| Sportler des Jahres 2019

Niklas Kaul nimmt Ehrungsmarathon und Olympia 2020 mit Gelassenheit

Der Mainzer Niklas Kaul hatte bei der Leichtathletik-WM in Doha überraschend mit 8.691 Punkten triumphiert und sich zum jüngsten Weltmeister der Zehnkampf-Geschichte gekrönt. Dafür wurde der 21-Jährige von rund 2.300 Sportjournalisten zum "Sportler des Jahres" 2019 gewählt. Ausruhen auf dem Erfolg will sich der Shootingstar nicht, bis Olympia will er besonders an den Sprung-Disziplinen feilen.
Pamela Lechner

Die Auszeichnung zum "Sportler des Jahres" krönt ein perfektes Sportjahr. "Es ist der wichtigste Preis, den es für Sportler in Deutschland gibt", freute sich Niklas Kaul (USC Mainz) nach der Ehrung in Baden-Baden, von den vielen Top-Athleten ausgewählt worden zu sein. Größer kann der sportliche Erfolg kaum noch werden: "Es gibt nur eine Sache, die mehr wert wäre als ein WM-Titel, und das wäre ein Olympiasieg oder eine Olympiamedaille generell."

Bevor sich der Weltmeister jedoch Vorhersagen für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio (Japan) entlocken lässt, will der 21-Jährige erstmal gut durch den Winter kommen. "Wenn ich dann nächstes Jahr verletzungsfrei bin, können wir gucken, wie es aussieht. Ich bin dann immer noch 22, auch 2024 wird es hoffentlich noch eine Chance geben." Stärkster Konkurrent ist derzeit der französische Weltrekordler Kevin Mayer, der schon die 9.000 Punkte-Marke überboten hat.

Zehnkampf in die Diamond League integrieren

Als Gewinner der Wahl zum "Sportler des Jahres" sieht sich Niklas Kaul nicht im Schatten des übermächtigen Fußballs. "Wir brauchen uns nicht mit dem Fußball zu vergleichen", sagte der Zehnkampf-Weltmeister selbstbewusst. "Es tut uns nicht gut, uns mit dem größten Sport zu vergleichen. Wir stehen für sportliche Vielfalt." Er verwies auf die "sehr guten Quoten" im Fernsehen für die Leichtathleten in diesem Jahr wie bei den Deutschen Meisterschaften im Rahmen der Finals verschiedener Sportarten in Berlin und bei der WM in Doha (Katar). 

"Natürlich wünschen wir uns, dass Meetings wie die Diamond League oder der Mehrkampf in Götzis öfter im Fernsehen zu sehen sind." Der Senkrechtstarter schlägt auch eine Art "Additions-Zehnkampf" im Rahmen der Diamond League vor: Die Mehrkämpfer könnten bei fünf Meetings jeweils zwei Disziplinen oder über vier Meetings (3-2-3-2) verteilt einen Zehnkampf absolvieren und am Ende wird zusammengerechnet. Das wäre eine Möglichkeit, den Zehnkampf in der Diamond League zu präsentieren, und gleichzeitig eine Bereicherung für die höchste Meeting-Serie.

"Ach, berühmt bin ich nicht!"

Seinen Erfolg und die vielen Ehrungen – vor der Gala in Baden-Baden erhielt Niklas Kaul den Sport-Bambi und vom Europaverband EA die Auszeichnung "Rising Star" – lässt er sich nicht zu Kopf steigen. Am Ende sei es wichtig, "dass man sich von so was nicht blenden lässt. Dass man sich nicht auf dem Erfolg ausruht, weil man einmal was gewonnen hat, und glaubt: Trainieren muss ich nicht mehr", sagte der Überflieger in einem Interview der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montag). Es gehe jetzt genauso weiter und werde nicht einfacher: "Denn natürlich wollen die anderen jetzt besser sein als ich."

Sympathisch macht ihn seine Bodenhaftung. "Ach, berühmt bin ich nicht!", sagte der Lehramtsstudent (Sport und Physik) auf die Frage, wie seine Kommilitonen jetzt mit ihm umgehen. "Eigentlich gehen die ganz normal mit mir um, wie vorher auch. Das finde ich auch schön so, das ist ganz wichtig." Er habe sich ja durch die zwei Tage WM-Wettkampf nicht grundlegend verändert. "Und das Schöne ist, dass ich die Uni als Ruhepol habe."

Für Tokio Punkte in den Sprung-Disziplinen rausholen

Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio will der Zehnkämpfer gemeinsam mit seinen Eltern und Trainern Stefanie und Michael Kaul schauen, wo innerhalb der kurzen Vorbereitungszeit die meisten Punkte rausgeholt werden können. Bei ihm sind das die drei Sprung-Disziplinen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Hochsprung. "Weil ich da in den Bereich um 2,10 Meter springen kann, das wären sieben Zentimeter mehr als zuletzt und das sind 70 Punkte", rechnet der Mehrkämpfer vor. Um 70 Punkte im Sprint rauszuholen, müsste er dagegen über die 100 Meter dreieinhalb Zehntel schneller rennen. Eine derartige Steigerung ist in acht Monaten unrealistisch.

Seine stärkste Disziplin ist das Speerwerfen, bis auf 79,05 Meter segelte sein Wurfgerät in der neunten Disziplin des WM-Zehnkampfes. Nach dem Super-Wurf war jede Menge Druck abgefallen, war die Aufregung vorher doch größer also gewöhnlich – schließlich ging es um die WM-Medaillen-Entscheidung. "Die Zeit zwischen Stab und Speer war sehr schwierig. Sonst habe ich den ganzen Zehnkampf in den Pausen geschlafen. Das war dann wirklich zum ersten Mal, dass ich hibbelig geworden bin." Eine magische Weite hat er für die Zukunft vor Augen: "Ich will irgendwann noch mal 80 Meter mit dem Speer werfen, das ist so ein kleiner Traum."

Smoking für Ehrungen direkt nach der WM gekauft

Eine der wenigen Sportarten, die Niklas Kaul nicht liegt, ist das Schwimmen. Dies gab der Mehrkämpfer auch im Rahmen der Gala in Richtung des zweitplatzierten Triathleten Jan Frodeno zu. "Ich schwimme wie eine Blei-Ente. Die Leichtathleten haben halt leider immer zu schwere Beine im Vergleich zum Oberkörper, deshalb ist Schwimmen ein bisschen schwierig. Das gleichen auch meine großen Hände und großen Füße nicht ganz aus", erklärte er im FAZ-Interview.

Dass sein athletischer Körper auch nicht in den standardmäßigen Smokingschnitt passt, musste Niklas Kaul nach seinem Triumph in Doha feststellen. "Ich habe mir relativ direkt nach der WM, als ich wusste, dass ich zu diesen Veranstaltungen muss, einen Smoking gekauft. Das war aber auch ne längere Geschichte. Ich weiß jetzt, dass ein Smoking nicht geschnitten ist für einen Leichtathleten." Er vermutet, dass alle durchtrainierten Leistungssportler hier ihre Probleme haben: "An den Schultern war der Smoking zu eng, an der Hüfte zu weit, an den Oberschenkeln auch zu eng." Seine Voraussetzungen für den Zehnkampf sind aber optimal.

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024