| Road to Tokio

Julian Reus: Sprint-Cup-Initiator und wichtige Staffel-Größe für Olympia 2020

Julian Reus hat es wieder geschafft: Der Erfurter war in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal Deutschlands schnellster Sprinter über die 100 Meter. Mit 10,13 Sekunden verpasste der 31-Jährige die WM-Norm nur knapp, lief mit der DLV-Staffel dafür im WM-Vorlauf in Doha die schnellste Zeit (38,24 sec) seit 2016. Nach der WM ist vor Olympia: Tokio 2020 wären seine dritten Spiele. Um den Nachwuchs sorgt sich der Deutsche Rekordhalter schon jetzt: Als Initiator des "Sprintcup 2019 – Schnellste Schule Erfurts".
Sandra Arm

Der Deutsche 100-Meter-Rekordler ist dankbar. Dankbar für die zurückliegenden 20 Jahre, in denen der gebürtige Hanauer das Sportsystem in Erfurt durchlaufen hat. Jetzt möchte der 31-Jährige etwas zurückgeben. Begonnen hatte Julian Reus damit schon Ende 2017, als er verkündete nach seiner erfolgreichen Zeit mit dem TV Wattenscheid für das LAC Erfurt Top Team zu starten. Dem nicht genug, schwirrte ihm noch eine andere Idee im Kopf herum. Er wollte gern die Themen Sprint und Sichtung miteinander koppeln, was mit der Initiierung des "Sprintcup 2019 – Schnellste Schule Erfurts" gelang.

Der Sichtungstrainer des Thüringer Leichtathletik-Verbandes (TLV), Steffen Droske, hatte Julian Reus mit dem Fachberater Sport Kai Röckert zusammen gebracht. "Angesichts seiner Position kann Kai jede Schule erreichen. So konnten wir das Projekt in allen Erfurter Schulen und zuletzt vor den Thüringer Sportlehrern vorstellen. Zudem habe ich auch von seiner Erfahrung und seinen Ideen im Bereich der Schulsportwettkämpfe sehr profitieren können. Wir wollen einfach zeigen, wie attraktiv die Leichtathletik ist und Kinder zum Sport animieren", berichtet Julian Reus, der für dieses Projekt eine neue Rolle einnahm. "Auch wenn es eigentlich nicht so meine Art ist, stehe ich für das Projekt und habe es nach Außen mit meinem Gesicht beworben."

Sieben Monate Austausch und Planung für Sprint-Projekt

Nach sieben Monaten Austausch und Planung wurde am 14. November das gemeinsame Sprint-Projekt in der Erfurter Leichtathletikhalle in die Tat umgesetzt. Jeweils acht Grundschulen und weiterführende Schulen mit einer zehnköpfigen Schulmannschaft aus fünf Mädchen und fünf Jungen, in der Summe 160 Kinder, kämpften um den Titel „Schnellste Schule Erfurts“. Die Wertung erfolgte getrennt. Gewetteifert wurde an vier sprintspezifischen Stationen. Eine stand besonders im Fokus: der klassische 30-Meter-Sprint. Gerhard Jäger, Heimtrainer von Julian Reus, stoppte die Zeiten. Die jeweils acht schnellsten Jungen und Mädchen der Schulen erhielten eine besondere Einladung aus den Händen des Topsprinters. Sie dürfen beim Erfurt Indoor am 2. Februar über 50 Meter starten.

Das Projekt soll nachhaltig sein. "Wir wollen ein Handbuch für die Sportlehrer entwickeln, das beschreibt, wie sich die ganze Klasse besser auf den Wettkampf vorbereiten kann. Den Lehrern kann es neuen Input für den Sportunterricht geben und das Gemeinschaftsgefühl der Klasse wird gestärkt", erklärt Julian Reus. Nachhaltigkeit bedeutet auch: Talente sichten, Kinder in regionale Sportvereine einladen und vielleicht für die Erfurter Sportschule gewinnen. Da schaute wiederum Steffen Droske etwas genauer hin. Im Herbst 2020 soll der Cup auf ganz Thüringen, mit 800 Kindern, ausgeweitet werden und unter dem Motto „Sprintcup – Thüringens schnellste Schule“ stehen.

Julian Reus geht es bei seinem Engagement nicht vordergründig um seine Nachfolger. "Jeder soll seinen eigenen Weg gehen. Wenn dabei ein erfolgreicher Sprinter rauskommt, wäre das natürlich schön. Die Kinder sollen Spaß haben, und wenn sie dann noch beim Sport bleiben, war es doch eine erfolgreiche Veranstaltung. Man kann nicht jedes Kind zu einem Topsprinter machen." Über den Schulsport und die Bundesjugendspiele fand der 13-fache Deutsche Meister den Weg in die Leichtathletik.

Auf Erfolge folgen Rückschläge

Er blieb, ging seinen Weg und hat nun seine dritten Olympischen Spiele in Tokio (Japan; 31. Juli bis 9. August 2020) vor Augen. Die Einzelnormen des Weltverbands World Athletics über 100 (10,05 sec) und 200 Meter (20,24 sec) sind anspruchsvoll. Zuletzt gelang ihm unmittelbar vor den Sommerspielen 2016 eine Zeit unter 10,05 Sekunden: Damals verbesserte er den deutschen Rekord auf 10,01 Sekunden. Ein anderer, Tobias Unger, hält seit 2005 den deutschen Rekord über 200 Meter (20,20 sec).

Auf erfolgreiche Jahre folgten beim "Wahl-Erfurter" Rückschläge: Stressreaktion am Schienbein, Oberschenkelprobleme und zu guter Letzt der verhängnisvolle Sturz beim Staffelrennen bei der Heim-EM in Berlin. Die vergangenen anderthalb Jahre verliefen alles andere als optimal. Die abgelaufene Saison endete mit 10,13 Sekunden, drei Hundertstel über der WM-Norm. Ein Ausrutscher, erklärbar. "Ich konnte die Belastung im Training einfach nicht vorbereiten. Im Nachhinein habe ich körperlich wie psychisch mit mir gekämpft. Deshalb ist es für mich nun umso wichtiger, verletzungsfrei durch die Vorbereitung zu kommen, um die schnellen Belastungen auch verkraften zu können."

Auszeit nach Staffel-Einsatz in Doha

Dafür gönnte er dem Körper nach der WM in Doha (Katar) eine vierwöchige Pause. Reiste mit der Familie für 14 Tage nach Südafrika. Eine Auszeit, die er brauchte. "Ich hatte nach der Schulter-OP infolge des Sturzes in Berlin gar keine Pause. Davor das Jahr nur eine zweiwöchige Pause. Der Körper hat nach einer längeren Auszeit geschrien", erklärt Julian Reus, der sich seit fast zwei Wochen wieder im Training befindet. Aktuell werden die Grundlagen für die Hallensaison gelegt. "Das sind die Wochen, die keinem Sprinter so richtig Spaß machen, aber ich ziehe das Training durch", sagt er lächelnd. Wohlwissend, dass sich die "Quälerei" am Ende bezahlt macht.

Konkret sind es viele Läufe, Bergläufe, Krafteinheiten, Sprünge, ein bisschen Schnelligkeit und lange Einheiten, um den Körper auf die Sprintbelastung vorzubereiten. "Wir haben eine ganz gute Planung in Richtung Hallensaison. Wo und wann ich einsteige, das kann ich noch nicht sagen." Ihm bleibt im Olympiajahr eigentlich keine andere Wahl, als mit der Hallensaison anzufangen. "Die Hallensaison ist für uns Sprinter ein Muss. Gerade mit den hochkarätigen Meetings in Deutschland, wo wir Punkte sammeln können." Nicht mehr nur die Normen sind ausschlaggebend, die Olympia-Qualifikation erfolgt auch über die neue Weltrangliste. Je höherklassiger das Meeting, desto mehr Zähler gibt es.

Ziel: Olympia-Finale mit jungen Staffel-Kollegen

Draußen wird es für Julian Reus schwieriger geeignete Meetings zu finden. "Bei der Diamond League haben wir deutschen Sprinter kaum eine Chance eingeladen zu werden", macht er die Schwierigkeit der Qualifikation deutlich. Am einfachsten ist es, die Norm zu erfüllen. "Ich muss gesund sein, um in Richtung 10,10 Sekunden laufen zu können. Gelingt mir das, kann ich auch eine 10,05 laufen. Ich weiß auch, dass ich mich über das Rankingsystem qualifizieren kann", blickt er zuversichtlich Richtung Tokio.  

Eine weitere Olympia-Option ist ein Start mit der deutschen Sprintstaffel. In Doha löste das DLV-Quartett die Aufgabe mit 38,24 Sekunden recht ordentlich. "So schnell sind wir seit 2016 nicht mehr gelaufen. Wir hatten zwei sehr junge Athleten dabei, sie haben die Aufgabe sehr, sehr gut erledigt", lobt der erfahrene Startläufer die Youngster Joshua Hartmann (ASV Köln) und Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig). Trotzdem reichte die Zeit nicht fürs Finale. "Wir müssen uns läuferisch weiter steigern, um das Finale erreichen zu können. Das ist das Ziel für 2020", betont Julian Reus, der sich auch selbst in die Pflicht nimmt. "Ich war nicht in der Form wie 2015, 2016 und 2017. Wenn ich meine Form in Richtung 10,10 Sekunden stabil bringe, dann kann ich auch meine Staffel-Einzelleistung verbessern."

Beim Blick auf den aktuellen Bundeskader deutet sich ein Generationswechsel an. Und diesen Schritt sieht Julian Reus durchaus positiv. "Dieser Schritt war notwendig. Wir hatten sehr lange einen stabilen Stamm. Dass jetzt die jungen Leute hochkommen, das ist ein wichtiges Signal für die Zukunft." Und damit meint er auch zwei seiner Vereinskollegen: Luis Brandner und Julian Wagner, die dem Perspektivkader angehören. "Das haben sich die beiden absolut verdient. Julian kann auf eine sehr gute Saison mit der DM in Berlin zurückblicken. Luis war verletzt. Dass er ein hochtalentierter Sprinter ist, hat er in den vergangenen Jahren bewiesen. Ist er wieder gesund, dann wird er auf der Bahn zeigen können, wie schnell er ist." Das will auch der Deutsche Rekordler nächstes Jahr wieder.

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