| Mentale Stärke

Mit der Fantasiereise zur inneren Ruhe

Stress, Druck und Unruhe sind in der derzeitigen Corona-Situation für viele Menschen allgegenwärtig. Dabei ruhig zu bleiben und die nötige Entspannung zu finden, fällt nicht jedem leicht. Helfen können Entspannungsverfahren, wie beispielsweise die Fantasiereise. DLV-Psychologe Sebastian Debnar-Daumler wendet diese seit Jahren erfolgreich bei Nachwuchs-Athleten an.
Nicolas Walter

Um Höchstleistungen zu erbringen, benötigen Sportler neben einem austrainierten Körper auch einen hohen Grad an mentaler Stärke. Auch im Nachwuchsbereich werden die mentalen Kräfte mittlerweile gezielt geschult. Vor allem vor großen Wettkämpfen wie Welt- und Europameisterschaften der U18 und U20 stellt die Bewältigung von innerer Unruhe und Stress einige junge Athleten vor eine große Herausforderung. Entspannungsübungen können helfen, damit besser umzugehen.

Ein Verfahren, um einen möglichst entspannten mentalen Zustand zu erreichen, bietet die sogenannte Traum- oder Fantasiereise. Bei dieser werden die Zuhörer durch die Erzählung einer entspannenden Geschichte und die Vorstellung gedanklicher Bilder in einen angenehmen, tranceartigen Zustand versetzt. Dadurch soll eine innere Ruhe gefunden und eine Reduzierung des Stresslevels erreicht werden.

DLV-Psychologe Sebastian Debnar-Daumler wendet Fantasiereisen seit Jahren erfolgreich im Rahmen von U20-Welt- und Europameisterschaften an. „Bei der Fantasiereise geht es darum, die Eindrücke des Tages zu sortieren, belastende Gedanken für 20 Minuten auszuschalten und endlich einmal zum Durchatmen zu kommen. Das hilft dabei, die eigene Batterie aufzuladen“, erklärt er.

Positive Resonanz der Athleten

Der 43-Jährige führt die Fantasiereisen meist in Gruppen mit 10 bis 15 Athleten durch und versucht nach Möglichkeit, in seinen Erzählungen aktuelle und künftige Erlebnisse der Athleten mit einem positiven Gefühl zu verknüpfen: „Das können Situationen bei der Anreise oder beim Besuch des Stadions sein. Ich versuche mich da an die Situation der Athleten anzupassen.“ Für die optimale Entspannung sei es vor allem wichtig, dass die Teilnehmer eine bequeme Position einnehmen. Ob diese im Sitzen oder Liegen ist, sei eher zweitrangig: „Jeder muss für sich individuell herausfinden, was am gemütlichsten ist.“

Die Rückmeldungen der Athleten seien sehr positiv, berichtet der Psychologe. So habe es bisher keine Welt- oder Europameisterschaften gegeben, bei der er die Fantasiereise nicht jeden Abend angeboten habe. Herausforderungen seien dabei der enge Terminplan der Athleten sowie die Räumlichkeiten des Hotels. „In einem kalten Besprechungsraum im Keller kommen nicht so viele, wie wenn ich das in einem angenehmen Konferenzraum anbiete, wo jeder auf dem warmen Teppich seine Matte und sein Kopfkissen hinlegen kann“, sagt Sebastian Debnar-Daumler.

Neben dem Finden der inneren Ruhe und des seelischen Gleichgewichts bietet eine Fantasiereise für den DLV-Nachwuchs auch eine erste Möglichkeit, um in lockerer Umgebung Kontakt mit einem Psychologen aufzunehmen. „Wer ins Gespräch kommen möchte, kann das dort ganz ungezwungen tun. Das ist nicht unbedingt das Hauptziel der Fantasiereise, aber mit Sicherheit ein schöner Nebeneffekt“, sagt Debnar-Daumler, der sein Psychologie-Studium an der TU Darmstadt abgeschlossen hat. 

Fantasiereise für jeden

Von Fantasiereisen können jedoch nicht nur Leistungssportler profitieren. So wird die Methode in vielen anderen Bereichen, beispielsweise in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder im Kampf gegen Schlafstörungen, angewendet. „Entspannung ist der Königsweg in den Schlaf“, sagt beispielsweise auch der renommierte Schlafforscher Prof. Dr. Jürgen Zulley. Wer nachts nicht einschlafen kann, solle sich eine individuelle Entspannungsmethode erarbeiten“, so Zulley. Ein Weg hierfür kann die Traumreise sein.

„Sich zu entspannen und mental an einen Ort der Ruhe und Sicherheit zurückzuziehen, tut den meisten Menschen gut“, sagt auch Sebastian Debnar-Daumler. Vorgesprochene Fantasiereisen finden Interessierte beispielsweise auf YouTube oder Spotify. Hier werden die Zuhörer zum Beispiel in entspannende Strand- oder Berglandschaften geführt. Wichtig sei lediglich, dass sie die Stimme des Erzählers als angenehm empfinden, so der DLV-Psychologe.

Fantasiereise unmittelbar vor Wettkampf nicht empfehlenswert

Sportler sollten darauf achten, dass sie ihre Fantasiereise nicht unmittelbar vor einem wichtigen Wettkampf durchführen. „Wenige Minuten vorher würde ich auf keinen Fall mehr eine Fantasiereise machen. Das würde das Energieniveau in eine vollkommen falsche Richtung beeinflussen, da der Körper beim Wettkampf unter Dampf stehen muss. Die Spannung aus dem Körper zu nehmen, wäre falsch“, sagt Debnar-Daumler. Er empfiehlt daher, die Fantasiereise am Vortag durchzuführen oder am Mittag, sofern der Wettkampf erst am Abend stattfindet.

Bei Sebastian Debnar-Daumler dauert eine Fantasiereise etwa 20 Minuten. Die ideale Dauer hängt jedoch auch davon ab, wie geübt die Zuhörer sind: „Einige Athleten arbeiten schon sehr viel mit Entspannungsverfahren, wie beispielsweise Hypnose oder der Traumreise. „Denen fällt es dann meist auch leichter, schnell in diesen entspannten und tranceartigen Zustand zu gelangen. Andere, die weniger geübt sind, brauchen hierfür länger und kommen auch nicht ganz so tief in diesen Zustand.“ Das spiele aber für den positiven Effekt keine Rolle: „Entspannend ist es trotzdem.“

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