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Eine Disziplin ist nicht genug: Wurf-Talent Steven Richter überzeugt mit Diskus und Kugel

Statt sich vom Corona-Lockdown entmutigen zu lassen, bleibt Nachwuchs-Athlet Steven Richter optimistisch und nutzt die Zeit, fokussiert zu arbeiten. Der Lohn: eine deutsche U18-Bestleistung im Diskuswerfen und ein sächsischer U18-Rekord mit der fünf Kilo-Kugel. Damit ist er einer der Überflieger der Saison – für den bodenständigen Werfer aber kein Grund, abzuheben.
Jane Sichting

Die Corona-Pandemie machte es der Sport-Welt in diesem Sommer mehr als schwer. Umso erstaunlicher, wie ein noch junger Athlet aus dem Erzgebirge für Aufsehen sorgte und in gleich zwei Disziplinen nicht nur stetig persönliche Rekorde brach, sondern auch die deutsche U18-Bestleistung im Diskuswurf sowie den sächsischen U18-Rekord im Kugelstoßen verbesserte: Steven Richter (LV 90 Erzgebirge).

Obwohl der 17-Jährige Ende März in Quarantäne musste – an seiner Schule gab es einen positiven Corona-Fall – und anschließend gut fünf Wochen zu Hause sowie auf einem Feld allein trainierte, feierte er über den Sommer hinweg einen Erfolg nach dem anderen. Bereits Ende Mai stellte er im Kugelstoßen mit 20,76 Metern eine neue Bestmarke auf, ließ nur zwei Wochen später 21,62 Meter folgen. Konstant lieferte er Weiten über 20 oder gar 21 Meter ab – Mitte September knackte er mit 21,55 Meter schließlich den sächsischen U18-Rekord, den 2007 kein Geringerer als der zweimalige Weltmeister David Storl (SC DHfK Leipzig) aufgestellt hatte.

Aber dem nicht genug, selbst in den letzten Wettkämpfen der dann doch recht langen Late Season verbesserte er sich auf 21,68 Meter. Zur deutschen U18-Bestleistung von Patrick Müller (SC Neubrandenburg) fehlen nur noch 34 Zentimeter. Angesichts der konstanten Steigerung in diesem Jahr kein Ding der Unmöglichkeit für den Chemnitzer Sportgymnasiasten. Wie es sich anfühlt, Inhaber einer deutschen Bestleistung zu sein, weiß er seit seinem Wurf mit der Diskusscheibe auf 65,95 Meter Mitte August in Halle/Saale. Mit dieser Weite überbot er den alten Wert von Henning Prüfer (SC Potsdam) aus dem Jahr 2013 um acht Zentimeter.

Immer das Beste daraus machen

Doch was ist nun das Geheimrezept für diese Erfolgswelle? „Wir haben den Lockdown und die Krise einfach bestmöglich für uns genutzt, sind die Situation positiv angegangen“, erklärt Trainer Christian Sperling fast schon nüchtern. Dieses Prinzip gelte ohnehin für seine Arbeit mit den Athleten: immer das Beste daraus machen, auch schwierigen Bedingungen trotzen können. „Im Training gehen wir zum Beispiel auch bei schlechtem Regenwetter raus, denn im Wettkampf können die Athleten nicht immer mit guten Bedingungen rechnen, und so sind sie vorbereitet“, sagt er.

Beobachtet habe er zudem, dass Steven Richter in der Corona-Zeit reifer geworden ist: „Er hat zwar etwas weniger, aber sehr viel fokussierter gearbeitet.“ Mit dem Wegfall des Schulstresses konnte er sich intensiver auf das Training konzentrieren – „das war wie drei Monate Trainingslager zu Hause“, sagt Sperling. Für Richter selbst war Faulsein gar keine Option: „Während andere bis mittags geschlafen haben, hatte ich meinen Tag gut getaktet: um 8 Uhr aufstehen, bis zum Mittagessen Schule machen und den freien Nachmittag ab 14 oder 15 Uhr bis zum Abend für das Training nutzen.“

Die Motivation war für ihn kein Problem. „Zum einen habe ich schon auf das nächste Jahr geblickt, und zum anderen hat mein Trainer großen Anteil daran, motiviert zu bleiben“, lobt Richter seinen Coach. Der Austausch fand vor allem digital statt – etwa beim Analysieren der Wurftechnik anhand von eigens aufgenommenen Videos an einer improvisierten Eisenstange als Stativ.

Erfolgreich dank Drehstoßtechnik

Vor vier Jahren war der 1,95 Meter große Modelathlet auf die Sportschule gewechselt und widmete sich seitdem ganz der Leichtathletik, ließ das Fußballspielen sein. Von dem zunächst auf Mehrkampf ausgerichteten Training in der U16 profitiert er noch heute. „Steven bringt sehr gute Voraussetzungen mit, er hat schnelle Füße, kann gut springen und hat eine sehr gute Schnellkraft“, erklärt Sperling. Und die kann er sowohl im Kugel- als auch im Diskusring super umsetzen. „Die Herausforderung besteht darin, in beiden Disziplinen stabil gute Leistungen zu liefern“, sagt der Trainer.

Dass Richter im Kugelstoßen bereits seit Beginn an auf die Drehstoßtechnik setzt, sieht der Coach als Vorteil: „Wir haben frühzeitig die motorischen Lernphasen genutzt. Und die internationale Konkurrenz gibt es ja auch vor“, sagt er mit Blick auf die Weltspitze. Im Männerbereich sei etwa David Storl einer der Wenigen, die mit dem Angleiten noch konkurrenzfähig sind. Zudem gebe es viele Schnittpunkte zum Diskuswerfen, was eine Variabilität im Training ermöglicht und Monotonie verhindere.

Entscheiden könnte sich Richter ohnehin nicht: „Ich mache beides gerne. Am Diskus ist toll, dass er richtig weit fliegt und nicht so schnell wieder herunterfällt. Am Kugelstoßen liebe ich es, wenn die Kugel aus der Hand gleitet und über die Finger schnipst“, sagt er euphorisch. Sein Ziel sei es, beide Disziplinen weiter zu trainieren und bei internationalen Meisterschaften vorne mitzuspielen. „Voraussetzung dafür ist natürlich, verletzungsfrei zu bleiben“, sagt er.

Keine Angst zu versagen

Denn das war der Gelenauer nicht immer. Nur ein Jahr, nachdem er auf die Sportschule gewechselt war, brach er sich im Training beim Sprinten zehn Meter vor dem Ziel das Becken. Es folgten vier Wochen Krankenhaus und Krücken. „Durch die einseitige Belastung auf dem linken Bein hatte ich dann einen Ermüdungsbruch im Schienbein“, erzählt er. Entmutigen ließ er sich von dem Rückschlag allerdings nicht. „Damals war ich noch recht schmächtig, deshalb habe ich viel den Oberkörper trainiert und versucht, Muskeln aufzubauen“, erzählt er lachend. Konkret an das Kugelstoßen oder Diskuswerfen habe er da gar nicht gedacht, sondern – mal wieder – das Beste aus der Situation gemacht.

Aktuell genießt der Internatsschüler die dreiwöchige Saisonpause, geht mit der Trainingsgruppe „bisschen in den Kraftraum pumpen“ oder hält sich beim Spielen fit. Im Vordergrund steht der Spaß. Diesen will er sich auch in der kommenden Saison bewahren: „Klar ist der Erwartungsdruck von außen jetzt größer, aber das sehe ich eher als Ansporn. Angst zu versagen habe ich nicht“, sagt er kämpferisch. Nach den Herbstferien beginnen der Aufbau und die Vorbereitung für das Jahr 2021 mit der U20-WM.

Dass nach einem Block mit viel allgemeinem Training auch wieder ein langer Block mit Krafttraining folgt, freut Richter besonders: „Krafttraining macht mir am meisten Spaß, ich liebe es, mit den Jungs im Kraftraum die Sau raus zu lassen“, sagt er. Und am liebsten mit lauter Musik: „Manchmal kommt der Coach und dreht sie etwas leiser“, verrät er. Und auch vor einem Wettkampf habe er immer laute Musik auf den Ohren, „etwas, das richtig knallt“, wie er sagt, „gern auch Hardcore oder Metal“.

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