
DLV-Vizepräsident Matthias Reick: „Neuen Herausforderungen im Berg- und Trailrunning gemeinsam stellen“
Trailrunning boomt. Die Teilnehmerzahlen bei nationalen und internationalen Events in den Bergen steigen seit Jahren kontinuierlich an. Bei Welt- und Europameisterschaften im Berglauf oder auf Trail- und Ultratrail-Distanzen laufen deutsche Top-Läufer derzeit nicht ganz vorne mit. Der DLV hatte am vergangenen Samstag Athleten, Trainer, Funktionäre, Journalisten, Veranstalter und Industriepartner nach München zu einer Panel-Diskussion eingeladen, um gemeinsam wichtige Weichenstellungen für die Zukunft zu erörtern.
Kaum eine Szene hat sich in den vergangenen zehn Jahren so rasant entwickelt wie die des Trailrunnings. Ambitionierte Läufer haben die Berge und „Trails“ – die schmalen Pfade durch Wiesen- und Wälder bis hin zu den steinigen, teils hochalpinen Wanderwegen – für sich entdeckt. Das Erlebnis Trailrunning wurde zum Lebensgefühl. Emotional organisierte Events beflügeln das Erlebnis, sodass immer mehr Menschen ihre Liebe zu den Bergen auch im Laufschritt ausleben wollen.
Neben dem klassischen Berglauf, der meist auf weniger technisch anspruchsvollem Terrain stattfindet, aber den Wettkampfgedanken mehr in den Vordergrund stellt, etablierte sich das Trailrunning als zweite Disziplin, die heute deutlich mehr Anhänger findet als das „Bergauflaufen“.
Ab dem kommenden Jahr wird es ein neues WM-Format unter dem Dach des Welt-Leichtathletikverbands World Athletics (WA) geben. „Die Entwicklung des Berglaufs und Trailrunnings der vergangenen Jahre und die neue Herausforderung der WM war für uns der Anlass, wichtige Protagonisten der Szene an einen Tisch zu bekommen“, sagte Dr. Matthias Reick, im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) Vizepräsident Allgemeine Leichtathletik. Er hatte gemeinsam mit dem Portal laufen.de und dem Bayerischen Leichtathletik Verband – Bezirk Oberbayern – als Gastgeber zu dieser Diskussion in die Werner-von-Linde-Halle im Olympiapark eingeladen.
Experten aus unterschiedlichen Bereichen zu Gast
Die Resonanz war groß: Neben dem DLV-Berater für Berglauf (Kurt König), dem DLV-Berater Ultramarathon (Michael Sommer) und dem Council-Mitglied der World Mountain Running Association (WMRA) Wolfgang Münzel kamen auch einige Top-Athleten wie Moritz auf der Heide (13. der Berglauf-WM 2019), Florian Reichert (40. Berglauf-WM 2019), Sebastian Hallmann (mehrfacher Deutscher Meister auf der Bahn und aktuell einer der besten deutschen Trailrunner), Benni Bublak (Redakteur Trail-Magazin) und Timo Zeiler (Fachkommission Berglauf) nach München, um gemeinsam mit Veranstaltern, Journalisten, Bloggern und Partnern der Industrie zu diskutieren, wie sich das Berg-/Trailrunning noch attraktiver präsentieren kann und organisieren muss, um auch bei zukünftigen Welt- und Europameisterschaften erfolgreich zu sein.
„Der Deutsche Leichtathletik-Verband kann den Kurs nicht bestimmen, aber wir möchten die Entwicklung begleiten, sodass sich der Spitzensport und auch die Breite dieses attraktiven Sports weiter entwickeln kann“, brachte es Matthias Reick auf den Punkt. Das Berg- und Traillaufen gehöre nicht zu den olympischen Disziplinen und unterliege damit anderen Förderstrukturen als die klassischen Leichtathletik-Disziplinen.
Rahmenbedingungen für professionelle Entwicklung bieten
Die Diskussion zeigte schnell, dass es individuelle Fördermaßnahmen braucht. Und auch kreative Ideen. „Es ist nicht die Aufgabe des Verbandes, die Athleten im Bereich Berg- und Trailrunning mit finanziellen Mitteln auszustatten, aber der Verband muss Rahmenbedingungen bieten, die eine individuelle Entwicklung möglich machen“, sagte Sebastian Hallmann, der schon als Bahnläufer viele Jahre Mitglied der deutschen Nationalmannschaft war.
Moritz auf der Heide, erst vor wenigen Monaten hervorragender 13. der Berglauf-WM in Chile über 41,5 Kilometer, erzählte eindrucksvoll, wie sich ein Athlet im Trailrunning vermarkten kann. „Ich bin sehr unabhängig, das schätze ich auch am Trailrunning“, so Moritz auf der Heide. „Eine WM bleibt für uns Sportler aber sehr wichtig, ich würde mir wünschen, dass Stellenwert und mediale Aufmerksamkeit noch größer werden und wir uns noch professioneller vorbereiten können.“
Innovative Ansätze für das Erschließen neuer Zielgruppen
Michael Sommer stellte vor, wie sich die Deutsche Ultramarathon Vereinigung (DUV) als Verein organisiere und von Mitgliedsbeiträgen auch Fördermaßnahmen durchführen könne. Auch die Ultraläufer existieren „abseits“ der olympischen Leichtathletik, arbeiten aber eng mit dem DLV zusammen. Rainer Schlump (langjähriger Sportsmarketing-Chef Salomon), der seit vielen Jahren die Trailrunning-Szene fördert, regte an, auch über den Tellerrand zu schauen. „Es gibt sehr innovative Ansätze, wie man den Sport auch als Verband für junge Zielgruppen erschließen kann.“
Heini Albrecht, Chef der Agentur Plan B Events, die mit dem Zugspitz Ultratrail und dem Transalpine Run weltweit anerkannte Events in den Bergen organisiert, begrüßte das geplante WM-Format. „Uns als Veranstalter und der gesamten Szene hilft es, wenn es attraktive Meisterschaften gibt. Es wäre schön, wenn es Rahmenbedingungen gäbe, dass bestehende Veranstaltungen sich die Integration einer Weltmeisterschaft auch leisten können.“
Nach drei Stunden angeregter, sachlicher Diskussion war sich das Panel einig: eine Zusammenarbeit aller Akteure kann der Entwicklung der Sportart helfen. „Wir sind sehr offen für weitere Gespräche. Und viele Ansätze, die heute diskutiert wurden, sollten wir weiterverfolgen. Ich freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion“, bilanzierte Matthias Reick.