| Interview "Leichtathletin des Jahres"

Malaika Mihambo: „2019 war bisher mein schönstes Jahr“

Sie ist Weltmeisterin. Deutschlands "Sportlerin des Jahres" und nun auch "Leichtathletin des Jahres". Im Interview spricht Weitspringerin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) nach einem prägenden Jahr über ein neues Selbstvertrauen, mentale Hürden und über Momente, die bleiben.
Alexandra Dersch

Malaika Mihambo, herzlichen Glückwunsch. Nach der Wahl zu Deutschlands „Sportlerin des Jahres“ sind Sie nun auch Deutschlands „Leichtathletin des Jahres“. Welchen Wert hat diese Auszeichnung für Sie?

Malaika Mihambo:
Es ist schön, dass ich das erreicht habe. Ganz unerwartet kommt diese Auszeichnung nach der vergangenen Saison nicht, aber das macht diese Ehrung nicht weniger wertvoll. Es ist DER Titel in der deutschen Leichtathletik, insofern macht es mich stolz, dass ich ihn nun tragen darf.

In letzter Zeit sah man Sie häufiger im Abendkleid auf Bällen und Ehrungen oder in schicker Freizeitkleidung in Talkshows. Wie sehr genießen Sie diese Ausflüge abseits des gewohnten Trainingsalltags?

Malaika Mihambo:
Es ist eine willkommene Ablenkung, die mir viel Freude bringt. Ich lerne viele neue Dinge und Menschen kennen und erfahre gleichzeitig auch viel über mich selber. Diese öffentliche Rolle, in die ich durch solche Auftritte hereinkomme, führt natürlich dazu, dass ich auch anderes Feedback bekomme. Etwa auf Äußerungen, die Wellen schlagen. Es ist eine neue Art der Rückmeldung für mich, eben abseits des Sports. Aber all das sind wertvolle Erfahrungen, an denen ich weiter wachse.

Hinter Ihnen liegt eine lange, erfolgreiche, aber eben auch harte Saison. Sie sind bei 19 Wettkämpfen an den Start gegangen, sind in Ihren zehn Weitsprung-Wettbewerben sieben Mal über sieben Meter gesprungen. Doch was bleibt von diesem Jahr wohl dauerhaft im Gedächtnis?

Malaika Mihambo:
Es war ein intensives Jahr. Ein Jahr, in dem ich ganz viele Emotionen empfunden habe und tolle Momente erleben durfte. Ganz Unterschiedliche, so dass es einige Verschiedene sind, die mich von nun an begleiten werden und an die ich gerne zurückdenke. Da war zum Beispiel dieser goldene Konfettiregen beim Diamond-Finale in Brüssel oder das Feuerwerk in Dessau, wo ich zum zweiten Mal in meiner Karriere über sieben Meter gesprungen bin. Da war diese emotionale Achterbahnfahrt bei der WM in Doha mit goldenem Ausgang und der anschließenden Party, wo ich zusammen mit Athleten, Trainern und Offiziellen zum Abschluss noch in den Hotelpool gesprungen bin. Da waren meine Reisen nach Indien und Thailand, die mir so viel bedeuten. Und natürlich der Ball des Sports und die Ehrung zur „Sportlerin des Jahres“. Es war ein prägendes Jahr für mich. Persönlich und sportlich war 2019 wohl mein bisher bestes Jahr. Aber ich bin mir sicher, es werden noch viele weitere tolle Jahre für mich kommen.

Sie haben die WM in Doha bereits kurz angeschnitten. Mit 7,30 Metern haben Sie dort Gold geholt. 7,30 Meter – das ist Platz zwei der ewigen deutschen Bestenliste. Nur Heike Drechsler sprang je weiter. Spielen Rekorde wie dieser überhaupt eine Rolle für Sie?

Malaika Mihambo:
Nun ja, ich weiß sehr wohl, dass mir noch 18 Zentimeter zu Heike Drechsler und ihrem deutschen Rekord fehlen. 18 Zentimeter – das ist eine Welt im Weitsprung. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich auf meine bisherige Bestleistung noch etwas draufpacken kann. Ich bin aber auch Realist genug, um zu wissen, dass sich so etwas nicht erzwingen lässt. Neben der Gesundheit und meinem Trainingszustand müssen auch die richtigen Wettkampfbedingungen gegeben sein. Insofern forciere ich eine Weite wie diese nicht aktiv, da so viele Faktoren stimmen müssen, die ich selber nicht beeinflussen kann.

Diese sieben Meter. Sie waren gefühlt schon lange fällig. Wir erinnern uns: 2014 sind Sie als gerade 20-Jährige bereits 6,90 Meter gesprungen. Doch sind diese sieben Meter, neben der körperlichen Leistung, nicht gerade auch eine mentale Hürde, für die auch der Kopf Zeit braucht?

Malaika Mihambo:
Für mich war das definitiv der Fall. Vielleicht ist das bei anderen Athletinnen anders, aber ich musste erst auch mental reif genug sein, um die sieben Meter nicht mehr als Schallmauer wahrzunehmen. Ich musste lernen, mir zu vertrauen, mir diese Weite selber zuzutrauen. Hinzu kamen aber auch im Rückblick einige körperliche Probleme, wie etwa die Patellasehnenprobleme 2016, wo ich dennoch 6,95 Meter gesprungen bin. Oder auch mein Muskelfaserriss 2015 kurz vor dem WM-Finale. Es muss schon viel passen, um so weit springen zu können. Aber wenn die körperlichen Voraussetzungen da sind, dann ist der Kopf definitiv die letzte Hürde, die gemeistert werden muss.

In Doha standen Sie auch vor dieser mentalen Hürde. Im Finale standen nach den zwei ersten Durchgängen für Sie zwei ungültige Sprünge im Protokoll. Dann kamen die 7,30 Meter im dritten Versuch – war der Schlüssel mehr der mentale Fokus, oder das Umschalten in den Autopilot?

Malaika Mihambo:
Es war tatsächlich eine gute Mischung aus beiden Aspekten. Ich musste in dieser Situation meinen mentalen Fokus wiederfinden, um in den Autopiloten schalten zu können. In Doha hatte ich mit einem enormen Druck zu kämpfen, der in dieser Form auch neu für mich war. Ich habe gemerkt, dass mein Atem ganz flach und viel zu schnell ging. Das war körperlicher Stress. In solchen Momenten ist es dann schwierig, gute Leistung zu bringen und in den Autopiloten zu kommen. Mein Wille stimmte, aber ich war schlicht zu angespannt. Vor dem dritten Versuch habe ich dann noch einmal Rücksprache mit meinem Trainer gehalten und mich dann, ganz für mich, auf den Boden gesetzt und meditiert. Das brauchte ich in diesem Moment. Ich musste zu mir kommen. Dass mir das gelungen ist, betrachte ich als meine größte Leistung an diesem Abend. Das war mein Schlüssel zum Erfolg.

Sie sind in diesem Jahr nicht nur zur Sieben-Meter-Springerin gereift, sondern haben sich auch in Ihrem Auftreten allgemein verändert. Ich denke da etwa an Ihr Shooting mit der Vogue, an das Nachziehen des Lippenstifts vor dem letzten Sprung bei der WM in Doha oder auch an so manches Interview, in dem Sie sich und Ihre Meinung auch zu Missständen deutlich machen. Ist das in der Summe Ausdruck eines neuen Selbstvertrauens?

Malaika Mihambo:
Ja, so würde ich das nennen. Dieses neue Selbstvertrauen ist ein Prozess, eine Entwicklung. Ich mache mir viele Gedanken, auch zu mir selber und hinterfrage Dinge. Ich möchte den Menschen zeigen, wer ich bin und inzwischen habe ich die Möglichkeit dazu.

Was geblieben ist, ist Ihre feste Verwurzelung in der Heimat Oftersheim und Ihr Trainer Ralf Weber, der Sie betreut, seitdem Sie elf Jahre alt sind. Welche Faktoren geben Ihnen abseits davon zusätzliche Bodenhaftung und Rückhalt?

Malaika Mihambo:
Es ist eine Mischung aus inneren und äußeren Dingen. Da sind zuerst natürlich meine Familie und meine Freunde – die gleichen Menschen, die mich auch schon vor diesem Titel begleitet haben und denen es völlig egal ist, ob ich jetzt Weltmeisterin bin, oder nicht. Halt gibt mir aber auch die Meditation. Es ist ein permanentes Hinterfragen meiner eigenen Person und ich lerne mich dadurch immer besser kennen. Die Meditation ist Teil meines täglichen Lebens, ich versuche tatsächlich zweimal täglich zu meditieren, jeweils zwischen zehn und dreißig Minuten. Das tut mir gut.

Wie viel Zeit bleibt in diesem Alltag noch für Ihre Hobbys, wie etwa Klavierspielen, Ihr soziales Engagement oder gar Ihr Studium?

Malaika Mihambo:
Dafür schaffe ich mir auch noch Freiräume. Einmal in der Woche habe ich Klavierunterricht und versuche auch, jeden Tag dafür zu üben. Dann habe ich jetzt eine Kindergruppe in einer Grundschule übernommen, die ich einmal die Woche in „Spiel und Sport“ betreue. Und auch mein Studium treibe ich weiter voran, daran arbeite ich auch fast täglich. Ich bin gut organisiert und daher funktioniert das alles ziemlich gut.

Auch in sportlicher Sicht fordern Sie sich gerne. Neben dem Weitsprung waren Sie im vergangenen Jahr auch immer mal wieder auf der Sprintstrecke zu sehen, haben über 100 Meter gar Bronze bei den Deutschen Meisterschaften gewonnen. Welche Rolle soll der Sprint in diesem Jahr spielen?

Malaika Mihambo:
Eine ähnlich große Rolle wie auch 2019. Mir macht diese Herausforderung viel Spaß. Der Weitsprung lebt ja auch von der Schnelligkeit und da ich in Zukunft noch weiter springen will als 2019, muss ich noch schneller laufen. Was ich vorher immer im Stillen gemacht und trainiert habe, zeige ich nun einfach auch öffentlich und werde daher auch in diesem Jahr bei Sprintwettkämpfen zu sehen sein und freue mich drauf.

Nun sind Sie Europameisterin. Sie sind Weltmeisterin. In diesem Jahr stehen Olympische Spiele an. Die Frage nach Ihrem Ziel erübrigt sich fast, oder?

Malaika Mihambo:
Zumindest wird meine Antwort wenig überraschend sein. Über allem steht natürlich, dass ich gesund bleibe. Aber ich will mich auch in diesem Jahr so gut wie möglich präsentieren und meine Stellung in der Welt halten.


Mehr:

Malaika Mihambo und Niklas Kaul sind Deutschlands "Leichtathleten des Jahres" 2019

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024