| Interview der Woche

Andreas Bechmann: „Die volle Konzentration gilt Götzis“

Andreas Bechmann (LG Eintracht Frankfurt) hat am Wochenende bei der Hallen-Mehrkampf-DM in Leverkusen im Siebenkampf die deutsche U23-Bestleistung um acht Zähler auf 6.097 Punkte gesteigert. In einem starken Wettkampf verteidigte der 20-Jährige seinen Vorjahres-Titel eindrucksvoll. Im Interview spricht der Hallen-EM-Fünfte unter anderem über Zeitgefühl, Verletzungsprophylaxe – und seine Ziele für den Sommer.
Harald Koken

Andreas Bechmann, gibt es Einzelleistungen, die Sie besonders herausstellen möchten?

Andreas Bechmann:
Mehrkampf ist immer ein Gesamtpaket. Wir ackern zwei Tage nonstop. Da ist es schwer, sich auf ein Highlight festzulegen. Es ging schon mit einer Bestzeit über 60 Meter los. Die Weite von 7,50 Metern war dann eine logische Folge bei der Geschwindigkeit. Kugel war wie erwartet und 2,09 Meter im Hochsprung der Hammer. Der zweite Tag war deutlich schwerer. Vor allem der 1.000-Meter-Lauf war psychologisch sehr anstrengend. Einsam und allein ein Rennen zu bestreiten, das ist für mich untypisch. Ich bin nicht der beste Läufer. Ich lag gut auf Kurs, die letzte Runde war sehr zäh, aber es hat gereicht. Ich bin stolz, das so geschafft zu haben.

Womit Sie auf die deutsche U23-Bestleistung anspielen...

Andreas Bechmann:
Ich wusste, dass ich unter 2:43 Minuten laufen muss, um die deutsche U23-Bestleistung zu holen. Das war eine Herausforderung. 

Die nötigen Zwischenzeiten hatten Sie sich auf der Innenseite ihrer Hand notiert. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Andreas Bechmann:
Ich habe nicht so das Laufgefühl. Ich finde es schwer, nach so vielen Disziplinen zu analysieren, wie schnell ich eigentlich unterwegs bin. Da sind die Notizen auf meiner Hand einfach nur eine kleine Merkhilfe, dass ich weiß: Wie bin ich drauf, dass ich nicht in Gefahr gerate, dass es immer langsamer wird? Ich habe mit den anderen vorher gesprochen und wusste: Da wird keiner vorneweg laufen. Und bevor ich das Risiko eingehe, dass ich hinter jemandem laufe, der dann zu langsam ist, habe ich gesagt: Lauf von vorne. Ich musste so aggressiv laufen, sonst wäre es knapp geworden mit der Zeit.

Gab es keinerlei Müdigkeitserscheinungen?

Andreas Bechmann:
Ich sag' mal: Der erste Tag war furios, am Sonntag habe ich mich durchgekämpft. Ich hatte am ersten Tag zwischenzeitlich Probleme mit dem Fuß. Das war nun die Frage, wie es sich entwickelt. Schwillt es an, weil die Kapsel ein bisschen entzündet ist? Aber am Morgen des zweiten Tages ging es erstaunlich gut, ohne Probleme. 

Worin sehen Sie den Schlüssel zum Erfolg?

Andreas Bechmann:
Ich bin definitiv viel schneller geworden. Aber dahinter steckt auch eine Herausforderung. Wenn man schneller ist, wird es schwerer, die Technik umzusetzen. Deshalb hat es am zweiten Tag noch nicht ganz so funktioniert. Deshalb sind es auch keine acht Bestleistungen geworden wie im letzten Jahr, aber es war umso mehr Kampf dabei. 

Kann man aus der Punktzahl Rückschlüsse für den Zehnkampf ziehen?

Andreas Bechmann:
Schau'n wir mal. Die volle Konzentration gilt Götzis. Schön wären 8.350 Punkte [die Olympia-Norm; d. Red.]. Aber wenn das nicht klappt, bin ich nicht enttäuscht. Ich bin 20 Jahre alt. Wenn es hoch kommt, kann ich noch an drei Olympischen Spielen teilnehmen. Alles kann, nichts muss. Ich will Spaß haben, ich will erst einmal Götzis genießen. Wenn ich gesund bleibe, ist so eine Punktzahl drin.

Sind denn die Europameisterschaften kein Thema für Sie?

Andreas Bechmann:
Doch. Und wenn wir nach Adam Riese davon ausgehen, dass die Olympiateilnehmer nicht bei der EM starten, haben wir auf einmal die Situation, dass man mit der Punktzahl, die ich mir zutraue, also 8.300 bis 8.400, eine Medaille holen kann. Das letzte Jahr hat mich extrem auf ein anderes Niveau gebracht. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Ich muss die Sache also graduell angehen und mich langsam herantasten. Von daher wäre eine EM-Teilnahme für mich vielleicht sogar besser. 

Wo liegen noch Punkte brach?

Andreas Bechmann:
Das hat man am Sonntag gut gesehen: bei den Hürden, ganz klar. Ich kann nicht 60 Meter flach in 6,96 Sekunden laufen und dann nur 8,43 Sekunden über die Hürden. Das ist indiskutabel. Wenn wir vom Zehnkampf ausgehen, gibt es im Diskuswurf noch Potenzial. 35 Meter, das geht einfach nicht. Da werfen die Schüler weiter. Und das Laufen natürlich. Aber da muss ich einfach Stehvermögen entwickeln. In Leverkusen habe ich mich über 1.000 Meter schon um drei Sekunden gesteigert. Ich werde zusehen, dass es im Sommer noch ein paar mehr werden. 

Im letzten Jahr haben Sie eine Verletzung aus der Hallensaison mitgenommen. Wie sieht nun die Prophylaxe aus?

Andreas Bechmann:
Das war eine Schambeinentzündung. Unangenehm. Die haben wir aber in den Griff gekriegt. Wir haben sehr viel an der Stabilität von Rumpf, Rücken und Hüfte gearbeitet. Bei so großen Kerlen wie mir sind das immer Schwachstellen, einfach seine Gliedmaßen unter Kontrolle zu halten. So bin ich bisher verletzungsfrei geblieben, aber nicht ganz krankheitsfrei. Ich hatte vor anderthalb Wochen eine Erkältung, die steckt immer noch ein bisschen in den Knochen. Aber insgesamt haben wir die Zeit gut genutzt, um den Körper auf die Belastung vorzubereiten. 

War Leverkusen ein würdiger Gastgeber für eine Deutsche Meisterschaft?

Andreas Bechmann:
Leverkusen war super. Die sind nicht ohne Grund der erfolgreichste deutsche Verein. Super professionell. Es war sehr schade, dass die nationale Konkurrenz nicht so stark vertreten war. Das hat mich sehr verwundert, vor allem nach der Absage der Hallen-WM. Das ist national der höchste Wettkampf, den wir in der Halle haben. Es gibt im Mehrkampf keine Diamond League, keine Challenge Tour-Wettkämpfe. Ich habe mich davon nicht bremsen lassen, im Gegenteil. Ich habe gedacht: jetzt erst recht. Wer nicht teilnimmt, der kann auch nicht gewinnen.

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