| Karriere-Ende in Sicht

Lucas Jakubczyk geht auf Abschiedstournee

Mit 10,07 Sekunden ist Lucas Jakubczyk (SCC Berlin) immer noch der drittschnellste Deutsche der Geschichte. Mit der DLV-Staffel gewann er internationale Medaillen und zählte auch im Einzel zu den Besten Europas. Am Ende der Saison wird der 35-Jährige seine Spikes an den Nagel hängen. Doch vorher will er noch ein letztes Mal zu Olympia.
Philip Häfner

So hatte sich Lucas Jakubczyk seine letzten Deutschen Hallenmeisterschaften ganz sicher nicht vorgestellt. Für den 35-Jährigen waren die Titelkämpfe in Leipzig schon vorbei, ehe sie so richtig begonnen hatten – nach einem Fehlstart wurde er im Halbfinale disqualifiziert. Doch Jakubczyk nahm sein Missgeschick locker. Mit einem Lächeln auf den Lippen zog er von dannen, nicht ohne vorher sogar noch die verantwortliche Kampfrichterin abzuklatschen.

Fast wirkte es, als wollte er sich wenigstens mit Anstand verabschieden. Natürlich war ihm schon vorher bewusst gewesen, dass er mit seiner Saisonbestzeit von 6,83 Sekunden nichts reißen würde. Das Finale war nach nur zwei Monaten Vorbereitung von Anfang an außer Reichweite. Trotzdem stellte sich Jakubczyk in Leipzig der Konkurrenz.

„Mit der Halle dort verbinde ich so viele positive Erinnerungen. Ich habe die Arena mit eingeweiht, als dort 2003 der erste Wettkampf nach der Sanierung ausgetragen wurde, und ich habe dort viele Medaillen bei Deutschen Meisterschaften errungen. Deshalb bin ich gern noch einmal dorthin gegangen“, sagt er.

Abschied auf Asche

Im Herbst wird der Sprinter vom SCC Berlin seine Karriere beenden. Sein letztes Rennen will er im September auf der Aschenbahn seines Heimatdorfes im Rahmen eines Schülersportfestes bestreiten. Bis dahin wird Lucas Jakubczyk noch häufiger die Gelegenheit bekommen, alte Erinnerungen aufzufrischen. Seine Abschiedstournee begann bereits beim ISTAF Indoor in Berlin, wo er nach dem Lauf noch lange in der Halle stand und die Stimmung auskostete.

„Ein bisschen Wehmut ist da schon dabei. Das ISTAF Indoor ist ein Meeting, das mich in all den Jahren stets begleitet hat“, sagt er. Seit Gründung des Meetings 2014 war Jakubczyk als Lokalmatador immer dabei gewesen. Mit nunmehr sieben Teilnahmen war er sogar noch öfter am Start als Ex-Vereinskollege Robert Harting, der die Veranstaltung einst mitbegründet hatte und mit dem das ISTAF Indoor noch immer untrennbar verbunden ist.

„Das ist wahrscheinlich der einzige Rekord, den ich gegenüber Robert habe“, meint Jakubczyk und lacht. „Robert hat die Idee gehabt, aber ich habe sie gelebt“, sagt er.

2014 war sein bestes Jahr

In Berlin hatte Jakubczyk 2014 auch seine Hallenbestleistung aufgestellt: 6,56 Sekunden – bis heute die siebtschnellste jemals gelaufene Zeit eines Deutschen und die fünftbeste in der Geschichte des ISTAF Indoor. „Da habe ich gezeigt, dass ich es als vermeintlich besserer 100-Meter-Läufer auch über 60 Meter ganz gut hinbekomme. Das hat mich als Sprinter komplett gemacht“, sagt er.

Es war damals der Beginn eines sensationellen Jahres für den gebürtigen Plauener. Bei der Hallen-WM in Sopot (Polen) verpasste er das Finale anschließend nur knapp. Im Sommer 2014 holte er in Zürich (Schweiz) zusammen mit Julian Reus, Sven Knipphals und Alexander Kosenkow EM-Silber mit der Staffel; im Einzel lag er als Fünfter mit 10,25 Sekunden nur drei Hundertstel hinter dem Bronzerang.

„2014 war ein Jahr, in dem alles funktioniert hat“, sagt Lucas Jakubczyk. Seine Bestzeit verbesserte er auf 10,07 Sekunden, womit er zum damaligen Zeitpunkt nur eine Hundertstel über dem deutschen Rekord von Frank Emmelmann von 10,06 Sekunden lag. Bis heute liegt er damit hinter Emmelmann und dem aktuellen Rekordhalter Julian Reus auf Platz drei der ewigen deutschen Bestenliste.

Rekorde und Rückschläge

Weitere Höhepunkte seiner Karriere waren der deutsche Meistertitel 2012, das EM-Silber mit der Staffel bei den Europameisterschaften desselben Jahres in Helsinki (Finnland) sowie der deutsche Rekord von 38,02 Sekunden, den das deutsche Quartett wenige Wochen später in Weinheim erzielte. 2012 in London (Großbritannien; nur Staffel) und 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien; Staffel und Einzel) nahm Jakubczyk zudem an den Olympischen Spielen teil; 2013 wurde er in Moskau (Russland) mit der Staffel WM-Vierter.

Doch es gab auch Rückschläge. Noch gut in Erinnerung ist der Sturz im Staffellauf bei der Heim-EM 2018 in Berlin nach einem Zusammenprall mit Julian Reus, bei dem sich beide Sprinter schwer verletzten. Mit einem Kopfverband, der an einen Turban erinnerte, humpelte Jakubczyk aus dem Olympiastadion. Er zog sich bei dem Vorfall einen Muskelbündelriss im Oberschenkel, Schnitt- und Schürfwunden sowie leichte Prellungen zu.

Der Traum von Tokio

„Der Sturz sah nicht nur spektakulär aus, sondern hat auch noch lang nachgewirkt. Es hat anderthalb Jahre gedauert, bis ich wieder einigermaßen da angekommen war, wo ich vor der Verletzung war“, sagt er. Das gesamte vergangene Jahr begleiteten ihn Achillessehnenprobleme, an geordnetes Training war nicht zu denken. Erst seit knapp drei Monaten kann Jakubczyk wieder schmerzfrei trainieren. „Es geht Schritt für Schritt voran“, sagt er.

Schon seit einigen Jahren arbeitet der Berliner neben seiner eigenen Sportlerkarriere als Trainer für den Nachwuchs seines Vereins. Künftig soll die Tätigkeit sogar noch ausgeweitet werden. Vorher aber hat sich Lucas Jakubczyk ein letztes Ziel vorgenommen.

Noch einmal will er zu Olympia. Auch wenn es momentan nicht danach aussieht, hat Jakubczyk die Spiele in Tokio (Japan) noch lange nicht abgeschrieben, „sonst würde ich die Saison gar nicht machen.“ Er hat gelernt, geduldig zu sein: „Vor fünf, sechs Jahren habe ich acht Wochen trainiert und alles war schick. Jetzt brauche ich die doppelte Zeit“, sagt er. „Aber ich weiß, was ich kann. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass mit Blick auf Olympia eine Möglichkeit besteht.“ Auf dass sein Abschied von der großen Bühne besser läuft als zuletzt in Leipzig.

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