| Nachwuchstrainer des Jahres

David Corell: "Meine Sprinter sind wie Geparden"

Sprint-Coach David Corell hat am Dienstag bei der Spitzensporttagung in Kienbaum vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) die Auszeichnung "Nachwuchstrainer des Jahres" 2019 erhalten. Der 26-Jährige ist erst seit März Bundesnachwuchstrainer der Sprinter und betreute die deutsche Gold-Staffel über 4x100 Meter bei der U20-EM in Boras (Schweden), wo sein Schützling Elias Goer auch Silber über 200 Meter gewann. Im Interview erzählt der Frankfurter, wie er Athleten mental auf große Rennen einstellt, warum es gut ist, sich als Trainer ständig kritisch zu hinterfragen und was es mit seinem Leitsatz "Sprinter sind wie Geparden" auf sich hat.
Pamela Lechner

David Corell, haben Sie mit dem Titel "Nachwuchstrainer des Jahres" gerechnet und was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

David Corell:

Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass der Nachwuchstrainer geehrt wird. Die Auszeichnung ist cool, ich bin happy damit. Während der Saison bekommt man gar nicht so genau mit, was alles gut gelaufen ist. Wenn man das Jahr im Nachhinein betrachtet, merkt man doch, dass einiges ziemlich gut zusammengepasst hat.

Sie sind leidenschaftlicher Trainer. Wieviel investieren Sie in den Beruf?

David Corell:

Ich habe dieses Jahr drei Tage Urlaub gehabt (lacht). Ich glaube, das spiegelt es ganz gut wider. Klar investiere ich viel. Ich könnte mir nicht vorstellen, den Trainer-Job rein als Hobby zu machen. Mir ist wichtig, dass es mein Beruf ist, weil man unglaublich viel dafür aufgibt. Am Wochenende ist man immer unterwegs. Und wenn die Freunde abends ausgehen, steht man selbst auf dem Sportplatz. Natürlich gibt man alles. Wenn man das nicht macht, ist man hier falsch. Wir kämpfen gegen Nationen, die teilweise krassere Ausgangsbedingungen haben, was den Pool an Athleten oder die finanziellen Möglichkeiten betrifft. Wenn man da nicht mit ganzem Herzen dabei ist, muss man es lassen.

Das Engagement hat sich ausgezahlt. Sie haben diesen Sommer mit den Nachwuchssprintern Staffel-Gold bei der U20-EM geholt, dazu gewann ihr Schützling Elias Goer Silber über 200 Meter. Als Heimtrainer hatten Sie bei den Aktiven ebenfalls Erfolge: Kevin Kranz stand im Hallen-EM-Finale über 60 Meter und Michael Pohl (alle Sprintteam Wetzlar) ist Deutscher 100-Meter-Meister geworden. Wie stellen Sie die Athleten vor den wichtigsten Rennen ein?

David Corell:

Es kommt immer ganz auf den Typen an. Kevin Kranz macht ein paar Minuten bevor es in den Callroom geht noch Scherze, dann muss ich ihm sagen, 'Kumpel, konzentrier dich mal'. Mit Elias Goer macht es Spaß, ihn kann man mit Motivationssprüchen richtig heiß machen. Ich mache das individuell und mag es nicht, die Athleten zu sehr zu pushen und die Ziele zu hoch zu setzen. Da besteht immer die Gefahr des Verkrampfens und Festwerdens.

Ein Teil Ihrer Frankfurter Trainingsgruppe wird mittlerweile durch einen Kollegen betreut. Sie können sich seit Herbst auf Ihre neun Top-Sprinter konzentrieren. Welche Vorteile hat das?

David Corell:

So kann ich als Trainer alles mit abdecken, auch Arzt- oder Physiotherapietermine. Und mit zwei Athleten Start-Einheiten machen und die Technik analysieren, ohne dass fünf andere währenddessen warten. Man hat einfach mehr Zeit, an den kleinen Sachen zu feilen.

Sie wohnen nur 400 Meter entfernt vom Stützpunkt in Frankfurt-Niederrad, haben Ihr Büro direkt am Sportplatz. Sehr praktisch, oder?

David Corell:

Ich kann morgens zu Fuß zum Sportplatz gehen oder fahre mit meinem Elektroroller schnell hin. Da werde ich zwar etwas komisch angeschaut, spare mir aber sechs Minuten Fußweg. Cool ist daran, dass ich nicht wie andere Trainer von zu Hause arbeite, sondern ich kann dafür immer ins nahe Büro fahren, wo ich meinen Laptop habe. So habe ich Berufs- und Privatleben ganz gut getrennt.

Mit welchen Trainern teilen Sie das Büro?

David Corell:

Wir haben einen großen runden Tisch, wo jeder seine Workstation hat. Dort sitze ich mit Mittelstrecken-Bundestrainer Georg Schmidt und teilweise neben anderen auch mit Langhürden-Bundestrainer Volker Beck und Jürgen Sammert. Es ist also einiges an Kompetenz in dem Büro versammelt. Wenn wir alle zusammensitzen, gehen die Fachgespräche los, der eine hat das gelesen, der andere das. Bei Problemen überlegen wir gemeinsam, was man machen kann. Der Input, den man so bekommt, ist Gold wert.

Georg Schmidt war es auch, der Sie dazu animiert hat, sich im Alter von 19 Jahren beim Wiesbadener LV erstmals als Trainer zu versuchen, nachdem ihr eigenes Sprint-Potenzial ausgereizt schien. Dazu haben Sie Sportwissenschaften in Mainz studiert und schließen bald Ihre DLV-A-Trainer-Ausbildung ab. Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Coach aus?

David Corell:

Man braucht eine hohe Sozialkompetenz, um mit den Athleten sprechen zu können. Empathie und Einfühlungsvermögen. Teilweise ist es ein Problem, dass wir Trainer uns zu sicher sind, dass wir es richtig machen. Die Erfolge und dass ich geehrt wurde, das ist alles schön und gut, aber die schnellsten Athleten in meiner Gruppe rennen 10,20 Sekunden, das reicht nicht mal für eine Teilnahme an Weltmeisterschaften, geschweige denn für ein Halbfinale. Das Ziel wäre doch, dass ich einen Athleten in ein EM-Finale über 100 Meter bringe. Wir müssen uns bewusst sein, dass es weltweit viele Trainer gibt, die das besser können und das auch annehmen. Wir können von ihnen lernen. Wir müssen uns immer wieder hinterfragen, ob das, was wir machen, zu 100 Prozent richtig ist. Man muss selbstkritisch sein und einordnen, ob das, was man im Training macht, auch sinnvoll ist.

Wie bilden Sie sich weiter?

David Corell:

Bei uns im Büro bilden sich alle ständig weiter. Jeder liest gerade ein Buch. Wir stellen uns auch Bücher gegenseitig vor und gehen sie zusammen durch. Über das, was wichtig ist, schreiben wir Zusammenfassungen. Ich lese im Sprint-Bereich neben Büchern auch Journals und Blogs von anderen Coaches, oder schaue mir auch mal was bei Instagram oder Youtube an. Man braucht bei der Informationsflut aber auch das richtige Händchen die Infos einzuordnen und muss aufpassen, dass man nicht durchdreht und versucht alles zu integrieren. Ich nehme pro Saison immer eine Sache neu ins Training auf, obwohl ich zehn Sachen integrieren könnte. Ich nehme nur einzelne Änderungen auf, bei denen ich mir sicher bin, dass ich damit nichts falsch mache. Es geht nicht darum, gleich alles umzukrempeln und Bäume damit auszureißen.

Einer Ihrer Leitsätze lautet: Sprinter sind wie Geparden. Die liegen viel auf der faulen Haut und sind im richtigen Moment rasend schnell. Können Sie Ihr Konzept beschreiben?

David Corell:  

Dieser Satz beschreibt den Sprinter-Typen, der zu meinem Training passt. Der hochtalentierte Athlet, der relativ wenig Trainingsreize braucht, auf diese Reize stark reagiert und sich schnell anpasst. Es gibt auch Sprinter, die zwölfmal die Woche mit 100 Prozent arbeiten müssen und darüber ihr Potenzial ausschöpfen. Das entspricht aber nicht meinem Trainingskonzept. Die meisten meiner Sprinter sind so, dass sie, übertrieben gesagt, den ganzen Tag faul rumliegen und dann einmal am Tag explodieren, Gas geben und ihre Zwei- bis Drei-Stunden-Einheiten machen. Danach legen sie sich wieder ins Bett. Und das Ganze nur sechsmal in der Woche und nicht acht oder zehnmal. Die Pause brauchen sie zur Anpassung an die Trainingsreize. Wenn mich ein Sprinter fragen würde, ob ich ihn trainiere und ich mir sicher bin, dass das Trainingskonzept für ihn nicht passt, würde ich ihm raten zu einem anderen Trainer zu gehen, bei dem es für seine Entwicklung besser passt.

Was wollen Sie als Trainer noch erreichen, Sie haben noch eine lange Zukunft vor sich?

David Corell:

Ich will daran arbeiten, dass wir nicht nur im Nachwuchsbereich, sondern auch im Erwachsenenbereich international konkurrenzfähig sind. Vor allem im Männer-Bereich und das nicht nur in der Staffel, sondern im Einzel. Zum Beispiel wäre es schön, einen Sprinter zu haben, der bei Europameisterschaften im Finale mitrennen kann oder ins WM-Halbfinale kommt. Ein Podiumsplatz bei Weltmeisterschaften wäre etwas hoch gegriffen, aber das sichere Erreichen eines EM-Finals wäre stark.

Für Ihre Freundin, Weitspringerin Maryse Luzolo, war es auch ein erfolgreiches Jahr, Sie hat ihre schwere Knieverletzung überwunden und bei den Militärweltspielen in China vor Kurzem Silber gewonnen. Geben Sie ihr auch sprintspezifische Tipps für den Anlauf?

David Corell:

Ins Trainingsgeschäft von Maryse will ich mich besser nicht einmischen. Ihr Trainer Jürgen Sammert hat schon ein paar Mal gefragt, ob ich mit ihr Sprint-Einheiten machen kann oder will. Aber man merkt, dass Maryse von ihrem Freund nicht so viel annimmt wie von ihrem Trainer. Das ist auch richtig so. Ich glaube, dass sie bei Jürgen in besten Händen ist, er ist ein guter und erfolgreicher Trainer.

Mehr:

Spitzensporttagung Kienbaum – Ralf Weber als DLV-Trainer 2019 geehrt

 

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