| Interview der Woche

Joshua Hartmann: „Meine Zeit hat die Leute schockiert“

Perfekter Saisonstart: Joshua Hartmann hat am Samstag beim Meeting in Zeven seine 100 Meter-Bestzeit auf 10,14 Sekunden gesteigert. Der 21-Jährige blieb nur drei Hundertstel hinter der deutschen U23-Bestleistung und rückte auf Rang elf der ewigen DLV-Bestenliste vor. Im Interview spricht der Sprinter vom ASV Köln über sein Ziel für die Deutschen Meisterschaften, sein neues Trainingsumfeld in Leverkusen und den Traum vom Olympia-Staffel-Start.
Pamela Lechner

10,14 Sekunden: Pfeilschneller Saisonauftakt für Joshua Hartmann

Joshua Hartmann, Sie sind am Wochenende superschnell in die Saison eingestiegen. Haben Sie eine Zeit von 10,14 Sekunden erwartet?

Joshua Hartmann:

Nicht unbedingt – es war der erste Wettkampf und ich war relativ entspannt. Aber ich wusste natürlich, was ich draufhabe und wollte versuchen unter 10,25 Sekunden zu laufen. Das war mein Ziel für den Tag. Geplant waren auch die 200 Meter. Kurz nach dem 100 Meter-Finale hat es dann aber stark angefangen zu regnen, sodass ich darauf verzichtet habe. Ich hatte mich nach dem 100 Meter-Lauf auch schon sehr gefreut. Wenn man so glücklich ist, ist es schwer sich nochmal zu fokussieren.

Was war gut an dem rasanten Rennen und was noch nicht optimal?

Joshua Hartmann:

Gut waren die Reaktion und die Beschleunigung aus dem Startblock. Ich hätte den Kopf vielleicht noch ein bisschen länger unten lassen können. Ich habe ihn schon bei 23, 24 Metern hochgenommen – das ist etwas früh. Dann bin ich gut ins fliegende Laufen reingekommen. Bei 60, 70 Metern hatte ich kurz technische Probleme und habe mich daran erinnert, an was ich denken soll: Den Fuß schnell hochziehen. So konnte ich relativ sauber durchlaufen. Nur die letzten drei, vier Meter waren technisch nicht mehr so gut. Im Vorlauf war ich sehr schlecht gestartet und erstmal hinter meinem Trainingspartner geblieben. Da bin ich in ein falsches Muster gefallen, wie es mir öfters passiert. Im Finale habe ich versucht, das besser zu machen, was ganz gut geklappt hat.

Bundesnachwuchstrainer David Corell hat gesagt, Sie seien der deutsche Sprinter mit der schönsten Technik, dem schönsten Laufstil…

Joshua Hartmann:

…ich glaube David hat damit das Training gemeint. Im Wettkampf muss ich mich hoch konzentrieren, dass ich die Technik beibehalte, sonst komme ich schnell in ein falsches Muster. Wir legen in unserer Gruppe den größten Fokus darauf, in den 30 Meter fliegend-Einheiten technisch sauber zu rennen und locker zu bleiben. Aber im Training ist es eine ganz andere Situation als im Wettkampf. Da fällt es mir leichter.

Ihr Trainingspartner, Daniel Hoffmann, ist in Zeven als Zweiter mit 10,32 Sekunden ebenfalls eine neue Bestzeit gelaufen. Seit Oktober letzten Jahres trainieren Sie in Leverkusen, da Ihr Trainer Jannik Engels vom ASV Köln zum TSV Bayer 04 Leverkusen gewechselt ist. In der Trainingsgruppe sind auch die Deutschen Staffel-Hallenmeister Jonas Breitkopf und Sven Bulik. Wie hat sich Ihr Training dadurch verändert?

Joshua Hartmann:

Die Trainingsbedingungen sind viel besser. Ich bin viel unabhängiger, auch vom Wetter. Jetzt kann ich bei Regen in die Halle gehen und dort Starts machen. Das ist für die Saisonvorbereitung schon gut. Ich bin sehr glücklich darüber, dass man mich dort trainieren lässt, obwohl ich aktuell nicht für den Verein starte.

Wie sind Sie in den vergangenen Monaten mit den Trainings-Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen umgegangen?

Joshua Hartmann:

Die Saisonvorbereitung haben wir einfach in die Länge gezogen, ich bin ja jetzt erst sehr spät eingestiegen. Ich habe mir die Zeit genommen und solange gewartet, bis uns meine Trainingsleistungen so gut gefallen haben, dass ich mir meine Leistungen aus dem Vorjahr zutrauen konnte. Das war mir wichtig, dass es wenigstens in diese Richtung geht.

Sie spielen auf Ihre starke Zeit von 10,16 Sekunden zum Saisonbeginn vergangenes Jahr in Weinheim an. Bis zum Wochenende waren Sie seitdem nicht mehr in diese Region gelaufen. Das war bestimmt eine Genugtuung, die Sie auch unter Ihrem Instagram-Post mit dem Hashtag #ruhe zum Ausdruck gebracht haben…

Joshua Hartmann:

Ich weiß, dass viele Leute gedacht haben, dass ich so eine Zeit nicht wieder laufen werde. Dass Weinheim nur Glück war und ich der Zeit jetzt drei, vier Jahre hinterherlaufen werde. Aber siehe da, ein Jahr später ist sie im ersten Wettkampf gefallen. Natürlich gehört zu solchen Läufen auch immer Glück. Aber ich habe bewiesen, dass es keine Eintagsfliege war und ich so eine Zeit wieder rennen kann. Das war mir persönlich wichtig. Es war auch Ruhe nach dem Wettkampf: Ich bin ins Ziel gelaufen und jeder war schockiert [lacht].

Und Sie sind nur drei Hundertstel an der 31 Jahre alten deutschen U23-Bestleistung von Sven Matthes vorbeigeschrammt. Spielt diese Marke für Sie eine Rolle, wollen Sie die noch brechen?

Joshua Hartmann:

Es gibt natürlich nichts Schöneres, als einen deutschen Rekord zu halten. Aber mir würde es für dieses Jahr schon reichen, wenn ich nochmal unter 10,14 Sekunden renne, dann wäre ich auf jeden Fall auch glücklich. Klar will ich den Rekord brechen, aber dafür habe ich auch nächstes Jahr noch Zeit.

Offen ist momentan noch, ob Sie am kommenden Samstag in Weinheim an den Start gehen. Dann kommt mit den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig (8./9. August) auch schon der Saisonhöhepunkt. Was sind dafür Ihre Ziele?

Joshua Hartmann:

Was Deutsche Meisterschaften angeht, hatte ich bisher mit den Medaillen immer ziemliches Pech. Deswegen wäre dieses Jahr eine Medaille schön. Ich würde gerne nochmal unter 10,20 Sekunden laufen, damit kommt man vermutlich auch auf das Podest [lacht].

Wie ist es denn mit den 400 Metern, sind die noch ein Thema oder sind Sie jetzt erstmal Kurzsprinter?

Joshua Hartmann:

Bis das Olympia-Jahr und die U23-EM vorbei ist, bin ich auf jeden Fall erstmal Kurzsprinter. Ich bin jetzt auch öfters die 4x100 Meter gelaufen. Deswegen möchte ich erstmal versuchen, in der DLV-Staffel zu bleiben. Nach der U23-Zeit kann ich dann anfangen, mich wieder mehr mit den 400 Metern zu beschäftigen. Wir machen im Training auch immer noch lange Läufe. Das lässt mich die 400 Meter nicht vergessen – leider Gottes [lacht].

Stimmt, Sie mögen die Strecke eigentlich gar nicht so. Die 100 Meter sind da deutlich weniger anstrengend. Bei der WM in Doha waren Sie Teil der deutschen 4x100 Meter-Staffel. Ist es ein Traum, auch bei Olympia in Tokio (Japan) wieder im Staffel-Aufgebot zu stehen?

Joshua Hartmann:

Ja, super gerne. Das ist eines der Hauptziele. Ich will nächstes Jahr wieder die Leistung bringen, sodass ich an Position zwei der DLV-Staffel laufen darf. Eine Qualifikation für einen WM-Einzelstart ist schwer, die direkte Qualifikationszeit von 10,05 Sekunden ist schon eine Hausnummer und über die Weltrangliste ist es auch nicht einfach. Da mache ich mir jetzt noch keine Gedanken. Ich versuche das nicht zu erzwingen, ich bin ja auch noch sehr jung.

10,14 Sekunden: Pfeilschneller Saisonauftakt für Joshua Hartmann

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