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Cindy Roleder: Die „schnellste Mama“ ist zurück auf der Bahn

Das 23. Anhalt-Meeting in Dessau war auch Schauplatz eines viel beachteten Comebacks, das der Anfang einer Mission sein soll: Hürdensprinterin Cindy Roleder möchte nach der Geburt ihrer Tochter zurück in die Weltspitze und beweisen, dass die Mutterrolle und Leistungssport miteinander vereinbar sind.
Birte Grote

Nach ihrem Zieleinlauf fiel Cindy Roleder (SV Halle) das Lächeln erst noch schwer. 14,02 Sekunden standen auf der Anzeigentafel, nur eine kleine Steigerung zu den 14,09 Sekunden bei Gegenwind im Vorlauf, statt der erhofften 13-Sekunden-Zeit. Dennoch war es ein großer Schritt, den sie an diesem Tag bestritten hatte.

Nur viereinhalb Monate nach der Geburt ihrer Tochter gab sie ihr Wettkampf-Comeback. „Ich war schon sehr nervös vor dem Start. Und dann kam auch der Wind dazu. Das hat mich noch einmal zusätzlich verunsichert. Ich hätte mir schon für den Vorlauf gewünscht, dass die Laufrichtung zugunsten des Rückenwindes gedreht worden wäre. Der Wind war wirklich stark und böig.“

Nach dem Comeback blickt Roleder jetzt nach vorn: „Der erste Schritt ist getan. Es war wichtig, dass ich diese beiden Rennen bestritten habe. Vor sechs Wochen wäre ich gar nicht über die 100 Meter Hürden ins Ziel gekommen. Jeder Tag, jede Trainingseinheit bringt mich weiter“, erklärte die Europameisterin von 2016 und Vizeweltmeisterin von 2017 und ordnete ihren aktuellen Leistungsstand ein.

„Ich will auf keinen Fall etwas verpassen“

„Die Geschwindigkeitsentwicklung im Training klappt schon gut und das stimmt mich sehr positiv. Aktuell mache ich aber noch viele technische Fehler, vor allem über die hohen Hürden. Da nehme ich den Oberkörper nach hinten und verliere dadurch enorm an Geschwindigkeit. Wenn wir die Hürden runter stellen, passiert mir das nicht“, sagt Cindy Roleder.  

Das Laufen über die Hürden fühle sich noch komplett anders an als vor der Schwangerschaft, da die Form noch nicht wieder da sei. „Im Training gebe ich aber nach wie vor immer 100 Prozent.“ Vormittags richtet Cindy Roleder den vollen Fokus auf das Training, danach steht die Familie wieder komplett im Vordergrund. „Natürlich merke ich, dass ich weniger Zeit für Physiotherapie oder Regeneration habe. Aber meine Tochter lernt jeden Tag neue Sachen dazu und da möchte ich auf keinen Fall etwas verpassen.“

Etwas mehr als eine Sekunde fehlt Cindy Roleder noch, um die Bestätigungsnorm für die Olympischen Ziele zu erfüllen. „Das ist natürlich noch eine Menge, da muss ich realistisch sein. Andererseits habe ich noch vier Wochen Zeit und das ist für mich sehr viel, wenn ich daran denke, wo ich vor vier Wochen im Training stand. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Ich hatte jetzt meinen ersten Wettkampf bei schwierigen Bedingungen.“

Qualifikation für DM erstmals ein „Thema“

Auch wenn es mit der Qualifikation für Tokio nicht klappen sollte, soll dies keineswegs das Karriereende bedeuten. „Ich wusste ja schon vorher, dass es eng werden wird. Ich hatte überhaupt keinen ordentlichen Aufbau und dann fehlen einfach die Grundlagen. Aber es geht auf jeden Fall weiter. Und wenn ich in das Gesicht meiner Tochter schaue, weiß ich sowieso, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“

Nun müsse sie sich zunächst mit Fragen wie der Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften beschäftigen. „Die Qualifikation für die Deutschen war bisher nie ein Thema in meiner Karriere. Aber auch das gehört jetzt zu meinem neuen Weg dazu und ich muss jetzt einfach schauen, was als nächstes kommt.“

Mit Diskuswerferin Julia Harting (SCC Berlin), Kugelstoßerin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) und Mittelstreckenläuferin Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) gehören weitere Mütter in Deutschland aktuell zu den Besten in ihren Disziplinen.

Zahlreiche internationale Vorbilder

International standen die Weltmeisterschaften 2019 in Doha (Katar) exemplarisch für erfolgreiche Mütter: Mit Shelly-Ann Fraiser-Price (Jamaika; 100 Meter), Allyson Felix (USA; 4x400 Meter Mixed), Helen Obiri (Kenia; 5.000 Meter), Hong Liu (China; 20 Kilometer Gehen) und Roleders Disziplin-Kollegin, Hürdensprinterin Nia Ali (USA), gewannen gleich fünf Mütter Gold-Medaillen und sendeten starke Botschaften, die auch Roleder weitergeben möchte.

„Ich hatte es im Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Kind ist und bin rundum glücklich. Ich habe nie verstanden, warum Muttersein das Karriereende bedeuten sollte. Auch außerhalb des Sports freuen sich Chefs oft nicht über Schwangerschaften. Das macht es Frauen nicht einfach. Ich möchte ein gutes Beispiel für Karriere und Familienplanung sein“, sagt sie. 

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