| Interview der Woche

Ruth Sophia Spelmeyer: „Ich wäre sehr dankbar, in die Staffel für Tokio 2021 hineinzulaufen"

Ruth Sophia Spelmeyer (VfL Oldenburg) findet langsam, aber sicher zu alter Stärke zurück. Die 29-jährige 400-Meter-Sprinterin hat sich nach einer langwierigen Schambeinentzündung aus dem Jahr 2018 wieder stabilisiert und lief zuletzt bei den Deutschen Meisterschaften in 52,15 Sekunden auf Rang drei. Im Interview der Woche spricht sie über ihre Leistung beim Saisonhöhepunkt in Braunschweig, die zurückliegenden Corona-Monate sowie die Olympischen Spiele 2021.
Nicolas Walter

Ruth, du hast am Wochenende in Berlin deine Sprintqualitäten auf den Kurzdistanzen unter Beweis gestellt und bist über 100 Meter in 11,81 Sekunden neue persönliche Bestzeit gelaufen. Generell bist du in diesem Jahr die 100 Meter so oft gelaufen wie selten zuvor. Hast du für dich eine neue Lieblingsstrecke entdeckt?

Ruth Sophia Spelmeyer:

Auf gar keinen Fall (lacht). Wir haben das am Anfang ein paar Mal öfter gemacht, weil es sich auf den Abendsportfesten in Hannover angeboten hatte. Gerade auch deshalb, weil wir intensiv trainiert haben und dann zwar schon Wettkämpfe bestreiten wollten, aber gleichzeitig auch etwas machen wollten, was entspannter ist und das Training sinnvoll ergänzt. Deswegen ist es zustande gekommen, dass es zuletzt ein paar Mal häufiger die Sprintdistanzen waren.

Jedes Wochenende 400er zu laufen, mag ich aber generell nicht so gerne. Ich habe das Gefühl, man ermüdet dabei viel schneller, auch vom Kopf her. 200 Meter laufe ich wirklich gerne, 100 Meter dagegen eher weniger. Aber in einem Wettkampf nur 200 Meter zu laufen, ist dann auch immer ein bisschen wenig. Deswegen nehme ich dann oft die Möglichkeit wahr, einen Vor- und Endlauf über 100 Meter zu laufen und schließlich die 200 Meter.

In Berlin bist du auch über 200 Meter angetreten und mit 23,65 Sekunden die zweitschnellste Zeit deiner Karriere gelaufen…

Ruth Sophia Spelmeyer:

…Ich hatte das Gefühl, dass ich für meine Verhältnisse ganz gut aus den Blöcken gekommen bin. Starten und Beschleunigen ist eigentlich nicht meine Stärke. Aber ich hatte ein gutes Gefühl und auch die Kurve lief gut. Es war frequent und ich hatte nicht diesen rollenden Schritt, der bei 400 Metern oftmals sinnvoll ist, sondern habe versucht diesen schnellen, frequenten Schritt bis zum Ende zu laufen. Das hat gut geklappt und trotzdem war es einigermaßen locker und nicht zu verkrampft.

Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig bist du in deiner Paradedisziplin mit 52,15 Sekunden Saisonbestleistung gelaufen und wurdest Dritte. Wie wichtig war es für dich, dass die DM trotz der Corona-Pandemie stattfand?

Ruth Sophia Spelmeyer:

Ich habe mich super gefreut, dass wir die Möglichkeit bekommen haben Deutsche Meisterschaften zu laufen. So ein Highlight ist auch für den Kopf wichtig, weil es eine Struktur gibt und man auf etwas hin trainieren und arbeiten kann. Nachdem es im vergangenen Jahr für mich mit Platz fünf weniger gut lief, war ich froh, dass ich dieses Jahr die Chance hatte, es besser zu machen. Von daher bin ich sehr froh, dass es dann auch mit der Saisonbestleistung geklappt hat und es wieder in Richtung der Form von 2016 und 2017 geht.

Wie sehr war denn dein Trainingsalltag in den vergangenen Monaten von der Corona-Pandemie beeinträchtigt?

Ruth Sophia Spelmeyer:

Als die Olympischen Spiele verschoben wurden, fiel es mir am Anfang mit der Motivation sehr schwer. Vor allem weil es auch eine Umstellung im Training war. Wir haben uns in einer Phase befunden, wo alles auf Wettkämpfe ausgerichtet war und plötzlich war man wieder zurückgeworfen in das Aufbautraining. Da hatte ich ein ziemliches Motivationstief. Als dann die Trainingsstätten geschlossen wurden, mussten wir auf Schotter- und Waldwege ausweichen und haben dementsprechend unspezifisch trainiert. Besser als nichts war das auf jeden Fall. Obwohl ich sehr zufrieden mit meiner Leistung in diesem Jahr bin, glaube ich aber schon, dass sich das letztlich in irgendeiner Form auswirkt.

Wie sieht für dich nun die weitere Planung bis zum Jahresende aus?

Ruth Sophia Spelmeyer:

Ich werde am 8. September in Dessau meinen letzten Wettkampf in diesem Jahr bestreiten und dort auch über die 400 Meter an den Start gehen. Dann geht es in die Pause. Das ist ganz komisch: Obwohl die Saison eigentlich viel kürzer war als sie hätte sein sollen und viel weniger Wettkämpfe anstanden als ursprünglich geplant, haben viele Athleten das Gefühl – und mir geht es auch so – als würde man schon seit Ewigkeiten Wettkämpfe in diesem Jahr bestreiten. Das Bedürfnis nach ein bisschen Urlaub und Entspannung ist also vorhanden. In welcher Form das dann stattfindet, wird sich zeigen. Vielleicht geht es nach Österreich oder an die Nordsee. Irgendwohin, wo es derzeit möglich ist. Anfang Oktober beginnt dann die Vorbereitung auf das nächste Jahr.

Im nächsten Jahr stehen für viele Athleten dann vor allem die Olympischen Spiele in Tokio im Fokus. Auch bei dir?

Ruth Sophia Spelmeyer:

Ja auf jeden Fall. Gerade mit der Entwicklung, die dieses Jahr über 400 Meter stattgefunden hat, haben wir dort die Chance, eine wirklich gute Staffel zusammenzustellen und ich wäre sehr froh und dankbar, wenn ich es schaffen würde, in diese Staffel hineinzulaufen. Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr wieder sichere 51er-Zeiten laufen kann, und dann wird man sehen, wofür es tatsächlich reicht.

Niemand weiß zum aktuellen Zeitpunkt, in welcher Form die Olympischen Spiele 2021 stattfinden werden. Wären denn Spiele ohne Zuschauer für dich eine Option?

Ruth Sophia Spelmeyer:

Das wäre etwas ganz Anderes, vor allem wenn man so eine Großveranstaltung schon mal mit Zuschauern erlebt hat. Für mich persönlich war die WM 2017 in London etwas ganz Besonderes. Es gibt gerade den Staffeln einen ordentlichen Anschub, wenn das ganze Stadion tobt und anfeuert. Ich würde aber sagen, bevor die Olympischen Spiele gar nicht stattfinden, sollten sie lieber ohne Zuschauer ausgetragen werden.

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