| Mentale Stärke

Yasmin Kwadwo: Mit Meditation durch schwere Zeiten

Einen klaren Kopf bewahren: In herausfordernden Situationen ist genau das oft schon der erste Schritt in Richtung Lösung. Sei es in einem wichtigen Wettkampf. Im Training. Oder auch in allgemein schwierigen Zeiten wie aktuell in der Corona-Pandemie. Ein Weg dahin kann die Meditation sein. Wie es funktionieren kann – das berichtet Sprinterin Yasmin Kwadwo.
Alexandra Dersch

Es gibt Zeiten im Leben, die sind herausfordernder als andere. Zeiten voller Unsicherheit, voller Fragen nach der Zukunft, voller Druck, der von innen und außen auf den Menschen einströmt. Solche Zeiten erlebt die Welt aktuell gefühlt als Kollektiv im Kampf gegen das Coronavirus. Solche Zeiten kennen aber viele auch bereits aus ihrer privaten Biografie.

Yasmin Kwadwo hat im vergangenen Jahr solch eine Zeit gemeistert (wir berichteten). Ihr harter Weg zurück in die Spitze des deutschen Frauensprints war auch ein Weg, der sie innere Zweifel besiegen ließ und ihr ein neues Selbstvertrauen brachte. „Es war ein bewusstes Ja-Sagen zu mir selbst“, sagt die Sprinterin des LC Paderborn, die im vergangenen Sommer mit Platz fünf in der Staffel bei der WM in Doha (Katar) ein starkes Comeback in der Nationalmannschaft feierte.

Ihr Schlüssel zu diesem neuen Selbstbewusstsein: Meditation. Im vergangenen Frühjahr, als sie mental ganz unten war, sportlich vor einem Neuanfang stand und gefühlt nichts zu verlieren hatte, da probierte sie sich erstmals in Meditation. „Ich wollte einfach wieder glücklich sein“, sagte Yasmin Kwadwo. „Ich hatte gerade Wohnort und Trainingsort gewechselt und wusste aber, wenn ich jetzt nicht auch mental an mir arbeite, dann bringt auch jeder Standortwechsel nichts.“

Akzeptanz

Mit Hilfe einer Handy-App startete die 29-Jährige ihre erste Meditation, suchte sich einen ruhigen Ort, wo sie sich ganz für sich auf das Programm einlassen konnte. „Das war anfangs nicht einfach“, erinnert sich Yasmin Kwadwo. „Die negativen Gedanken, die Ablenkungen – sie kommen, und das sollen sie auch. Die Kunst ist, sie zwar wahrzunehmen, sie zu akzeptieren, aber dann einfach weiterziehen zu lassen. Ähnlich wie ein vorbeifahrendes Auto. Das ist auch einfach da, das hört man, aber es beeinflusst einen nicht weiter.“

Am Anfang trainierte sie nur fünf Minuten lang täglich mental. Doch mit der Zeit konnte sie immer länger in ihre Gedankenwelt abtauchen. Eine Welt, in der sie lernte, nicht nur zur Ruhe zu kommen, sondern auch ihre negativen Gedanken und deren Ursachen zu akzeptieren. Sich zu sortieren und im Anschluss nach Lösungen zu suchen.

Fokussierung

Ein Effekt, den auch Prof. Dr. Michael Gutmann, der Leitende DLV-Psychologe und Professor für Gesundheits- und Sportpsychologie an der PFH Private Hochschule Göttingen, so bestätigen kann: „Meditation ist eine tolle Technik, um an seinen mentalen Stärken zu arbeiten. Meditation zielt auf die Achtsamkeit des Ausführenden. Ich lerne, in mich hineinzuhören, zur Ruhe zu kommen, entdecke meine Emotionen und kann sie akzeptieren. Dieser Wirkmechanismus ist ein wichtiger Schritt, um daran anschließend zum Beispiel neue Ziele definieren zu können oder fokussierter an meine Aufgaben heranzugehen.“

Seit dieser Zeit nutzt Yasmin Kwadwo die Meditation in verschiedenen Situationen. Etwa auch in der Phase ihrer Verletzung in der diesjährigen Hallensaison. „Die Meditation hat mir etwa geholfen, meine Gedanken nicht nur um den Schmerz kreisen zu lassen“, sagt sie. Die Situation akzeptieren und dennoch handlungsfähig bleiben, sich nicht lähmen zu lassen – das war der Weg, der ihr auch durch diese Phase half.

Ähnlich wie in stressigen Phasen, in denen die Sprinterin Meditation ganz bewusst kurz vor dem Training in ihren Plan einbaut, um im Training den Stress zu vergessen und konzentriert trainieren zu können. Oder auch im Wettkampf, in dem sie ihre Konkurrenz zwar neben sich spürt, sie vielleicht auch Druck merkt – „aber dank der Meditation kann ich negative Gedanken wie diese inzwischen ganz gut akzeptieren und dann auch weiterziehen lassen, sie sollen mich im Wettkampf aber nicht beeinflussen“.

Weg in der Corona-Krise

Ganz ähnlich wie im Sport hilft Yasmin Kwadwo das mentale Training durch Meditation auch im Jetzt, zur Zeit der Corona-Krise, um trotz aller Unwägbarkeiten motiviert zu bleiben. „Es geht auch hier um Akzeptanz. Manchmal macht man sich so viele Sorgen, dass man nicht mehr klar denken kann. Dann hilft mir die Meditation. Einatmen, ausatmen, abtauchen in eine andere Welt – und dann kann ich im Anschluss auch in der realen Welt wieder klarer denken und meine Probleme aktiv angehen.“ 

Denn sie weiß genau: Die Meditation allein löst noch keine Probleme. Das sagt auch Michael Gutmann. „Sie ist eine gute Methode, die mir helfen kann, besser mit mir und meinen Emotionen umzugehen, und kann damit ein wichtiger Baustein mentaler Stärke sein. Allerdings ist sie kein Geheimrezept für alle Menschen und es gibt auch andere Wege, dies zu erreichen. Was für manche Menschen sehr gut funktioniert, kann für andere Menschen gar nichts sein.“

Für Yasmin Kwadwo ist die Meditation aber ein inzwischen lieb gewonnenes Trainingsmittel. Ein Mittel, das ihr im vergangenen Jahr erst den Weg zu sich selbst geebnet hat und sie in diesem Jahr auch auf ihrem Weg durch die Corona-Zeit und hin zu den Olympischen Spielen 2021 begleiten soll.
 

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