Lee Bong-ju verzichtet auf die WM in Helsinki
Lee Bong-ju, einer der erfolgreichsten Marathonläufer Asiens, will die Weltmeisterschaft in Helsinki links liegen lassen. Er verfolgt ein anderes Ziel, wie sein Coach Oh Inhwan der Nachrichtenagentur "Yonhap News" mitteilte. "Wir haben entschieden, dass Lee Bong-ju wohl nicht an der WM teilnehmen wird", erklärte Oh Inhwan, "er soll lieber den südkoreanischen Marathonrekord verbessern." Den hält Lee Bong-Ju selber mit 2:07:20 Stunden (Tokio 2000).
Lee Bong-ju verzichtet auf einen WM-Start 2005 in Helsinki (Foto: Hörnemann)
Der Mann aus Fernost ist ein ganz erfahrener Läufer. 1990 debütierte er. Mit 34 Jahren zählt Lee Bong-ju nicht mehr zu den Jüngsten. 33 Marathonrennen hat er in seiner langen Karriere bereits absolviert und nur einmal aufgegeben: 2001 bei der WM in Edmonton.In seiner Heimat stand er zunächst im Schatten von Hwang Young-cho, dem Olympiasieger von Barcelona 1992. Mit der Silbermedaille von Atlanta 1996 bekam auch Lee Bong-ju, der in Seoul lebt und trainiert, die Popularität, die ihm gebührte. Fortan war er der "Running Hero", der von seinen Landsleuten seither wie ein Volksheld verehrt wird.
Was hat er nicht schon alles erlebt in seiner Laufbahn. 1996 in Atlanta war er Olympiazweiter (2:12:39 h) mit nur drei Sekunden Rückstand auf den Südafrikaner Josia Thugwane. 1998 wurde Lee Bong-ju Asienmeister. In Boston 2001, im 26. Marathon seiner Laufbahn, triumphierte er in 2:09:43 Stunden und erlebte den größten Zahltag in seinem Leben. Denn wie sagen die Amerikaner: Wer in Boston gewinnt, hat ausgesorgt.
Enttäuscht in Athen
Paul Tergat aus Kenia, der schnellste Marathonläufer der Welt (2:04:55 h in Berlin 2003), fürchtete ihn vor den Olympischen Spielen in Athen am meisten. Doch in der griechischen Sonne schmolzen ihre Medaillenträume dahin. Paul Tergat landete auf Rang zehn. Lee Bong-ju folgte vier Plätze dahinter. Tief gefrustet über seine Endzeit (2:15:33 h).
Nachdem er mit dem Druck, der auf seinen schmalen Schultern lastete, nicht fertig geworden war, will ihn sein Coach nicht nach Helsinki schicken. "Es ist besser für ihn, wenn er seinen eigenen Landesrekord attackiert als ihn in die Marathonschlacht einer WM zu schicken."
Auf dem Sprung zum Trainerjob?
Wie lange Lee Bong-ju noch laufen wird, hat Oh Inhwan nicht gesagt. Doch in seiner Heimat wird schon spekuliert, dass er nach dem Ende seiner Karriere ins Trainergeschäft einsteigen könnte. Ausreichend Erfahrung bringt er mit.
Außerdem hätte er dann auch mehr Zeit für seine Familie, denn seine Frau und sein kleiner Stammhalter, neunzehn Monate jung, haben oft genug auf ihn verzichten müssen. Weil er in dieser Saison wie ein Globetrotter unterwegs war: mal in Kunming, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan, dann in Kangwon Do im Nordosten von Südkorea und zuletzt im schweizerischen Urlaubsort St. Moritz, wo sich Lee Bong-ju auf Athen vorbereitete. Dass ihm der ganze Aufwand keine olympische Medaille beschert hat, war für ihn um so enttäuschender.