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Tristan Schwandke – Stabiles System im Ring und Beruf

Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um Hammerwerfer Tristan Schwandke (TV Hindelang).
Jan-Henner Reitze

Tristan Schwandke
TV Hindelang

Bestleistung:

Hammerwurf: 74,03 Meter (2019)

Erfolge:

Siebter U20-EM 2011
Zweiter Team-EM 2019
Deutscher Meister 2019

70,42 Meter, 70,13 Meter, 70,42 Meter und 70,88 Meter. Von 2015 bis 2018 hat Tristan Schwandke die 70-Meter-Marke jeweils übertroffen. Ein konstantes Niveau, aber doch noch ein Stück weg von der nationalen Pole Position. Der Sommer 2019 brachte nach vier Jahren mit ähnlichen Jahresbestleistungen einen deutlichen Leistungssprung. Der Hammer schlug bei allen Wettkämpfen jenseits der Vorjahresbestleistung ein.

Beim Meeting in Luzern (Schweiz) wurden 74,03 Meter gemessen. 73,00 Meter brachten im Berliner Olympiastadion den ersten deutschen Meistertitel der Karriere. Der 27-Jährige war klar der beste DLV-Hammerwerfer des Jahres. Hinter dieser Entwicklung stecken ein langfristiger Plan, Geduld und Leidenschaft für seine Disziplin.

Vorfahrt berufliche Laufbahn

Nachdem er in der Jugend fünf DM-Titel in der U20 und U18 geholt hatte und in den Jahren 2009 bis 2011 nacheinander bei der U18-WM in Brixen (Italien), der U20-WM in Moncton (Kanada) und der U20-EM in Tallinn (Finnland) dabei war, nahm der berufliche Werdegang erst einmal mehr Raum ein. Sein Maschinenbau-Studium, im von seiner Heimat Bad Hindelang nicht weit entfernten Kempten, schloss der 27-Jährige im Jahr 2017 ab. „Der Beruf muss ehrlich gesagt bei den meisten Sportlern in Deutschland an erster Stelle stehen“, erzählt der Hammerwerfer.

Seit dem erfolgreichen Studien-Abschluss arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter weiter an seiner Uni im Bereich Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren. Anders als das Studium, lässt sich der jetzige 40-Stunden-Vollzeitjob aber besser mit dem Sport verbinden. „Ich konnte mir mein Umfeld mittlerweile so einrichten, dass es zum Sport passt. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Trainerteam aus der Schweiz

Beruflich ist die Existenzgrundlage also gelegt und abgesichert. Seine sportlichen Ziele hat Tristan Schwandke über die Jahre aber nie aus den Augen verloren. „Dazu gehört natürlich eine gewisse Leidenschaft. Ich habe viel Zeit investiert, obwohl nicht sicher ist, ob es noch nach vorne geht und der Anschluss an die erweiterte Weltspitze gelingt.“

Sportlich steckt der Wechsel zu seinem Trainerteam Wolfgang und Björn Kötteritzsch hinter den Fortschritten des Jahres. „Meine Trainer kommen aus der Schweiz. Wir arbeiten seit dem Jahr 2016 zusammen“, berichtet der Deutsche Meister, der seine Würfe zur Technikanalyse per Video an sein Trainergespann schickt. Außerdem fährt er regelmäßig in das 90 Minuten entfernte St. Gallen, wo fürs Wintertraining auch eine Halle zur Verfügung steht.

„Es hat sich herausgestellt, dass unsere Vorstellungen, wie ich weit werfen kann, zusammenpassen“, so der DLV-Athlet. „Das Hauptaugenmerk war die Technik. Kraft- und Schnelligkeitswerte waren vorher schon gut. Ich konnte diese Werte aber nicht ans Gerät übertragen.“

Das passende Wurfsystem gefunden

Das Puzzle der Hammerwurftechnik wurde immer wieder in seine Einzelteile zerlegt. Wenn ein Teil nicht passte, war das zwischenzeitlich immer wieder ein Neuanfang. So gelang es erst einmal nicht, einen Fortschritt über die 70 Meter hinaus zu erreichen.

Seit dem Ende der vergangenen Saison allerdings steht nun endlich das individuelle Technik-Bild. „Seitdem kann ich an einem Parameter arbeiten, ohne das ganze Wurfsystem wieder zu zerstören. Das ist ein riesiger Vorteil“, beschreibt der Athlet die langwierige Geduldsprobe auf der Suche nach der optimalen Technik der anspruchsvollen Disziplin. In diesem Jahr trug die mittlerweile dreijährige Zusammenarbeit Früchte.

Dazu kommt noch eine Änderung in der Trainingsgestaltung, die eine weitere Steigerung der Zubringerleistungen im Kraft- und Schnelligkeitsbereich gebracht hat. „Ich nutze die Trainingszeit intensiver. So bleibt auch mehr Raum für Regeneration.“ Vor diesem Hintergrund zeichnete sich die Steigerung des Jahres 2019 ab.

Der Heimat treu geblieben

Großen Halt und Unterstützung findet Tristan Schwandke in seinem Umfeld. Seine Eltern sind ebenfalls sportbegeistert, Vater Elmo hat noch heute ein Auge auf das Krafttraining seines Sohnes. Seinem Verein, dem TV Hindelang, ist er seit seiner Kindheit treu geblieben und lebt nach wie vor dort.

Nachdem der heutige Leistungssportler neben der Leichtathletik zuerst auch andere Sportarten wie Klettern oder Ski fahren ausprobierte, brachte ihm Josef Zillibiller die Grundlagen des Hammerwurfs bei. Sein Talent führte nicht nur zu Erfolgen für den Verein, sondern auch dazu, dass in dem Ort eine professionelle Wurfanlage gebaut wurde.

„Ich bin ein Beispiel dafür, dass man auch aus einem kleinen Verein heraus erfolgreich sein kann. Mit Willen ist das auch ohne Kaderstatus möglich, den ich seit der U23 nicht mehr habe“, erzählt der Hammerwerfer, der auch Deutscher Meister im Rasenkraftsport ist. „Gerade meine Disziplin lebt außerdem viel vom Ehrenamt, also Menschen, die sich mit Leidenschaft für das Hammerwerfen engagieren. Davon habe ich profitiert.“

Der Weltspitze näherkommen

Seinem Verein möchte Tristan Schwandke mit der Teilnahme an einer großen internationalen Meisterschaft das nächste Highlight bescheren. Die internationale Norm für Olympia (77,50 m) ist zwar noch ein Stück entfernt, aber dennoch ein Thema. Immerhin ging es in der abgelaufenen Saison schon drei Meter nach vorne. „Im Training hatte ich auch schon Einheiten in Richtung 75 Meter. Das war aber noch nicht stabil genug, um es im Wettkampf abrufen zu können.“

Mit dem sicheren beruflichen Standbein, der optimierten Organisation des Alltags und dem gefestigten Technik-Bild ist der Weg zum Erfolg eingeschlagen. „An der Trainingsart werde ich nichts ändern“, blickt der 27-Jährige auf den gerade beginnenden Neuaufbau voraus. „Es gibt aber noch ein paar technische Details, an denen man während der Saison nur schwer arbeiten konnte.“ Warum sollte es also nicht noch weiter hinausgehen?

Als Start ins Wettkampfjahr 2020 ist schon der Winterwurf-Europacup in Leiria (Portugal; 21./22. März) im Kalender eingetragen. Und neben dem großen Ziel Tokio (Japan) wartet im kommenden Jahr auch noch die nacholympische EM in Paris (Frankreich; 26. bis 30. August 2020). Auch die ist ein attraktives Reisesiel.

Video: Tristan Schwandke gewinnt Hammerwurf-Gold mit sattem Vorsprung
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Das sagt Bundestrainer Helge Zöllkau:

Tristan ist ein Nachwuchstalent gewesen. Danach war durch den beruflichen Werdegang mit Studium nicht mehr so viel Zeit für den Sport. Das führte dazu, dass die Leistung etwas stagnierte. Nach dem Ende des Studiums und mit seinem neuen Trainerteam wurde der Aufbau dann wieder systematischer. Mittlerweile kann er außerdem Beruf und Training gut verbinden, was die Steigerung jetzt ermöglicht hat. Er ist körperlich besser vorbereitet. Seine technischen Anlagen sind ohnehin gut.

Es wäre toll, wenn Tristan seine Leistung stabilisieren und weiterentwickeln kann. Wenn er sich um einen oder anderthalb Meter verbessern kann, wäre das sehr gut. Wenn er sogar die Olympianorm wirft, wäre das ganz hervorragend. Im Hammerwurf fehlt uns seit Jahren eine solche Weite. Als Ziel möchte ich das aber nicht festlegen. Wichtig ist, dass er sich kontinuierlich entwickelt. Dann sind in der Zukunft internationale Starts realistisch. Bei der Team-EM hat Tristan den DLV schon sehr gut vertreten. Das hat gezeigt, dass er sein Potential abrufen kann. Er arbeitet sehr selbstständig und ist ein fertiger Athlet. Das wichtigste ist, dass er gesund bleibt.

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