Kanonenschüsse und schnelle Beine in Rotterdam
High Noon in Rotterdam! Zwölf Uhr mittags zündete der Starter vorm Rathaus die antike Kanone, dann krachte der Schuss in den strahlend blauen Himmel. Wild entschlossen machte sich die riesige Meute, die dicht gedrängt vorm Rathaus hinter den Absperrgittern lauerte, auf den beschwerlichen Weg. 10.900 Teilnehmer stürmten über die "Coolsingel". Vorneweg die "Hasen", neunzehn an der Zahl für sämtliche Leistungsgruppen. Verpflichtet von Jos Hermens, dem Macher einer der weltweit bedeutendsten Laufveranstaltungen, die bereits zum 22. Mal ausgetragen wurde.
Allen Grund zum Lachen hatte Simon Biwott (Foto: Hörnemann)
Die Hubschrauber kreisten über dem Feld. An Bord waren die Kameraleute des Fernsehsenders "NOS Studio Sport", die dieses sportliche Spektakel aus luftiger Höhe live und in Farbe in Hollands Wohnstuben übertrugen. Mario Kadiks, der Racedirector von Rotterdam, und Jos Hermens, sein sportlicher Berater, der alljährlich die Topathleten verpflichtet, zogen wieder die schwarzen Trümpfe aus dem Ärmel: Kenianer, wohin das Auge schaute, dann noch einige Spanier, die es schon traditionell in die Hafenstadt zieht, wo sie in der Vergangenheit schon nicht weniger traditionell gut abgeschnitten haben.Wieder ein Kenianer auf der Eins
Aber es war wie immer in den letzten drei Jahren. Wieder kam ein Kenianer auf Platz eins, wieder spielte einer aus der Läufernation Nr. 1 die erste Geige im Marathon-Konzert von Rotterdam. Simon Biwott, der von von Dr. Gabriele Rosa in den Rennstall von Jos Hermens gewechselt ist, setzte eindrucksvoll die Erfolgsserie seiner Landsleute fort, die diesen Klassiker drei Mal in Folge dominiert hatten. Biwott, der schlaue Fuchs, spielte mit seinen Gegnern und trickste sie schließlich mit einer rasanten Temposteigerung aus.
Der 32-jährige Mann aus Eldoret löste sich sich auf dem letzten Drittel von Kenneth Cheruiyot, seinem Freund und Trainingspartner, und eilte einem überlegenen Sieg entgegen. Als er das blaue Zielband auf der Coolsingel, wo das Leben pulsierte, mit hoch gerissenen Armen durchriss, zeigte die überdimensionale Digitaluhr seine Endzeit an. 2:08:39 Stunden! "Ich hatte mir eigentlich eine 2:07 vorgenommen. Aber dafür waren die Temperaturen heute zu warm", entschuldigte sich der Vizeweltmeister von Edmonton hinterher bei der Pressekonferenz im World Trade Center, "in zwölf Monaten komme ich wieder, und dann bin ich auch schneller." Kenneth Cheruiyot benötigte 2:09:43 Stunden und wurde gleich ins Krankenhaus gebracht. "An der Verpflegungsstation bei Kilometer fünfzehn ist er gestürzt", berichtete Biwott. "Möglicherweise hat er sich eine Fraktur im Arm zugezogen", fügte Hermens hinzu.
José Manuel Martinez schob sich bei seinem Debüt über stramme 42,195 Kilometer auf Anhieb an die dritte Position. Mit 2:09:55 löste der Spanier das Ticket für die EM in München. "Wo ich dort starten werde, ob auf der Bahn oder auf der Straße, steht allerdings noch nicht fest", wollte er sich festlegen, "mal schauen, was der Verband sagt."
Arndt und Bürklein klagen über Organisation
Die beiden deutschen Starter im Elitefeld, Sebastian Bürklein und Jirka Arndt, klagten derweil über die organisatorischen Mängel. "Wir haben unsere Getränke an den Verpflegungsstationen nicht bekommen", berichteten sie, "das hat überhaupt nicht geklappt." Während Arndt irgendwann die Faxen dicke hatte und ausstieg, joggte Bürklein in 2:23:24 durch. "Kann durchaus sein, dass wir beide am 12. Mai in Regensburg noch einen weiteren Versuch unternehmen", kündigte Bürklein an, "abwarten, wie rasch wir uns von diesem Wettkampf erholen."
Japanerinnen eine Klasse für sich
Was die Kenia bei den Männern, ist Japan bei den Frauen. Drei kleine Mädels aus Fernost kletterten aufs Treppchen. Takami Ominami war die Schnellste aus diesem Trio. Mit 2:23:43 Stunden steigerte sie zugleich den Streckenrekord der Kenianerin Susan Chepkemei, die im Vorjahr eine 2:25:45 vorgelegthate. Masako Chiba, Zweite in 2:25:11, blieb ebenfalls unter dieser Marke. Junko Akagi komplettierte das grandiose Abschneiden als Dritte in 2:29:10.