| Zehnkampf

Rico Freimuth und das neue Leben nach dem Leistungssport

Nach 15 Jahren beendete Zehnkämpfer Rico Freimuth im vergangenen Jahr seine Karriere im Leistungssport. In der Rückschau ist der 32-Jährige mit seiner aktiven Zeit zufrieden – und möchte nicht hadern mit verpassten Möglichkeiten. Stattdessen richtet er seinen Blick auf zukünftige Projekte.
Nicolas Walter

Für Rico Freimuth war die Entscheidung Abwägungssache. Nach 15 Jahren Leistungssport und beachtlichen internationalen Erfolgen entschloss er sich im vergangenen Jahr dazu, seine Karriere endgültig zu beenden. „Es fiel mir teilweise sehr schwer, teilweise aber auch sehr leicht. Am Ende des Tages ist der Zehnkampf mein Lebensinhalt gewesen. Deswegen ist es mir einerseits schon schwer gefallen aufzuhören, aber im gleichen Moment ist es auch ein Auf in ein neues Kapitel in meinem Leben“, sagt der 32-Jährige.

Dabei fiel die Entscheidung nicht von jetzt auf gleich. Bereits im Winter 2016, nachdem er zuvor bei den Olympischen Spielen aussichtslos und verletzungsbedingt auf Rang 18 liegend aus dem Wettkampf ausgestiegen war, habe er zum ersten Mal an das Leben nach der Leistungssport-Karriere gedacht. Doch die Gedanken verschwanden wieder, spätestens als er sich 2017 an die internationale Spitze zurückkämpfte, in Ratingen mit 8.663 Punkten seine persönliche Bestleistung aufstellte und kurz darauf in London (Großbritannien) Vize-Weltmeister wurde. „Du hörst ja nicht nach einer Silbermedaille auf“, dachte er damals.

Doch fortan wurde der Körper schwerfälliger, die Verletzungsanfälligkeit nahm zu. 2018 konnte er keinen Zehnkampf beenden, auch aus dem Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich) im Jahr darauf musste er wegen Rückenproblemen vorzeitig aussteigen. „Da ist es mir zum ersten Mal richtig bewusstgeworden, dass ich keinen Leistungssport mehr betreiben möchte.“ Doch erst 2020 war er sich vollkommen sicher, die Entscheidung auch der Öffentlichkeit mitzuteilen. Gemeinsam mit seinem langjährigen Vereinskollegen und engen Freund Michael Schrader gab er im vergangenen Oktober auf Instagram sein Karriereende bekannt.  

Die WM in Peking als größter Triumph

Was bleibt, sind die Erinnerungen. Vor allem an die Erfolge. Seine beiden größten Triumphe konnte Rico Freimuth bei den Weltmeisterschaften 2015 und 2017 feiern, als er sich die Bronze- und Silbermedaille sicherte. Doch es ist vor allem die erste Podestplatzierung bei einer WM, die in Rico Freimuth emotional tief verankert ist.

„Die Bronze-Medaille in Peking ist für mich der sportlich wichtigste und erfolgreichste Moment in meiner Karriere gewesen, weil der Kampf bis dahin am schwierigsten war. Die Silbermedaille zwei Jahre später war dagegen auch ein Resultat des gewonnenen Selbstvertrauens aus 2015 – dadurch war es einfacher. Die Bronzemedaille war vom Gesamtaufwand eine andere Hausnummer“, so der ehemalige Athlet des SV Halle.

Zwischen den beiden größten Erfolgen liegt mit dem Olympia-Ausscheiden 2016 auch eine der größten sportlichen Niederlagen in der Karriere von Rico Freimuth. Nachdem die Saison 2016 bereits von starken Verletzungsproblemen geprägt war, musste er auch in Rio verletzungsbedingt aufgeben. „Ich war in dem Jahr einfach nicht bereit für eine Medaille“, sagt Rico Freimuth. Eine olympische Medaille blieb ihm somit verwehrt – vier Jahre zuvor hatte er bei den Olympischen Spielen in London als bester deutscher Zehnkämpfer den sechsten Platz belegt.

Keine Gedanken an verpasste Chancen

Doch Rico Freimuth möchte nicht hadern und darüber nachdenken, welche Medaillen er theoretisch noch hätte gewinnen können. „Ich versuche, aus jedem meiner Erlebnisse, auch aus den negativen, die positiven Dinge zu ziehen. Im Nachhinein denke ich nicht an 'Hätte, Wenn und Aber'. Das gibt es bei mir nicht. Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Karriere“, sagt der Mehrkämpfer, der durch Höhen und Tiefen von seinem langjährigen Trainer Wolfgang Kühne begleitet wurde. „Er ist der, dem ich alles zu verdanken habe. Er ist der, der mir den erfolgreichen Weg, den wir jetzt gehen, ermöglicht hat“, hatte Freimuth einmal über den Mann gesagt, der ihn insgesamt 15 Jahre lang trainierte.

Jetzt will Rico Freimuth nach vorne schauen. Im kommenden Wintersemester möchte er sein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing und Leadership abschließen und ins Berufsleben einsteigen. Wohin es ihn danach genau verschlagen wird, kann Freimuth noch nicht sagen. Doch der Bereich Projektmanagement sei ein „spannendes Feld“. „In jedem Fall nehme ich aus dem Sport wichtige Attribute für mein zukünftiges Leben mit. Egal ob Zielstrebigkeit oder strukturiertes Arbeiten – der Sport hat mich ganz gut gewappnet für alles, was noch kommt.“

Neben dem Studium richtet Rico Freimuth seinen Blick auf weitere anstehende Projekte. So wird er auf dem TV-Bildschirm demnächst wieder häufiger zu sehen sein und die Olympischen Spielen in Tokio (Japan) für “Eurosport“ vor Ort als Leichtathletik-Experte begleiten. Erste kleinere Dreharbeiten haben bereits im vergangenen Jahr in München stattgefunden.

Teilnahme an verschiedenen TV-Formaten denkbar

Darüber hinaus wird in diesem Jahr der Dokumentarfilm „Royal Discipline“, eine Hommage an den Zehnkampf, erscheinen, bei dem Rico Freimuth als Hauptdarsteller und Co-Produzent mitwirkt. „Wir wollen den Leuten damit zeigen, was Zehnkampf eigentlich bedeutet“, erklärt er. Neben Freimuth werden unter anderem auch Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz), der zweimalige Olympiasieger Ashton Eaton sowie Rico Freimuths Vater Uwe, der 1983 WM-Vierter wurde, als Interview-Partner mitwirken.

Vorstellen kann sich Rico Freimuth zukünftig auch die Teilnahme an verschiedenen TV-Formaten. Allerdings nur, wenn diese seriös seien. „Ich habe in der Vergangenheit bereits Anfragen von Sendungen wie 'Promi Big Brother' oder 'Adam sucht Eva' bekommen, aber in diese Schiene des Trash-TVs bekommt man mich nicht.“ Stattdessen gebe es aber auch TV-Formate, die etwas vermitteln würden oder eine Herausforderung seien. „Beispielsweise 'Let's Dance' oder 'Ewige Helden'. Das könnte ich mir schon eher vorstellen.“

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