| "Wertvollste Jugend-Leistungen 2020"

Ein Hammerjahr für Merlin Hummel

Im Alter von nur 18 Jahren schnappte sich Hammerwerfer Merlin Hummel in diesem Sommer DM-Silber. Doch damit nicht genug: Auch mit dem 6-Kilogramm-Hammer eilte er von Erfolg zu Erfolg und verpasste dabei nur knapp den nationalen Rekord. Für seine Leistungen wurde der Nachwuchs-Athlet nun von einer Experten-Jury mit dem Sonderpreis für die "Wertvollste Leistung der Leichtathletik im Jahr 2020“ in der männlichen Jugendklasse bedacht.
Kerstin Börß

Mit einem klassischen Aufbaujahr hatte Merlin Hummel Anfang 2020 gerechnet. In seinem ersten U20-Jahr wollte sich der junge Hammerwerfer des UAC Kulmbach lediglich an die Anforderungen bei den Größeren gewöhnen. „75 Meter mit dem 6-Kilogramm-Hammer waren damals das Ziel, das ich grob anstreben wollte“, blickt der 18-Jährige heute zurück.

Doch als Hummels Aufbaujahr acht Monate alt war, fand sich der Werfer plötzlich im Zweikampf um den Deutschen Meistertitel bei den Männern wieder. Im Vorfeld der DM hatte der Schüler beim Meeting in Berlin-Marzahn die 7,26-Kilogramm-Kugel auf 70,45 Meter geschleudert. Weiter hatte in Deutschland 2020 bis zu diesem Zeitpunkt nur der zehn Jahre ältere Tristan Schwandke (73,23 m) geworfen. Dieser war dann auch in Braunschweig Hummels großer Konkurrent.

„Ich hatte natürlich die beste Position, ich hatte nichts zu verlieren und anfangs daher auch keinen Druck. Nach hinten raus, als ich merkte, dass ich das Potential hatte zu gewinnen, habe ich dann Blut geleckt“, erzählt Merlin Hummel. Im sechsten Versuch übernahm er mit 69,53 Metern die Führung. Doch Tristan Schwandke konterte im finalen Wurf mit 70,85 Metern und sicherte sich Gold. Merlin Hummel gewann Silber und die Erkenntnis, mit nur 18 Jahren bei den Männern angekommen zu sein.

Nur 21 Zentimeter fehlen zum deutschen U20-Rekord

Im Anschluss an die DM konnte sich der Oberfranke zwei Tage regenerieren, ehe er wieder Vollgas geben musste. Die U20-DM stand an und er griff im Training wieder zu den leichteren Hämmern. Im Frühjahr hatte Hummel verstärkt mit 7er- und 8er-Hämmern geworfen. Sein Trainer Martin Ständner und er hatten sich dazu entschieden, da sie vermuteten, dass von allen Leichtathletik-Veranstaltungen 2020 am wahrscheinlichsten die Deutschen Meisterschaften in Braunschweig stattfinden würden.

Knapp einen Monat nach der Silbermedaille trat Merlin Hummel schließlich bei den U20-Meisterschaften in Heilbronn in den Ring. Der Kulmbacher siegte mit 79,75 Metern und konnte damit einen fetten Haken hinter sein angepeiltes Ziel, das Übertreffen der 75 Meter-Marke, machen. Nur 21 Zentimeter fehlen ihm noch zum deutschen U20-Rekord.

Dank solch herausragender Leistungen gilt der Zweitplatzierte der Europäischen Olympischen Jugendspiele 2019 schon heute mit seinen 18 Jahren als große deutsche Hammerwurfhoffnung. „Es ist manchmal schwierig zu realisieren, wo ich gerade eigentlich drinstecke. Im Alltag vergesse ich auch meistens, dass ich jetzt Deutschlands bester Nachwuchswerfer bin“, sagt Merlin Hummel, „aber natürlich lastet da ein gewisser Druck auf einem. Damit mental umzugehen, gehört für mich zur sportlichen Gesundheit.“  

Fast das Karriereende im Jahr 2018

Besonders wenn Hummel von den mentalen Aspekten des Sports spricht, zeigt sich, dass er – obwohl er sich gerne so manchen technischen Kniff von YouTube-Videos ehemaliger Top-Athleten abschaut – ein durch und durch moderner Athlet ist. „Ich habe mit einem Trainingskollegen vor zwei Jahren das Meditieren angefangen“, berichtet der Leichtathlet. Außerdem sei die Visualisierung für ihn ein großes Thema. „Ich versetze mich in bestimmte Situationen hinein und gehe so mit mehr Plan in die Wettkämpfe.“

Wie wichtig für den Hammerwerfer diese psychischen Komponenten sind, fällt ihm besonders mit einem Blick auf eine schlechte Phase seiner bisherigen Karriere auf. 2018 hatte er darüber nachgedacht aufzuhören, da nichts mehr so richtig funktionieren wollte. Im Training lief es gut, doch im Wettkampf hatte er regelmäßig Probleme. „Zu 90 Prozent lag das an der Psyche, mir fehlte damals der Fokus und das Selbstvertrauen“, weiß Merlin Hummel heute.

WM und Abitur

Wegen dieser Erfahrung möchte er in Zukunft besonders auch auf die mentalen Elemente achten. Darüber hinaus will der Süddeutsche weiter an seiner Technik arbeiten. Konkret spricht er von den letzten zwei Drehungen, die er optimieren möchte. Generell ist Merlin Hummels Hammerwurf geprägt von seiner starken Athletik. „Hammerwerfen ist nicht nur Masse und draufhauen, Geschicklichkeit, Koordination und vor allem Technik und Athletik spielen da eine ganz große Rolle“, sagt der Sportler, der sich trotz seines Talents für Sprints und Sprünge bereits als 12-Jähriger auf den Hammerwurf fokussierte.

Im kommenden Jahr soll die U20-WM in Kenia nun der große Saisonhöhepunkt werden. Ein konkretes Ziel setzt sich Merlin Hummel bewusst nicht, auch um nicht zu viel Druck auf seine Schultern zu laden. Er möchte seine Leistung abrufen und das Beste aus dem Wettkampf herausholen – ganz so wie ihm das dieses Jahr bei gleich zwei Meisterschaften gelungen ist. Nebenbei steht 2021 auch noch das Abitur an. Doch wenn der Schulstress zu groß wird, hat Merlin Hummel ein wirksames Rezept: „Der Hammerwurf ist mein Ausgleich. Wenn ich einen stressigen Schultag hatte, dann ist der Sport das, was mich runter- oder raufbringt.“

Die Jury-Entscheidung für die "Wertvollste Leistung 2020" in der männlichen Jugendklasse

„Merlin Hummel hat sich mit Training auf Acker und Feldwegen im Hammerwurf bis auf 21 Zentimeter dem deutschen U20-Rekord genähert. Die Rahmenbedingungen in Bayern waren besonders schwierig, zumal in einer Disziplin, in der die Technik eine so große Rolle spielt. Darüber hinaus konnte er mit dem Männer-Gerät den deutschen Vizemeister-Titel erringen. Merlin Hummel ist ein rundum bemerkenswerter Athlet, der seine Ziele konsequent verfolgt und widrige Umstände ausblenden kann.“

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