| Buchtipp

"Feinde des Sports": Hajo Seppelts Plädoyer für das Kulturgut Sport

Ein Sachbuch spannend wie ein Krimi: In "Feinde des Sports" beschreibt Journalist Hajo Seppelt fesselnd und anschaulich seine Recherchen im Anti-Doping-Kampf.
Peter Schmitt

„Das Millionengeschäft der Sportunterhaltung lebt davon, Helden zu produzieren. Hajo Seppelt lebt dafür, Helden zu entthronen, die falsch spielen“, hat Cathrin Gilbert in der Wochenzeitung Die Zeit vom Oktober 2019 den Mann treffend beschrieben, der durch seinen investigativen Journalismus im Kampf gegen Doping bei vielen eine „Persona non grata“ ist, aber entscheidend dazu beiträgt, Korruption und Betrug im Milliarden-Geschäft Sport aufzudecken.

In seinem Buch „Feinde des Sports – Undercover in der Unterwelt des Spitzensports“ beschreibt Seppelt, der im Februar 2016 vom Deutschen Leichtathletik-Verband den DLV-Medienpreis verliehen bekommen hat und 2018 in Berlin das Bundesverdienstkreuz erhielt, wie das Sportsystem in vielen unterschiedlichen Sportarten manipuliert wird.

Sein Dokumentarfilm „Geheimsache Doping – wie Russland seine Sieger macht“ vom 3. Dezember 2014 ist längst Kult geworden und wurde zum weltweiten Politikum. In „Feinde des Sports“, erschienen im Econ-Verlag, zeigt der bekannte Investigativ-Journalist, dass er nicht nur brisante Filme mit seinem Team von der WDR-Doping-Redaktion dreht, sondern auch ein Buch zu schreiben vermag, das bei einem Umfang von 384 Seiten auf keiner einzigen Seite langweilig ist.

Wie ein Krimi mit Undercover-Agenten

Das Buch "Feinde des Sports" liest sich wie ein Krimi mit Undercover-Agenten und oft bleibt beim Lesen der Mund offen, weil man nicht glauben kann, was Seppelt in verschiedenen Sportarten an Betrug aufdeckt. Ob im Interview, im Gespräch mit Whistleblowern oder bei seinen Treffen mit hochrangigen Führungspersönlichkeiten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Sein grundsätzliches Credo lautet: „Journalisten machen Dinge öffentlich, von denen viele hoffen, dass sie nicht veröffentlicht werden.“

Dabei gibt Hajo Seppelt offen zu, dass er bei seiner Arbeit auch immer wieder von Fake-News bedroht wird. Bei umfangreichen Recherchen muss er ständig auf der Hut sein, um nicht reingelegt zu werden. Meistens arbeitet er Undercover wie zum Beispiel bei seinem Aufenthalt in Russland, wo er mit einem falschen Bart ein Interview mit dem früheren Leiter des Moskauer Anti-Doping-Zentrums Grigoriy Rodchenkov geführt hat. Fast schon zur Routine gehören Treffen an geheimen Orten weltweit. Oftmals fragt man sich, wenn man sein Buch liest: „Warum tut er sich das eigentlich an?“ Die Antwort ist klar: Hajo Seppelt kämpft für das Kulturgut eines fairen Sports ohne Manipulation.

Das Buch lebt von seiner genialen Authentizität und einem Schreibstil, der oftmals fesselt und immer wieder sprachlos macht. Die wichtigsten Protagonisten bei seiner Arbeit sind die sogenannten Whistleblower wie zum Beispiel die Leichtathletin Yuliya Stepanova und ihr Mann Vitaliy, die schonungslos aufgedeckt haben, was Funktionäre im eigenen Land vertuschen wollten. Vitaliy arbeitete selbst jahrelang für die Anti-Doping-Agentur RUSADA. Informationen aus erster Hand und die Verifizierung der Fakten gehören zum Handwerk, das Seppelt von der Pike auf gelernt hat.

Kritische Distanz als wesentlicher Erfolgsfaktor

Seine journalistische Laufbahn begann Hajo Seppelt in den 80er Jahren beim Sender Freies Berlin, dem Vorgänger des heutigen RBB, als Reporter für Schwimmen, Badminton und Squash. Schon damals kam er mit dem Thema Doping in Berührung, als er Sprinter Ben Johnson (Kanada) nach dessen Doping-Skandal interviewte. Und damals wie heute ist ihm eines wichtig: Die kritische Distanz, die ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Auch das wird an vielen Stellen in „Feinde des Sports“ sehr deutlich.

Seit 2007 arbeitet der Journalist in der ARD-Doping-Redaktion zusammen mit einem Team, das für Fairplay im Sport steht. Maßgeblich war er mit seinem Film „Die Schutzgeld-Erpresser“ von 2016 an der Aufdeckung der Machenschaften des früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack (Senegal) beteiligt. Wichtige Details im Buch belegen dies eindrucksvoll. Und DLV-Ehrenpräsident Dr. Clemens Prokop, der maßgeblich an der Einführung des deutschen Anti-Doping-Gesetzes beteiligt war, wird in Bezug auf Diack zitiert: „Schlichtweg kriminell mit katastrophalen Folgen für die Glaubwürdigkeit der Organisation.“

Detaillierte Recherche mit umfangreichem Hintergrundwissen

Ob Leichtathletik, Wintersport, Olympia, oder Fußball – immer wieder taucht die Frage auf: Wie geht man mit Russland um? Ist eine pauschale Bestrafung gerecht? Der Leichtathletik-Weltverband hatte 2015 eine klare Antwort: Ausschluss, solange es keine Garantie gibt, dass der Welt-Anti-Doping-Code der WADA eingehalten wird. Dies zu überprüfen, dafür wurde bekanntlich der WADA-Sonderermittler McLaren eingesetzt. Auf mehr als 13 Seiten wird das Interview mit dem russischen Sportminister Vitaliy Mutko abgedruckt, das Seppelt geführt hat – was allerdings nur ein kleines Puzzleteil seiner umfangreichen Dokumentation ist.

Ob der Fall Pechstein, das Interview mit einem Arzt, der in einen Dopingfall verstrickt ist und 24.000 Euro für Gendoping verlangt hatte oder das umfangreiche Gespräch mit dem österreichischen Ski-Langläufer Johannes Dürr in Zusammenhang mit der Doping-Razzia in Seefeld: Seppelt recherchiert genau, mit großem Hintergrundwissen, und führt so den Leser mit seinen spannenden Episoden durch die Welt der Manipulation. Es lohnt sich, „Feinde des Sports“ zu lesen. Und wer sich dann ebenfalls fragt, warum Hajo Seppelt sich das alles antut, der bekommt die Antwort vom Autor persönlich: „Mir hat der investigative Journalismus große berufliche Zufriedenheit gebracht. Es gibt mir das Gefühl, das Richtige zu tun.“ Wer das Buch gelesen hat, ist überzeugt davon: Es ist das Richtige für ihn.

Feinde des Sports
Undercover in der Unterwelt des Spitzensports
Autor: Hajo Seppelt
384 Seiten
€ 20,00 (D)
ISBN: 978-3-430-21011-9
Econ-Verlag

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