999 in 2:05:42, was damals Weltbestzeit war, und 2000 in 2:07:01, womit er einen neuen US-Rekord aufgestellt hatte.
Paul Tergat zieht es ebenfalls nach Chicago. Hinter seinem Landsmann Benedict Kimondiou, der im vergangenen Herbst lediglich als "Hase" eingeplant war und dann doch durchgelaufen ist, wurde er hier im zweiten Marathon seiner Karriere Zweiter. "Diesmal möchte ich eine bessere Platzierung erreichen", erklärte der fünfmalige Cross-Weltmeister , "ich weiß, dass die Veranstalter wieder ein starkes Feld zusammenstellen werden. Khalid Khannouchi ist auch da. Doch das stört mich nicht." Im Gegenteil: Das steigert nur seinen Ehrgeiz.
Die Entwicklung, betonte er, sei nicht mehr aufzuhalten. Paul Tergat, der sich in London mit 2:05:48 Stunden auf die zweite Position der ewigen Weltrangliste vorgeschoben hat, glaubt, "dass schon in naher Zukunft eine Zeit unter 2:04 gelaufen wird".
Neue Weltbestzeit im Herbst?
Der 33-jährige Kenianer wollte aber nicht vorhersagen, wer das sein wird. "Nach allem, was ich in London gesehen habe, wäre ich nicht überrascht, wenn das noch in diesem Jahr passieren wird." Tergat, Oberst der "Kenya Air Force", hat bereits die Vorbereitungen für den Chicago-Marathon am 13. Oktober in Angriff genommen. Dann wird er den vierten Marathon seiner Karriere absolvieren. Sein Debüt feierte der zweimalige Halbmarathon-Weltmeister in London 2001 (2:08:15 h), dann folgten Chicago (2:08:56 h) und zuletzt wieder London.
Khalid Khannouchi und Paul Tergat, zwei von den großen Drei, haben ihre Wahl getroffen.
Haile Gebrselassie, der nach seinem missglückten Angriff auf den Stundenweltrekord zu Werbeaufnahmen seines Sponsors Mercedes nach Südafrika geflogen ist, lässt sich Zeit. Ob Berlin, Chicago oder Amsterdam den Zuschlag erhält, bleibt (noch) ein Rätsel.