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Maximilian Entholzner – Mit spanischem Rhythmus die Flughöhe steigern

Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig haben einige neue Gesichter den Platz ganz oben auf dem Treppchen erobert. Einige nutzen die Abwesenheit von nationalen Leistungsträgern der vergangenen Jahre, um ins Rampenlicht zu treten. Andere ließen etablierte Athleten hinter sich und stehen für einen Generationswechsel. Wir erzählen ihre Geschichte, heute die von Weitspringer Maximilian Entholzner (LAC Passau).
Jan-Henner Reitze

Maximilian Entholzner
LAC Passau

Bestleistung:

Weitsprung: 7,96 Meter (2018)

Erfolge:

Deutscher Hallenmeister 2020

Manchmal tut sich unverhofft eine Chance auf, die außerhalb der Vorstellungskraft liegt. So kann sich ein neuer Ansatz ergeben oder das gesamte Leben eine neue Richtung nehmen. In der Weitsprung-Karriere von Maximilian Entholzner hat sich manches ergeben, was der Deutsche Hallenmeister nicht für möglich hielt.

Der 25-Jährige hat in entscheidenden Momenten Mut und Entschlossenheit gezeigt, was dazu führte, dass er mittlerweile kurz vor der Acht-Meter-Marke angelangt ist, bei der EM 2018 seinen ersten Start bei einer internationalen Meisterschaft absolviert hat und in Leipzig in einem engen Wettkampf seinen ersten Titel auf nationaler Ebene holte. Den Weg in den Leistungssport schlug der Athlet des LAC Passau eher spät ein. Mittlerweile hat er seinen Lebensmittelpunkt nach Spanien verlagert, um dort zu studieren und möglichst den nächsten sportlichen Karriereschritt einzuleiten.

Schwester Lena zu Beginn die treibende Kraft

In seiner Grundschulzeit fiel der gebürtige Bayer bei den Bundesjugendspielen mit guten Leistungen auf, genauso seine drei Jahre ältere Schwester Lena. Als die dann beim TuS 1860 Pfarrkirchen zum Leichtathletik-Training gehen wollte, aber nicht allein, wurde Bruder Max mitgeschickt. „Da war ich in der zweiten Klasse und meine Mutter hat zu mir gemeint: Du bist immer so aufgedreht, geh mal mit“, erzählt Maximilian Entholzner schmunzelnd.

In der Kinderleichtathletik wurden alle Disziplinen trainiert. Mehrkampf stand bis in die U20 auf dem Wettkampfplan, Hürdensprint und Weitsprung entwickelten sich aber mehr und mehr zur Stärke des damaligen Hobbysportlers. Der Leistungsgedanke war bei Lena damals größer. Als sie zum 1. FC Passau wechseln wollte, folgte ihr Bruder. „Dort gab es eine Mannschaft und Staffeln“, erinnert sich der heutige Leistungssportler. Für das Training nahm das Duo anderthalb Stunden Anfahrt pro Strecke mit dem Zug in Kauf.

Heimspiel wird zum ersten Wendepunkt

Bevor sie richtig beginnen konnte, beendeten Hüftprobleme im Jahr 2011 die Laufbahn von Schwester Lena und für Bruder Max stellte sich die Frage, wie es weitergeht. „Ich war damals nicht so gut, dass ich mir große Ambitionen im Sport zugetraut habe“, erzählt Maximilian Entholzner. „Und dann noch der lange Fahrtweg. Da habe ich überlegt, aufzuhören.“

Mit den Bayerischen Jugendmeisterschaften in Passau stand in dieser Sommersaison allerdings ein „Heimspiel“ an, das den jungen Athleten nochmal reizte. „Ich habe mich reingehängt und dreimal die Woche trainiert, etwa zwei Monate vor den Meisterschaften.“ Die Arbeit unter der Anleitung von Roland Fleischmann und Tobias Brilka wurde gleich doppelt belohnt. Über 110 Meter Hürden holte der damals 17-Jährige in 15,10 Sekunden den Landestitel in der U18, im Weitsprung mit einer Steigerung auf 6,77 Meter Silber.

Obwohl ein paar Zentimeter zur Norm fehlten, folgten die Berufung in den bayerischen Landeskader und der Beginn des leistungsorientierten Trainings. „Ich habe mehr Ehrgeiz entwickelt, nachdem ich mit der kurzen Vorbereitung diese Erfolge erzielt habe und konnte mich prompt im Jahr später auf 7,22 Meter steigern.“ Der Anschluss an die nationale U20-Spitze war hergestellt. In seinem zweiten U20-Jahr belegte der Spätstarter bei der Jugend-DM in Rostock Rang vier im Weitsprung (7,34 m) und Rang sechs über 110 Meter Hürden (14,43 sec).

Über Nürnberg nach Madrid

Nach seinem Abitur nahm Maximilian Entholzner an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm ein Studium im Fach Wirtschaftsingenieurwesen auf. Für diesen Standort entschied er sich auch, weil er dort in der Gruppe von Dimitri Antonov seine sportlichen Ziele weiterverfolgen konnte. Mit Silber und Bestleistung (7,70 m) in der U23 gelang 2014 die erste Medaille auf nationaler Ebene. Aber auch die schwierigen Seiten des Leistungssports musste der Weitspringer kennen lernen: Wegen eines Leistenbruchs konnte er im Jahr 2015 keine Wettkämpfe bestreiten.

Nachdem Trainer Dimitri Antonov nach Bad Kissingen umzog, wurden außerdem wieder längere Anfahrten für Technik-Einheiten nötig. Außerdem verbrachte der Deutsche Hallenmeister insgesamt ein Jahr in Madrid (Spanien), da sein Bachelor-Studium international orientiert war.

„In der Schule und im Studium habe ich Spanisch gelernt. Weil ich Englisch schon gut konnte, wollte ich für mein Auslandspraktikum in ein spanisch-sprachiges Land. Gesucht habe ich eher außerhalb von Europa.“ Kurzfristig wurde dann aber ein Platz bei Daimler in Madrid frei und der Student griff zu.

Europäische Bürokratie trifft auf spanische Herzlichkeit

Um während der Zeit in Madrid dort trainieren zu dürfen, musste der bayerische Olympiastützpunkt einen Antrag stellen. Wegen der Versicherung wurde Maximilian Entholzner einer spanischen Trainingsgruppe zugeteilt, obwohl er eigentlich nach den Plänen seines Trainers Dimitri Antonov für sich weiter trainieren wollte.

Als der DLV-Athlet in Madrid ins Stadion kam, bot ihm der zugeteilte Trainer Juan Carlos Álvarez Ortiz an, ein Auge auf ihn zu werfen. Und Maximilian Entholzner stellte fest, dass die für ihn vorgesehene Gruppe nicht irgendeine war, sondern sich darin fast die komplette spanische Spitze in den Sprungdisziplinen tummelte: Der WM-Siebte im Weitsprung Eusebio Caceres (PB: 8,37 m), der U23-Vize-Europameister Héctor Santos (PB: 8,19 m) oder der spanische Dreisprung-Rekordler Pablo Torrijos (PB: 16,98 m; Halle: 17,18 m).

Nicht nur die Leistungsstärke der Gruppe beeindruckte, sondern auch die Art und Weise, wie die Top-Athleten auf Maximilian Entholzner zugingen. Er nutzte gerne die unverhoffte Möglichkeit, mit ihnen zu trainieren. „Sie haben mich herzlich aufgenommen. Gerade bei solch leistungsstarken Athleten, hätte man meinen können, sie sind eingebildet. Das sind sie aber überhaupt nicht. Diese Herzlichkeit ist auch etwas, was die Spanier von den Deutschen unterscheidet. Ich habe die Gruppe ins Herz geschlossen.“

Lebensmittelpunkt nach Madrid verlagert

Das Training unter spanischer Sonne brachte die nächsten sportlichen Fortschritte, auch in der Schnelligkeit. Mit optimalem Rückenwind (2,0 m/sec) sprintete Maximilian Entholzner 2017 sogar 10,29 Sekunden über 100 Meter, über 200 Meter steigerte er sich im vergangenen Jahr bis auf 21,06 Sekunden. In seiner Spezialdisziplin brachten ihm 2018 die neuen Bestleistungen zuerst in Karlsruhe (7,92 m) und dann in Oberteuringen (7,96 m) sowie die Bestätigung dieser Weite in Bad Langensalza (7,96 m) die Nominierung für die Heim-EM in Berlin, wo beim Aus in der Qualifikation allerdings wenig zusammenpasste.

Nach seinem Bachelor-Abschluss beschloss der EM-Teilnehmer im vergangenen Herbst, seinen Lebensmittelpunkt ganz nach Madrid zu verlegen, dort sein Masterstudium aufzunehmen und sich der Trainingsgruppe von Juan Carlos Álvarez Ortiz anzuschließen. „Mein Master ist ein Präsenzstudium mit Anwesenheitspflicht. Im vergangenen Semester habe ich die vorgesehenen 30 Wochenstunden voll durchgezogen. Weil ich jeweils von 8:30 bis 12:30 Uhr Uni hatte, ließ sich das mit dem Training verbinden“, erzählt der angehende Ingenieur. „Es war aber auch anstrengend, deshalb belege ich im Sommersemester weniger Kurse. Ich habe wie in Deutschland die Möglichkeit, den Master etwas zu verlängern.“ Angepeilt sind zwei Jahre statt anderthalb.

Damit Zusammenarbeit und Absprachen mit dem DLV nicht nur aus der Ferne erfolgen, fährt der Perspektivkaderathlet in die DLV-Trainingslager mit. Zur Vorbereitung auf den Sommer stehen Aufenthalte in Südafrika und der Türkei auf dem Plan.

Mit der richtigen Absprungvorbereitung mehr Höhe gewinnen

Was das Trainingsumfeld angeht, sind inklusive dauerhafter angenehmer Wetterbedingungen die Weichen Richtung acht Meter gestellt. Was noch fehlt, damit diese Marke im Sommer erstmals fällt, ist die nötige Flughöhe. Es gelingt noch nicht, bei hoher Anlaufgeschwindigkeit optimal nach oben abzuspringen. Dafür arbeitet Maximilian Entholzner intensiv an seiner Absprungvorbereitung. „Meine Schrittfolge ist zu monoton. Im Training und vor allem aus kurzem Anlauf klappt es schon besser. Im Wettkampf aus langem Anlauf aber noch nicht. Einige bessere Sprünge hatte ich in der Hallensaison schon dabei, die aber ungültig waren.“ Vielleicht hilft auch hier die Unterstützung der Spanier, denen ja ein gutes Rhythmusgefühl nachgesagt wird.

Sich an dieser Stelle zu verbessern und endlich die acht Meter zu übertreffen, sind die Hauptziele für den Sommer. Außerdem ist die erneute EM-Teilnahme in Paris (Frankreich; 25. bis 30. August; Norm: 7,95 m) anvisiert. Die Olympischen Spiele in Tokio (Japan; 31. August bis 9. Juli), für die als Norm 8,22 Meter gefordert sind oder die Quali über die Weltrangliste, sind zumindest kein erklärtes Ziel. „Ich bin eher ein Fan davon, die Ziele kleiner zu halten. Aber natürlich ist Olympia auch für mich ein Traum und ich habe schon festgestellt, dass eine Teilnahme nicht ausgeschlossen ist.“

Video-Interview: Maximilian Entholzner: "Es war ein geiler Wettkampf":
Video: Maximilian Entholzner fliegt zum ersten deutschen Meistertitel 

Das sagt Bundestrainer Uwe Florczak:

Die Entwicklung von Max hätte ich mir etwas schneller gewünscht. Er macht gerade seinen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen in Madrid. Dort trainiert er in einer starken Trainingsgruppe um Eusebio Cáceres. Ich betreue ihn in den verschiedenen Trainingslagern, das nächste in Stellenbosch steht bevor und bei den meisten Wettkämpfen. Die Zusammenarbeit verläuft sehr gut und in der abgelaufenen Hallensaison hat er gute Fortschritte gemacht.

Seine Stärken sind eindeutig seine Geschwindigkeit. In den verschiedenen Trainingslagern zeigt er in der Leistungsdiagnostik, dass er in der Lage wäre Geschwindigkeiten, in Richtung 11 m/sec zu erzielen. Leider sind es dann im Anlauf häufig nur 10,3 bis 10,5 m/sec. Besonders zu verbessern gilt es, seinen Anlauf und seine Absprungvorbereitung zu stabilisieren. In der abgelaufenen Hallensaison sind Verbesserungen erkennbar.

Max ist ein sehr bodenständiger und intelligenter junger Mann. Er ist fleißig und ich kann mich zu hundert Prozent auf ihn verlassen. Manchmal wünschte ich mir, dass er im Wettkampf noch etwas mehr aus sich herauskommt. Im Sommer hoffe ich auf den nächsten Schritt und traue ihm die Olympiaqualifikation zu. Langfristig sollte Max seine Bestleistung deutlich über 8,20 Meter steigern.

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