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DM 2021: Die große Vorschau auf die Wettbewerbe der Männer

Die Deutschen Meisterschaften in Braunschweig sind der nationale Höhepunkt des olympischen Leichtathletik-Sommers 2021: Am kommenden Wochenende geht es für Deutschlands beste Leichtathleten im Eintracht-Stadion um Medaillen, Bestleistungen und die Tickets zu den Olympischen Spiele in Tokio. Wir werfen einen Blick voraus auf die 17 spannenden Entscheidungen der Männer.
Alexandra Dersch / Svenja Sapper / Martin Neumann

DM 2021: Die große Vorschau auf die Wettbewerbe der Frauen

100 METER

Die junge Sprint-Garde will’s wissen

Die Youngsters gaben in der bisherigen Saison den Ton im deutschen Kurzsprint an. Mit Marvin Schulte führt ein 22-Jähriger mit 10,21 Sekunden die deutsche 100-Meter-Bestenliste an. Der Leipziger zeigte nicht nur im Einzel starke Resultate, sondern auch in der Staffel, als er als Schlussläufer das DLV-Quartett bei der Team-EM zum ungefährdeten Sieg führte. Erster Verfolger ist Lucas Ansah-Peprah (Hamburger SV), der bei der Team-EM im Einzel startete und mit 21 Jahren bereits bei einer Saisonbestzeit von 10,25 Sekunden angelangt ist.

Doch wenn Deutsche Meisterschaften wie in diesem Jahr früh in der Saison ausgetragen werden, kann man recht sicher sein: Die Vorleistungen haben im Medaillenrennen noch nicht die allergrößte Aussagekraft. Was allerdings feststeht: Die besten Sprinter aus dem Winter werden in Braunschweig wohl keine Rolle spielen. Hallen-Vize-Europameister Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) musste die Saison bereits beenden, Winter-Aufsteiger Julian Wagner (LC Top Team Thüringen) ist nach Verletzungsproblemen nicht für Braunschweig gemeldet. Michael Pohl (Sprintteam Wetzlar) hat mit den Nachwirkungen der Corona-Impfung zu kämpfen und gibt die Finalteilnahme als Ziel aus. „Mehr Erwartungen habe ich nicht“, so der Hallen-DM-Dritte.

Und was ist eigentlich mit dem Titelverteidiger? Deniz Almas kämpft mit Schmerzen am kleine Zeh und verkündete schließlich am Mittwoch seinen Startverzicht. Auf eineVerbesserung hofft Julian Reus (LC Top Team Thüringen). Der Deutsche Rekordhalter und „Sprint-Nestor“ hat in dieser Saison erst 10,38 Sekunden zu Buche stehen. Eine Steigerung muss bei seinen womöglich letzten Deutschen Meisterschaften her, sonst könnte es eng mit dem Finale werden. Denn die Sprint-Youngsters drücken 2021 mächtig auf die Tube.

Titelverteidiger: Deniz Almas (VfL Wolfsburg; 10,09 sec)
Jahresbester: Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig; 10,21 sec)
 

200 METER

Arriviertes Trio fordert Aufsteiger Owen Ansah

In den vergangenen zehn Jahren gingen die DM-Titel über 200 Meter an drei Sprinter: Julian Reus (LC Top Team Thüringen), Robin Erewa (TV Wattenscheid 01) und Steven Müller (LG Ovag Friedberg-Fauerbach). Das routinierte Trio ist auch in Braunschweig mit Medaillenambitionen am Start. 200-Meter-Spezialist Robin Erewa, der von einer Corona-Infektion „mit nicht einfachstem Verlauf“ genesen ist, fehlt mit 20,67 Sekunden lediglich eine Hundertstel zum bisher jahresschnellsten Owen Ansah (Hamburger SV).

Der 20-Jährige hat sich in diesem Jahr auf 20,66 Sekunden verbessert und konnte auch bei Schmuddelwetter und Gegenwind bei der Team-EM in Chorzów (20,96 sec) überzeugen. Kampflos will sich Robin Erewa aber trotz des Corona-Rückschlags nicht geschlagen geben: „Ich nehme mir immer Gold vor, alles andere ist für mich jetzt nicht so zufriedenstellend.“

Julian Reus ist in diesem Jahr noch nicht über 200 Meter gestartet, will in Braunschweig aber beide Sprintstrecken in Angriff nehmen und könnte seinen fünften Freiluft-Titel über die halbe Stadionrunde gewinnen. Steven Müller möchte das natürlich zu gern verhindern und nach seinen Siegen 2020 in Braunschweig und 2019 in Berlin den Titel-Hattrick perfekt machen. Die Olympianorm für Tokio steht übrigens bei rasanten 20,24 Sekunden. Diese Zeit haben erst zwei deutsche Sprinter unterbieten können: der Deutsche Rekordler Tobias Unger (20,20 sec im Jahr 2005) und Frank Emmelmann (20,23 sec im Jahr 1985).

Titelverteidiger: Steven Müller (LG OVAG Friedberg-Fauerbach; 20,79 sec)
Jahresbester: Owen Ansah (Hamburger SV; 20,66 sec)
 

400 METER

Marvin Schlegel führt enges Feld an

Bei den Deutschen Meisterschaften der vergangenen Jahre konnte man sich auf eins verlassen: die deutliche Steigerung der 400-Meter-Sprinter. Seit 2017 war für den DM-Titel immer eine 45er-Zeit nötig. Damit rechnet auch in diesem Jahr Edgar Eisenkolb: „Ich denke, wir werden ein ähnliches Niveau erreichen wie 2020“, blickt der 400-Meter-Bundestrainer auf die Rennen in Braunschweig voraus.

Unter 46 Sekunden blieb 2020 Marvin Schlegel als Deutscher Meister mit 45,80 Sekunden. Der Chemnitzer führt auch die Meldeliste der noch jungen Saison für Braunschweig mit 46,73 Sekunden an. Mit Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund; 46,95 sec) und Jean-Paul Bredau (SC Potsdam; 46,96 sec) blieben zweit weitere DLV-Langsprinter in diesem Jahr schon unter 47 Sekunden. Der Potsdamer deutete vergangenes Wochenende bei der Team-EM in Chorzów mit einem guten Staffelrennen an, dass es bei den Deutschen Meisterschaften deutlich schneller werden könnte.

Hinter dem Top-Trio folgt mit Tobias Lange (TSV Bayer 04 Leverkusen), dem dreimaligen Deutschen Meister Johannes Trefz (TSV Gräfelfing; beide 47,02 sec), Fabian Dammermann (LG Osnabrück; 47,12 sec) und Hallen-Aufsteiger Henrik Krause (LG Olympia Dortmund; 47,15 sec) ein Quartett mit Medaillenambitionen. Nicht starten kann 45,82-Sekunden-Sprinter Patrick Schneider. Der Wattenscheider hat sich Anfang April einen Teil-Längsriss der Achillessehne zugezogen.

Titelverteidiger: Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz; 45,80 sec)
Jahresbester: Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz; 46,73 sec)

800 METER

Marc Reuther mit der Chance auf das Triple

Zwei Runden taktieren oder ein gemeinsamer Angriff auf die Olympia-Norm? Folgt man dem ungeschriebenen Gesetz einer Meisterschaft, gestützt durch die Siegerzeiten der letzten zehn Jahre offenbart mit einem Schnitt von 1:48,12 Minuten, so scheint die Antwort klar: Meisterschaftsrennen sind taktische Rennen. Schade eigentlich, denn in der Teilnehmerliste dieser Meisterschaft finden sich einige Namen, die das Potenzial für die Olympia-Norm von 1:45,20 Minuten in den Beinen haben. Allen voran naturgemäß der Meister der vergangenen beiden Jahre, Marc Reuther (Eintracht Frankfurt), der in Braunschweig das Triple vollenden kann. Dass der 24-Jährige, der in Leipzig unter Thomas Dreißigacker trainiert, das Zeug dazu hat – keine Frage, blieb er im vergangenen Sommer doch auch mit 1:44,93 Minuten erstmals unter der 45er-Marke.

Aber auch ein Marc Reuther ist nicht unschlagbar – wir erinnern uns an die Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund Anfang des Jahres, als der junge Oskar Schwarzer dem Favoriten auf der Zielgerade noch den Titel abkämpfte. Und so werden auch am kommenden Wochenende andere auf ihre Chance lauern. Wie etwa Reuthers ehemaliger Trainingskollege Marvin Heinrich (Eintracht Frankfurt), der sich in diesem Sommer schon auf schöne 1:45,66 Minuten steigern konnte und spätestens nun sicher weiß, die Olympianorm ist in greifbarer Nähe. Reuthers neuer Trainingskollege Robert Farken (SC DHfK Leipzig), der sich am Mittwoch in Göteborg auf 1:45,80 Minuten steigern konnte, konzentriert sich in Braunschweig indes auf die 1.500 Meter.

Titelverteidiger: Marc Reuther (Eintracht Frankfurt; 1:46,97 min)
Jahresbester: Marvin Heinrich (Eintracht Frankfurt; 1:45,66 min)

1.500 METER

Amos Bartelsmeyer mit viel Selbstvertrauen im Gepäck

Der Flieger aus den USA mit Amos Bartelsmeyer (Eintracht Frankfurt) an Bord – er ist am Montag in Deutschland gelandet. Der Deutsch-Amerikaner, der bereits vor zwei Jahren in Berlin die DM-Goldmedaille erringen konnte, ist am kommenden Wochenende der Mann, den es auf dem Weg zum Titel zu schlagen gilt. Doch das wird nicht einfach für Titelverteidiger Marius Probst (TV Wattenscheid 01), der sich erst am vergangenen Wochenende nach Verletzungspause zurückgemeldet hat, oder auch den ehemaligen Deutschen Hallenmeister über 800 Meter, Robert Farken (SC DHfK Leipzig), der am vergangenen Wochenende bei der Team-EM in Chorzów (Polen) den Sieg für Deutschland über 1.500 Meter holte.

Denn der 26-jährige Bartelsmeyer hat bei seinem Saisondebüt am vergangenen Wochenende in Portland (USA) mit 3:35,24 Minuten Maßstäbe gesetzt. Bestzeit zum Start in den Olympia-Sommer – das gibt Selbstvertrauen. 3:35,00 Minuten sind gefordert für die Olympiateilnahme. Ein Traum, den sich der WM-Halbfinalist von 2019 nur zu gern erfüllen möchte und auf dem Weg dahin sicher nichts gegen seinen zweiten Deutschen Meistertitel auf seiner Lieblingsstrecke haben dürfte.

Titelverteidiger: Marius Probst (TV Wattenscheid 01; 3:52,48 min)
Jahresbester: Amos Bartelsmeyer (Eintracht Frankfurt; 3:34,24 min)

5.000 METER

Offen und spannend

Das Rennen: offen. Der Favorit: nur schwer auszumachen. Der Papierform nach reist der Deutsch-Amerikaner Sam Parsons (Eintracht Frankfurt) mit den besten Karten ins Eintracht-Stadion an. 13:23,30 Minuten ist der 26-Jährige Mitte Mai in Irvine (USA) bereits gelaufen. Aber die Leichtathletik-Fans wissen: Meisterschaften haben ihre eigenen Gesetze. Denn abgesehen von allen taktischen Spielereien ist noch ein Athlet im Rennen, der bereits im vergangenen Jahr eine ähnliche Zeit wie Parsons angeboten hat und von dem die Experten sagen, dass er sein wahres Vermögen bislang noch gar nicht offenbart hat: Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund), der Titelverteidiger.

Der 22-Jährige absolvierte am Wochenende in Pfungstadt über 1.500 Meter noch einmal eine schnelle Einheit und stellte dort mit 3:38,51 Minuten eine Bestzeit auf. Zwei Tage vor der DM wagt er zudem noch einen Ausflug zum Meeting in Huelva (Spanien), um dort die Olympianorm über 5.000 Meter anzugreifen. Auch der Wattenscheider Nils Voigt oder der DM-Zweite des Vorjahres Maximilian Thorwirth (SFD Düsseldorf-Süd), der sich das Frühjahr über in den USA auf den Olympiasommer vorbereitet hat, sind gut drauf und wollen sich nun die Belohnung für ihr Training in Form von Medaillen abholen.   

Titelverteidiger: Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund; 14;02,75 min)
Jahresbester: Sam Parsons (Eintracht Frankfurt; 13:23,30 min)
 

110 METER HÜRDEN

Gregor Traber ist der Gejagte

In konstanter Form hat sich Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen) in diesem Jahr bisher präsentiert. Zwischen 13,55 und 13,61 Sekunden beendete der 28-Jährige seine vier Saisonrennen. Damit war er stets schneller als alle anderen deutschen Hürdensprinter 2021. So gebührt dem dreimaligen Deutschen Meister natürlich die Favoritenrolle in Braunschweig. Nur der Ausreißer nach oben fehlt Gregor Traber noch. Der soll idealerweise im DM-Finale am Samstagnachmittag erfolgen.

Im Rennen um die DM-Medaillen macht sich mindestens ein Sextett berechtigte Hoffnungen. Alle haben in diesem Jahr bereits Zeiten unter 14 Sekunden erzielt. Auf Rang zwei der Bestenliste rangiert etwas überraschend Martin Vogel. Der Leipziger hat sich mit 29 Jahren auf 13,67 Sekunden gesteigert und ist damit bisher eine Hundertstel schneller als Erik Balnuweit (TV Wattenscheid 01). Nicht dabei ist Comebacker und Titelverteidiger Matthias Bühler (TV Haslach). Er will im späteren Saisonverlauf wieder ins Wettkampfgeschehen einsteigen.

Dass man selbst mit 32 Jahren nicht am Leistungslimit angekommen sein muss, hat Georg Fleischhauer zuletzt bewiesen. Der Frankfurter steigerte seine Bestzeit auf 13,79 Sekunden: Zur Erinnerung: Georg Fleischhauer war in seiner „ersten Karriere“ 400-Meter-Hürdenläufer und stand vor zehn Jahren bei der WM in Daegu (Südkorea) im Halbfinale. Schon bei der DM 2020 und der Hallen-DM 2021 sprintete der Routinier aufs Podest. So wie 2010 eben in Braunschweig, als er seinen ersten DM-Titel über die Langhürden gewann.

Titelverteidiger: Matthias Bühler (TV Haslach; 13,62 sec)
Jahresbester: Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen; 13,55 sec)
 

400 METER HÜRDEN

Titelverteidiger Constantin Preis steigt in die Saison ein

„Alle Leistungsträger sind an Bord“, kann Langhürden-Bundestrainer Volker Beck vor den Deutschen Meisterschaften vermelden. Das heißt gleichbedeutend: Auch Titelverteidiger Constantin Preis (Bestzeit 49,23 sec) steigt in Braunschweig in die Saison ein. Für den Sindelfinger geht’s am Sonntagabend um den Titel-Hattrick. Nach einer starken Hallensaison mit 46,81 Sekunden über die „flachen“ 400 Meter war der 23-Jährige kurzzeitig im März von einer Oberschenkelverletzung ausgebremst worden. Nun sei der Titelverteidiger laut seiner Heimtrainer aber schon wieder in guter Verfassung, so Volker Beck.

Schnellster Langhürdler in diesem Jahr ist momentan Emil Agyekum (SCC Berlin) mit 49,77 Sekunden. Kein anderer deutscher Läufer konnte in diesem Jahr bisher die 50-Sekunden-Marke unterbieten. Neben Constantin Preis nimmt ein schnelles Frankfurter Duo diesen Richtwert und einen Podestplatz ins Visier: Joshua Abuaku (50,46 sec in diesem Jahr) und Luke Campbell. Der Deutsche Meister von 2017 und 2018 hat in dieser noch jungen Saison 50,47 Sekunden zu Buche stehen, bringt mit 49,14 Sekunden aber die schnellste Bestzeit aller Starter mit. Die Olympianorm für Tokio steht bei 48,90 Sekunden.

Titelverteidiger: Constantin Preis (VfL Sindelfingen; 49,58 sec)
Jahresbester: Emil Agyekum (SCC Berlin; 49,77 sec)
 

3.000 METER HINDERNIS

Youngster in der Pole Position, Favorit in Lauerstellung

Betrachtet man die Breite in der Spitze, hat sich keine Disziplin aus deutscher Sicht zuletzt so erfreulich entwickelt wie die 3.000 Meter Hindernis der Männer. Bis Ende Mai blieben in diesem Jahr bereits sechs Läufer unter 8:40,00 Minuten. Und einer der Gold-Favoriten für Braunschweig zählt noch gar nicht dazu: Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898). Der Titelverteidiger lief am vergangenen Sonntag bei der Team-EM in einem taktischen Rennen, in dem er sogar noch nach einer Wassergraben-Überquerung stürzte, 8:40,93 Minuten. Dass er deutlich schneller laufen können sollte, bewies er bereits vor zwei Wochen beim Meeting in Dessau mit 5:25,64 Minuten über 2.000 Meter Hindernis. Da fehlten ihm nur wenige Hundertstel zum deutschen Rekord.

Angeführt wird die deutsche Jahresbestenliste von Frederik Ruppert (SC Myhl LA). Der amtierende U23-Europameister steigerte sich beim Pfingstsportfest in Rehlingen gleich um 15 Sekunden auf 8:28,28 Minuten. Zur Olympianorm von 8:22,00 Minuten fehlt nicht mehr viel. „Die Leistungsentwicklung der Hindernisläufer ist positiv und noch nicht abgeschlossen. Ich bin optimistisch, dass in Braunschweig schnelle Zeiten erzielt werden“, blickt Bundestrainer Enrico Aßmus gespannt auf die DM-Entscheidung.

Hinter den beiden Favoriten rechnen sich einige weitere Läufer Medaillenchancen aus. Allen voran der zweimalige Deutsche Meister Martin Grau (LC Top Team Thüringen; 8:34,25 min), Velten Schneider (VfL Sindelfingen; 8:38,98 min) und der in diesem Jahr auf vielen Distanzen verbesserte Hindernis-Novize Jens Mergenthaler (SV Winnenden; 8:39,59 min).

Titelverteidiger: Karl Bebendorf (Dresdener SC; 8:42,43 min)
Jahresbester: Frederik Ruppert (SC Mhyl LA; 8:28,28 min)
 

HOCHSPRUNG

Mateusz Przybylko mit der Chance fünftes Gold in Serie

Dass die Saison noch jung ist, das sieht man in aller Deutlichkeit im Hochsprung. Die großen Höhen, sie lagen in den wenigen Wochen der bisherigen Sommersaison noch nicht auf für die deutschen Springer. Diese steigen zumeist mit zunehmender Wettkampf-Dichte an. Bestes Beispiel ist dafür der Titelverteidiger Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen), der in Braunschweig seine fünfte Goldmedaille in Serie feiern könnte und damit automatisch der Gejagte ist. Der Europameister, der in der Hallensaison mit Fußproblemen zu kämpfen hatte, braucht die Praxis. Die soll nun über die Wettkämpfe kommen. In der Halle schwang sich der 29-Jährige in diesem Winter über 2,28 Meter, unter freiem Himmel absolvierte er bislang erst einen Wettkampf (2,15 m).

Über genau diese Höhe sprang auch der Dresdener Jonas Wagner, der Überraschungsmeister der Hallen-DM. Den besten Eindruck in diesem Sommer hinterließ bislang aber Przybylkos neuer Trainingskollege Falk Wendrich (LAZ Soest), der seit Anfang des Jahres in Leverkusen lebt und bei Hans-Jörg Thomaskamp trainiert. 2,20 Meter überflog der 25-Jährige zuletzt am vergangenen Wochenende bei der Team-EM in Polen. Für ihn wäre es der erste Titel bei Deutschen Meisterschaften.

Titelverteidiger: Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen; 2,28 m)
Jahresbester:  Falk Wendrich (LAZ Soest; 2,20 m)
 

STABHOCHSPRUNG

Titelverteidiger in der Favoritenrolle

Im vergangenen Jahr sorgte er für die große One-Man-Show im Eintracht-Stadion. Bo Kanda Lita Baehre, der WM-Vierte, schraubte sich ungeachtet der leeren Ränge immer weiter hinauf. Der Lohn für 5,75 Meter: der dritte DM-Titel für den immer erst noch 22-Jährigen und die Gewissheit, dass sein Antrieb für große Leistungen tief aus dem Herzen kommt und völlig unabhängig ist von äußeren Einflüssen. Am kommenden Wochenende kann der U23-Europameister diesen Erfolg wiederholen, denn auch in diesem Jahr reist der Leverkusener als Favorit mit Saisonbestleistung von 5,70 Metern an. Eine Höhe, an die die Konkurrenz wie der Aufsteiger und  Hallen-EM-Vierte Oleg Zernikel (ASV Landau; 5,60 m) oder auch der Deutsche Hallenmeister Torben Blech (TSV Bayer 04 Leverkusen; 5,50 m) noch nicht herangekommen sind.

Für eine Überraschung gut ist aber auch immer der ehemalige Weltmeister Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken). Der 31-Jährige brach die Hallensaison aufgrund einer Formkrise frühzeitig ab, um sich langfristig auf den Sommer vorzubereiten. Er und Torben Blech gehen aber mit dem Vorteil in diese Saison, dass sie die Olympianorm von 5,80 Metern bereits 2019 abhaken konnten und somit nur noch die Bestätigungsnorm von 5,70 Metern nachreichen müssen. Die von Bo Kanda Lita Baehre gesprungenen 5,81 Meter aus 2020 zählen indes noch nicht als Olympianorm, da der Qualifkationszeitraum angesichts der Corona-Pandemie im vergangenen Sommer ausgesetzt wurde. Für die Titelvergabe in Braunschweig sind diese Vorleistungen aber ohnehin völlig unerheblich.

Titelverteidiger: Bo Kanda Lita Baehre (TSV Bayer 04 Leverkusen; 5,75 m)
Jahresbester: Bo Kanda Lita Baehre (TSV Bayer 04 Leverkusen; 5,70 m)
 

WEITSPRUNG

Ein Nachwuchsathlet auf Titelmission

Von den acht Metern – von denen träumt Maximilian Entholzner (LAC Passau) schon so lange. Bislang waren es immer nur wenige Zentimeter, die dem Titelverteidiger zu dieser immer noch magischen Weite in seiner Disziplin fehlten. In diesem Sommer war es allerdings bisher der Nachwuchsathlet Oliver Koletzko, der aus nationaler Sicht am weitesten sprang. Der 18-jährige Wiesbadener landete bei seinem Heimwettkampf erst bei 7,90 Metern – weiter sprang weltweit in diesem Sommer noch kein anderer Athlet seiner Altersklasse.

Auf dem Weg zurück zu alter Form ist der EM-Zweite Fabian Heinle (VfB Stuttgart). Der 26-Jährige, der in der Vergangenheit so oft von Verletzungen ausgebremst wurde, holte am vergangenen Wochenende bei der Team-EM als Zweiter (7,82 m) wertvolle Punkte für die DLV-Mannschaft. Und dass er starke Nerven hat, wenn es darauf ankommt, das hat er nicht nur bei der Heim-EM in Berlin bewiesen.

In der Sonderwertung der Klasse T44 geht Prothesenspringer Markus Rehm (TSV Bayer 04 Leverkusen) in Braunschweig an den Start. Der Paralympics-Sieger stellte am Dienstag bei der Para-EM in Bydgoszcz (Polen) mit 8,62 Metern einen neuen Para-Weitsprung-Weltrekord auf.

Titelverteidiger: Maximilian Entholzner (LAC Passau; 7,96 m)
Jahresbester: Oliver Koletzko (Wiesbadener LV; 7,90 m)
 

DREISPRUNG

Jagd nach dem fehlenden Zentimeter

Olympianorm zum Greifen nah: Lediglich ein Zentimeter fehlt Max Heß zum geforderten Richtwert (17,14 m) für Tokio. Diese Marke könnte in Braunschweig fällig sein. Der Chemnitzer hat sich bislang in jedem seiner vier Saisonwettkämpfe gesteigert, zuletzt vergangenes Wochenende, als er bei der Team-EM in Chorzów zu seiner deutschen und europäischen Jahresbestleistung sprang und dabei auch 18-Meter-Springer Pedro Pablo Pichardo (Portugal) hinter sich ließ.

Die nationale Konkurrenz sollte der Europameister von 2016 in Braunschweig im Griff haben: Max Heß führt die deutsche Jahresbestenliste mit fast eineinhalb Metern Vorsprung an. Auf dem zweiten Platz im nationalen Ranking befindet sich Christoph Garritsen (TSV Bayer 04 Leverkusen), der bislang 15,77 Meter zu Buche stehen hat. Dahinter trennen nur wenige Zentimeter den Münchner Paul Walschburger (15,47 m), Pascal Boden (Dresdner SC, 15,46 m) und den Deutschen Meister von 2018 Felix Wenzel (SC Potsdam; 15,42 m). Diese Athleten sollten die Plätze hinter Max Heß unter sich ausmachen. Denn der dürfte den Wettkampf klar dominieren.   

Titelverteidiger: Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz; 16,58 m)
Jahresbester: Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz; 17,13 m)
 

KUGELSTOßEN

Ohne David Storl: Weg frei für Simon Bayer?

Der deutsche Meistertitel führte in den vergangenen Jahren meist nur über einen: David Storl. Bei neun der zehn letzten Deutschen Meisterschaften triumphierte der zweimalige Weltmeister. 2021 ist die Ausgangslage eine andere. Der Leipziger, der in diesem Jahr noch keine Freiluftwettkämpfe bestritten hat, musste die Teilnahme in Braunschweig wegen Rückenbeschwerden absagen. Profitieren könnte vom Aus des früheren Weltmeisters vor allem Simon Bayer: Mit seiner neuen persönlichen Bestleistung von 20,30 Metern liegt er deutlich an der Spitze der Meldeliste. Der Sindelfinger, der 2019 seinen ersten Sieg bei den Deutschen Meisterschaften eingefahren hat, ist nun erster Anwärter auf die nationale Krone.

Gute Chancen auf eine vordere Platzierung hat auch einer seiner Vereinskollegen: Eric Maihöfer belegt mit 19,75 Metern aktuell Rang zwei in der deutschen Jahresbestenliste. Der knapp 20-Jährige stößt erst seit diesem Jahr regelmäßig mit der 7,26-Kilo-Kugel. In seinen bisherigen Wettkämpfen fehlte die Konstanz – sollte er in Braunschweig einen Stoß optimal treffen, könnte er der etablierten Konkurrenz gefährlich werden. Das Sindelfinger Trio komplettiert Tobias Dahm, der mit 19,53 Metern knapp hinter Jan Josef Jeuschede (TSV Bayer 04 Leverkusen; 19,58 m) an Position vier der deutschen Bestenliste liegt.

Erst einen Wettkampf im Freien bestritten hat Christian Zimmermann (Kirchheimer SC). Der 20-Meter-Stoßer der Hallensaison kam dabei noch nicht über 19,26 Meter hinaus. In Braunschweig wird sich zeigen, ob er an seine starken Leistungen aus dem Winter anknüpfen kann.  

Titelverteidiger: David Storl (SC DHfK Leipzig; 20,17 m)
Jahresbester: Simon Bayer (VfL Sindelfingen; 20,30 m)
 

DISKUSWURF

Sechs Anwärter auf einen Titel

Auf dem Papier zählt der Diskuswurf in Braunschweig zu den spannendsten Disziplinen – und das auf sehr hohem Niveau: Sechs Athleten haben in diesem Jahr bereits Weiten jenseits der 65 Meter angeboten, drei davon ließen die Scheibe gar auf mehr als 67 Meter fliegen. Dazwischen befindet sich bei 66 Metern die Olympianorm. Die beste Vorleistung bringt der Olympia-Dritte von 2016 mit: Daniel Jasinski (TV Wattenscheid 01) warf Ende Mai in Schönebeck mit 67,46 Metern weiter denn je. Für den 31-Jährigen wäre es trotz seiner langen internationalen Karriere der erste deutsche Meistertitel.

Doch der Titelverteidiger wird nicht kampflos aufgeben: Clemens Prüfer befindet sich mit 67,41 Metern und damit nur wenige Zentimeter hinter dem Jahresbesten in Lauerstellung; in vier seiner fünf Saisonwettkämpfe flog sein Diskus weiter als beim Titelgewinn im Vorjahr. Wenn Bruder Henning (beide SC Potsdam) seine in Schönebeck aufgestellte Bestleistung (65,26 m) noch einmal steigert, könnte ein weiteres Mitglied der Familie Prüfer das Podium angreifen.

Dazu müssen die Brüder jedoch namhafte Konkurrenz hinter sich lassen: WM-Teilnehmer David Wrobel (SC Magdeburg) ist mit 67,30 Metern ebenfalls ein heißer Titelkandidat. Aber auch dessen Teamkollege Martin Wierig (65,35 m) und der Olympiasieger von 2016 Christoph Harting (SCC Berlin) haben die Erfahrung und das Zeug dazu, auf dem Podest ganz oben zu stehen.

Titelverteidiger: Clemens Prüfer (SC Potsdam; 62,97 m)
Jahresbester: Daniel Jasinski (TV Wattenscheid 01; 67,47 m)
 

HAMMERWURF

Landet Tristan Schwandke den großen Wurf?

Es war die beste Weite eines deutschen Hammerwerfers seit Markus Esser 2013. An seinem 29. Geburtstag Ende Mai schleuderte Tristan Schwandke (TV Hindelang) sein Wurfgerät auf 76,71 Meter. Der Deutsche Meister der beiden vergangenen Jahre ist damit klarer Favorit auf einen erneuten Sieg: Mehr als acht Meter weniger erzielte der zweitbeste deutsche Werfer, Fabio Hessling (SV GO! Saar Saarbrücken), der mit 68,37 Metern gemeldet ist. Und so ist die spannendere Frage wohl, ob für den haushohen Favoriten gar die Olympia-Norm in Reichweite ist. Um mehr als zwei Meter hat sich Schwandke in dieser Saison bereits gesteigert. Zum Tokio-Richtwert (77,50 m) fehlen gut 80 Zentimeter – da darf man von einer weiteren Verbesserung in Richtung der geforderten Marke durchaus träumen.

Im vergangenen Jahr kam ein Nachwuchstalent dem Routinier am nächsten: Merlin Hummel (UAC Kulmbach) reist in diesem Jahr ohne einen Wettkampf mit dem 7,26-Kilo-Hammer an. Der 19-Jährige hat jedoch im Mai mit dem sechs Kilo schweren Wurfgerät der U20 eine Glanzleistung von 79,66 Metern abgeliefert – weltweit warf nur ein Athlet dieser Altersklasse 2021 weiter. Als Zweitplatzierter der Deutschen Meisterschaften verfehlte er im Vorjahr mit dem schwereren Wurfgerät die 70-Meter-Marke knapp (69,53 m). Diese Weite zu verbessern und seinen Allzeit-Bestwert von 70,45 Metern höher zu schrauben, dürfte in diesem Jahr sein Ansporn sein.

Titelverteidiger: Tristan Schwandke (TV Hindelang; 70,85 m)
Jahresbester: Tristan Schwandke (TV Hindelang; 76,71 m)
 

SPEERWURF

Offener Wettkampf nach Absage von Johannes Vetter

Während der aktuellen Saison war Johannes Vetter (LG Offenburg) bislang nicht nur im nationalen, sondern auch im globalen Vergleich eine Klasse für sich: 90-Meter-Würfe am Fließband, zuletzt zeigte der Weltmeister von 2017 bei der Team-EM mit 96,29 Metern den drittweitesten Wurf der Geschichte. Bereits dort hatte er jedoch mit Schmerzen im rechten Oberschenkel zu kämpfen und wird daher in Braunschweig nicht an den Start gehen – eine Vorsichtsmaßnahme, um einen reibungslosen Restverlauf der Saison zu gewährleisten.

Ohne Johannes Vetter richtet sich die Aufmerksamkeit auf ein starkes Werfer-Trio, auch wenn sich bislang keiner besonders hervortun konnte. Zu den Titelkandidaten zählt Julian Weber (USC Mainz), in Abwesenheit von Johannes Vetter bester deutscher Werfer der Saison – der Neunte von Rio (Brasilien) hat bislang 84,51 Meter vorzuweisen und möchte in Tokio seine zweiten Olympischen Spiele erleben. Für Olympiasieger Thomas Röhler (LC Jena) bedeuten die Deutschen Meisterschaften ein Comeback: Der Europameister will sich nach Verletzungssorgen und der Geburt seines Sohnes im vergangenen Jahr erstmals zurückmelden. Welche Leistungen der 29-Jährige schon zu erbringen imstande ist, wird sich am Wochenende zeigen. Der Potsdamer Bernhard Seifert, ebenfalls 89-Meter-Werfer, möchte seine Saisonbestleistung von 80,44 Meter sicherlich steigern. Vize-Europameister Andreas Hofmann (MTG Mannheim) ist nach seiner Ellenbogen-OP noch nicht in Topform und wird die Deutschen Meisterschaften in diesem Jahr verpassen.

Titelverteidiger: Johannes Vetter (LG Offenburg; 87,36 m)
Jahresbester: Johannes Vetter (LG Offenburg; 96,29 m)


DM 2021: Die große Vorschau auf die Wettbewerbe der Frauen

DM 2021 Braunschweig

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