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Tokio 2021 | Die große Olympia-Vorschau auf die Wettbewerbe der Männer (I)

Es ist so weit! Der erste Startschuss der Leichtathletik-Wettbewerbe im Olympiastadion von Tokio steht kurz bevor. Wer hat Chancen auf die Medaillen? Was ist drin für die deutschen Starter? Wer ist gut drauf, wer wackelt und wer kann für eine Überraschung sorgen? Wir blicken voraus auf die Entscheidungen der Männer. Heute: Sprint, Lauf, Hürden/Hindernis und Gehen.
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Olympische Spiele 2021 kompakt

100 Meter

Trayvon Bromell auf den Spuren von Usain Bolt

Gesucht wird der Nachfolger von Usain Bolt! Nach seinem Triple-Triple hat der Jamaikaner mit seinem Rücktritt den Platz auf dem Sprint-Thron freigemacht. Weltmeister Christian Coleman (USA) wird ihn nicht besetzen, er ist nach mehreren verpassten Dopingkontrollen für die Spiele in Tokio gesperrt. Und so ruhen die US-Hoffnungen auf Trayvon Bromell. Der 26-Jährige zählt nicht zu den Lautsprechern seiner Diszipin, betont stets, dass es ihm zuvorderst darum gehe, andere zu inspirieren. In 2021 ist ihm das mit sechs regulären Rennen unter zehn Sekunden, dem Sieg bei den US-Trials und der Weltjahresbestzeit von 9,77 Sekunden schon mehrfach gelungen. "Viele Leute wollen eine Goldmedaille. Versteht mich nicht falsch, ich sage nicht, dass ich die nicht auch will. Aber mein größtes Ziel ist Veränderung", sagte er jüngst in einem Guardian-Interview. "Ich will einfach Hoffnung geben. Ich will, dass Kinder mich sehen und sehen, dass sie das auch können."

Ronnie Baker und Fred Kerley (beide 9,85 sec) haben sich die weiteren US-Tickets über 100 Meter gesichert. Und wer in diesen Rennen das US-Trikot trägt, zählt automatisch zu den Favoriten. Lange galt das auch für Jamaikas Sprinter, für die Usain Bolt jedoch dieses Mal schwarz sieht. Erst auf Platz elf der Welt findet man mit Ex-Weltmeister Yohan Blake den ersten Mann von der Karibik-Insel in der Weltjahresbestenliste. Auch der Olympia-Zweite von Rio Andre de Grasse (Kanada) ist in diesem Jahr noch nicht in Top-Form aufgelaufen. Größere Aufmerksamkeit dürfte dem Südafrikaner Akani Simbine zuteil werden, der jüngst in Ungarn mit 9,84 Sekunden seine Medaillenambitionen untermauert hat. Für eine Überraschung könnte Hallen-Europameister Lamont Marcell Jacobs (Italien; 9,95 sec) sorgen. Die Gastgeber hoffen auf ihren neuen Landesrekordler Ryota Yamagata (9,95 sec). DLV-Sprinter sind nicht am Start. sb

DLV-Teilnehmer: keine
Olympiasieger 2016: Usain Bolt (Jamaika; 9,81 sec)
Weltmeister 2019: Christian Coleman (USA; 9,76 sec)
Weltjahresbester 2021: Trayvon Bromell (USA; 9,77 sec)
 

200 Meter

Wer folgt über 200 Meter auf Sprint-Dominator Usain Bolt?

Die Lichtgestalt der vergangenen drei Spiele, Usain Bolt, hat die Bühne geräumt. Doch wer kann dem achtfachen Olympiasieger, elffachen Weltmeister und Weltrekordhalter aus Jamaika folgen? Wird erstmals wieder eine amerikanische Flagge für den Sieger wehen – wie zuletzt bei den Spielen 2004 in Athen, als der komplette Medaillensatz an das US-Trio Shawn Crawford, Bernard Williams und Justin Gatlin ging?

Als Topfavorit geht insbesondere Noah Lyles (USA) ins Rennen, Weltmeister über 200 Meter und mit der 4x100 Meter-Staffel. Mit seiner 2019 in Lausanne (Schweiz) gelaufenen Bestzeit von 19,50 Sekunden ist der 24-Jährige der viertschnellste Läufer der Geschichte über die halbe Stadionrunde. Aktuell führt er die Weltjahresbestenliste mit 19,74 Sekunden an und lief vier seiner fünf Rennen in dieser Saison unter 20 Sekunden. Das hätte 2016 in Rio bereits für die Silbermedaille gereicht, die in 20,02 Sekunden an den Kanadier Andre de Grasse ging. Dieser ist in Tokio hinter Lyles, den Mitfavoriten Kenneth Bednarek und Fred Kerley (beide USA) sowie Divine Oduduru (Nigeria) mit der fünftschnellsten Zeit gemeldet.

Ein erneuter Sieg für Jamaika ist hingegen unwahrscheinlich. Weder Yohan Blake, der 2012 in London Silber über 100 und 200 Meter sowie Gold in der 4x100 Meter-Staffel gewann, noch Julian Forte und Rasheed Dwyer haben in diesem Jahr bereits Spitzenzeiten auf die Bahn gebracht. Gänzlich fehlen wird auch der Dritte der Spiele in Rio, Christophe Lemaitre aus Frankreich, das über die 200 Meter in Tokio keinen einzigen Läufer am Start hat. Und so rückt am ehesten der Italiener Eseosa Fostine Desalu in die Rolle, bester Europäer zu werden.

Allein mit dem Einzelstart über 200 Meter geht für DLV-Athlet Steven Müller (LG Friedberg-Fauerbach) ein Traum in Erfüllung. Obwohl er aufgrund einer Verletzung die Norm (20,24 sec) nicht mehr schaffte, qualifizierte sich der Deutsche Meister von 2020 und 2021 in letzter Sekunde noch über die Weltrangliste für die Spiele in Tokio. Für ihn heißt es am 3. August im Vorlauf alles zu geben.

DLV-Teilnehmer: Steven Müller (LG OVAG Friedberg-Fauerbach)
Olympiasieger 2016: Usain Bolt (Jamaika; 19,78 sec)
Weltmeister 2019: Noah Lyles (USA; 19,83 sec)
Weltjahresbester 2021: Noah Lyles (USA; 19,74 sec)
 

400 Meter

Gibt es den Dreifach-Triumph für die USA?

Von 1984 bis 2008 gab es auf den 400 Metern in Punkto Gold kein Vorbeikommen an den USA. Erst 2012 in London gelang es dann Kirani James (Grenada) diese Siegesserie zu durchbrechen – und auch Silber und Bronze gingen erstmals seit 1920 nicht an einen US-Athleten. Auch bei den Spielen in Rio 2016 gab es lediglich Platz drei für die USA, Gold ging in neuer Weltrekordzeit (43,03 sec) an Wayde van Niekerk (Südafrika), Silber an James. In Tokio wollen sich die US-Sprinter nun ihre Dominanz zurückerobern und könnten dabei wie bereits 1904, 1988, 2004 und 2008 den kompletten Medaillensatz gewinnen.

Vermeintlich größter Goldfavorit ist der erst 20-jährige Randolph Ross, der bei den US-amerikanischen College-Meisterschaften in Eugene eine Weltjahresbestleistung aufstellte (43,85 sec) und in diesem Jahr der einzige Läufer ist, der die 44-Sekunden-Marke unterboten hat. Allerdings war das eher ein Ausrutscher nach oben, lief er in der Saison doch eher hohe 44er- und 45er-Zeiten. Auch bei den US-Meisterschaften kam er hinter Michael Norman und Michael Cherry, Platz zwei und vier der Weltjahresbestenliste und ebenfalls Goldfavoriten in Tokio, nur auf Rang drei.

Dem Trio etwas entgegensetzen wollen unter anderem Isaac Makwala (Botswana) und Steven Gardiner, der 2019 in Doha mit neuem Landesrekord von 43,48 Sekunden erst der zweite Athlet von den Bahamas war, der über die 400 Meter Weltmeister wurde. Bei seiner dritten Olympia-Teilnahme mit auf der Rechnung haben sollte man zudem Kirani James, der bereits siebenmal in seiner Karriere unter 44 Sekunden gelaufen ist.

Und auch der zweifache Weltmeister Wayde van Niekerk, der sich Anfang des Jahres der Trainingsgruppe von Lance Brauman um Gina Lückenkemper (SCC Berlin), dem 200 Meter-Weltrekordhalter Noah Lyles (USA) und der Olympiasiegerin Shaunae Miller-Uibo (Bahamas) in den USA angeschlossen hat, will zu seiner zweiten Olympiamedaille laufen. Der Vorlauf am 1. August wird dabei erst sein drittes 400 Meter-Rennen dieses Jahr sein.

Für den DLV-Athleten Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz) war bereits die Nominierung ein Erfolg, denn lange musste der Deutsche Meister von 2020 um seinen Einzelstart in Tokio zittern. Er schaffte es dann letztlich über die Weltrangliste nach Japan. Das Finale wird für ihn – anders als in der 4x400 Meter-Staffel – nur schwer zu erreichen sein.

DLV-Teilnehmer: Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz)
Olympiasieger 2016: Wayde van Niekerk (Südafrika; 43,03 sec)
Weltmeister 2019: Steven Gardiner (Bahamas; 43,48 sec)
Weltjahresbester 2021: Randolph Ross (USA; 43,85 sec)
 

800 Meter

Gold-Entscheidung ohne Olympiasieger und Weltmeister

Der Olympiasieger von 2012 und 2016, David Rudisha (Kenia), konnte aufgrund von vielen Verletzungen seit 2017 keine Rennen mehr bestreiten. Der amtierende Weltmeister Donovan Brazier ist in Tokio ebenfalls nicht mit dabei. Er wählte bei den US-Trials eine zu offensive Renntaktik im Finale und kam abgeschlagen als Letzter ins Ziel. Aus war damit der Traum vom Olympia-Coup.

Damit steigen die Chancen für zwei Mittelstreckler auf 800-Meter-Gold, die jeweils schon olympisches Edelmetall gewonnen haben, aber nie den Platz in der Mitte des Podiums einnehmen durften. Vor neun Jahren stürmte Nijel Amos als 18-Jähriger in London mit U20-Weltrekord (1:41,73 min) zu Silber hinter dem Weltrekord laufenden David Rudisha (1:40,91 min). Aktuell führt der Läufer aus Botswana mit 1:42,91 Minuten die Weltjahresbestenliste an. Der 27-Jährige absolvierte in dieser Saison nur wenige Starts, konnte sich aber mit der Top-Zeit beim „Mittelstrecken-Gipfel“ Anfang Juli in Monaco gegen die internationale Konkurrenz durchsetzen.

Der Olympia-Dritte von Rio, Clayton Murphy, dominierte Mitte Juni die US-Trials und sicherte sich mit 1:43,17 Minuten das Tokio-Ticket. Nur zweimal war er in seiner Karriere schneller. Allerdings konnte der US-Läufer seine Form im Juli bei den Meetings in Europa nicht bestätigen. Das könnte die Chance des schnellen Kenia-Trios sein, das vierte 800-Meter-Olympiagold in Folge für das Läuferland zu gewinnen. Mit dabei sind Emmanuel Korir (1:43,02 min in Monaco), Ferguson Rotich (1:43,57 min in Monaco) und Afrika-Hallenrekordler Michael Saruni, der überraschend die Kenia-Trials in der Höhe von Nairobi in 1:45,81 Minuten für sich entschied. mbn

DLV-Teilnehmer: keine
Olympiasieger 2016: David Rudisha (Kenia; 1:42,15 min)
Weltmeister 2019: Donovan Brazier (USA; 1:42,34 min)
Weltjahresbester 2021: Nijel Amos (Botswana; 1:42,91 min)
 

1.500 Meter

Jakob Ingebrigtsen fordert Timothy Cheruiyot, DLV-Duo dabei

1996 stürmte Vebjorn Rodal über 800 Meter zum Olympiasieg. 25 Jahre später könnte erneut ein Norweger für Furore auf olympischer Mittelstrecken-Bühne sorgen: Ausnahmeläufer Jakob Ingebrigtsen zählt mit 20 Jahren über 1.500 Meter schon zum engsten Favoritenkreis. Der Doppel-Europameister gibt der langen Mittelstrecke den Vorzug vor den 5.000 Metern. Auf einen Doppelstart verzichtet der 5.000-Meter-Europarekordler in der erwarteten schwülen Hitze Tokios. Denn die Vorläufe über 1.500 und 5.000 Meter werden beide am 3. August ausgetragen.

Mit seiner Jahresbestzeit von 3:29,25 Minuten rangiert Jakob Ingebrigtsen auf Rang zwei der Meldeliste. Nur Weltmeister Timothy Cheruiyot war 2021 mit 3:28,28 Minuten flotter. Allerdings schaffte es der Kenianer nur über Umwege ins Olympia-Team: Bei den Trials war er nur Vierter geworden, jedoch konnte der 18-jährige Kamar Etyang nicht die geforderten drei Anti-Doping-Trainingskontrollen in den vorherigen zehn Monaten vorweisen,und  so rückte der Weltmeister nach. „Ich verspreche, in Tokio eine Medaille zu gewinnen“, sagte er nach seiner Nachnominierung. Bei Meisterschaften immer zu beachten ist außerdem Rio-Olympiasieger Matthew Centrowitz (USA).

Ihre olympische Premiere erleben in Tokio Robert Farken (3:34,64 min) und Amos Bartelsmeyer (3:35,24 min). Werden Vorlauf und Halbfinale nicht allzu rasant, hat der Leipziger gute Karten. Denn er absolvierte bereits in diesem Jahr die letzte Rennrunde in unter 50 Sekunden. Diese enorme Endgeschwindigkeit in Spurtrennen ist sein großes Plus. Sein letzter Test über 1.000 Meter am 21. Juli verlief mit 2:15,81 Minuten jedenfalls äußerst vielversprechend. mbn

DLV-Teilnehmer: Amos Bartelsmeyer (Eintracht Frankfurt), Robert Farken (SC DHfK Leipzig)
Olympiasieger 2016: Matthew Centrowitz (USA; 3:50,00 min)
Weltmeister 2019: Timothy Cheruiyot (Kenia; 3:29,26 min)
Weltjahresbester 2021: Timothy Cheruiyot (Kenia; 3:28,28 min)
 

5.000 Meter

Spanier Mohamed Katir will Afrikas Asse ärgern

Ein 5.000-Meter-Rennen hat Jakob Ingebrigtsen seit dem WM-Finale 2019 in Doha bestritten. Und das krönte er Mitte Juni in Florenz gleich mit dem neuen Europarekord von 12:48,45 Minuten. Schneller war weltweit kein anderer Langstreckler in diesem Jahr. Selbst Joshua Cheptegei nicht. Der Weltrekordler aus Uganda musste sich im Rekordrennen des Norwegers mit Platz sechs und 12:54,69 Minuten begnügen. Trotzdem muss man den 24-Jährigen weiterhin ganz oben auf der Gold-Rechnung haben. Vor allem deshalb, weil sich Jakob Ingebrigtsen in Tokio auf die 1.500-Meter-Distanz konzentriert.

Auch das äthiopische Trio Getnet Wale (12:53,28 min), Nibret Melak (12:54,22 min) und Milkesa Mengesha (12:58,28 min) rückt somit in den Vordergrund. Dabei kann es sich der äthiopische Verband sogar leisten, auf den aktuell Jahresschnellsten Hagos Gebrhiwet (12:49,02 min) zu verzichten. Der Zweite des Florenzer Rennens verpasste als Vierter über 10.000 Meter bei den Ausscheidungen in Hengelo das Tokio-Ticket. Gespannt darf man auf den Auftritt von Nicholas Kimeli sein, der die Kenia-Trials in der dünnen Luft Nairobis in 13:02,87 Minuten gewann.

Ein weiterer Medaillenkandidat kommt aus Spanien. Lauf-Aufsteiger Mohamed Katir steigerte in den vergangenen Wochen die Landesrekorde über 1.500 Meter (3:28,76 min) und 5.000 Meter (12:50,79 min). In Tokio hat er sich für den Start auf der „kurzen Langstrecke“ entschieden.

Die deutschen Farben vertritt in Japans Mega-Metropole Mohamed Mohumed. Der frisch gekürte U23-Europameister verbesserte sich dieses Jahr auf starke 13:17,04 Minuten. Eine ähnliche Zeit wird man im Vorlauf anbieten müssen, um ein Final-Ticket zu ergattern. Der letzte deutsche Läufer, dem das gelang, war vor 21 Jahren Jirka Arndt (SCC Berlin) in Sydney als Achter. mbn

DLV-Teilnehmer: Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund)
Olympiasieger 2016: Mo Farah (Großbritannien; 13:03,30 min)
Weltmeister 2019: Muktar Edris (Äthiopien; 12:58,85 min)
Weltjahresbester 2021: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen; 12:48,45 min)
 

10.000 Meter

Wer folgt auf „Sir Mo“?

Mo Farah hat es noch einmal probiert. Nach den – für seine Ansprüche – nicht optimal verlaufenden Marathon-Rennen wollte der Brite die Olympia-Qualifikation über 10.000 Meter schaffen. Doch beide Versuche des viermaligen Olympiasiegers scheiterten. So wird ein Nachfolger für den 38-Jährigen gesucht, der 2012 bei seinen „Heim-Spielen“ in London und 2016 in Rio sowohl die 5.000 als auch die 10.000 Meter gewann.

Erster Anwärter dafür ist ein noch ganz junger Langstreckler: Jacob Kiplimo (Uganda). Der Landsmann von Weltrekordler von Joshua Cheptegei ist erst 20 Jahre alt, lief aber Mitte Mai in Ostrava mit 26:33,93 Minuten bereits auf Platz sieben der ewigen Bestenliste. Natürlich ist er wie Joshua Cheptegei für beide Langstrecken gemeldet.

Gefordert werden die Beiden von einem schnellen Trio aus Äthiopien. Gleich ein Quintett blieb beim Ausscheidungsrennen in Hengelo unter der 27-Minuten-Marke. Die Qualifikation schafften Selemon Barega (26:49,51 min), Yomif Kejelcha (26:49,73 min) und Berihu Aregawi (26:50,37 min). Eine ausgefeilte Team-Taktik könnte ihnen bei der ersten Leichtathletik-Entscheidung von Tokio den entscheidenden Vorteil bringen.

Und wie steht es um die Lauf-Nation Kenia? Die schickt Rodgers Kwemoi Chumo und Weldon Langat ins Rennen. Und damit Läufer mit Außenseiterchancen auf der Suche nach einem Nachfolger für „Sir Mo“. Der ehemalige Cross- und Halbmarathon-Weltmeister Geoffrey Kamworor (27:01,06 min in der Höhe von Nairobi) muss aufgrund einer Fußverletzung kurzfristig auf den Olympia-Start verzichten. Für ihn wird Kenias 10-Kilometer-Weltrekordler Rhonex Kipruto (26:24 min) starten. Er hatte ursprünglich überraschend die Qualifikation für Olympia verpasst. mbn

DLV-Teilnehmer: keiner
Olympiasieger 2016: Mo Farah (Großbritannien; 27:05,17 min)
Weltmeister 2019: Joshua Cheptegei (Uganda; 26:48,36 min)
Weltjahresbester 2021: Jacob Kiplimo (Uganda; 26:33,93 min)
 

Marathon

Eliud Kipchoge favorisiert, DLV-Trio will überzeugen

Die Corona-Pandemie hat die Straßenlaufszene schwer getroffen. Selbst Weltklasseläufer haben in den vergangenen 16 Monaten kaum Startgelegenheiten gehabt. So ist eine Prognose schwierig, zumal nur drei Athleten pro Nation starten dürfen. Trotzdem sticht einer aus dem Feld der Marathonläufer heraus: Eliud Kipchoge, der Rio-Olympiasieger und schnellste Läufer der Geschichte.

Dazu kommen im kenianischen Team die 2:03-Stunden-Läufer Lawrence Cherono und Amos Kipruto. Lauf-Rivale Äthiopien schickt Weltmeister Lelisa Desisa, den amtierenden London-Sieger Shura Kitata und 2:03-Stunden-Läufer Sisay Lemma ins Rennen um das prestigeträchtige Olympia-Gold. Das zeigt: Es ist alles bereitet für einen „Battle Royal“ in Straßen von Sapporo.

Noch begehrter als die drei Startplätze in Kenia und Äthiopien waren diese im laufverrückten Japan. Obwohl Kengo Suzuki den Landesrekord im Frühjahr auf 2:04:56 Stunden verbesserte, gehört er nicht mit zum Trio. Dieses bilden Yuma Hattori (2:07:27 h), Shogo Nakamura (2:08:16 h) und Suguru Osako (2:05:29 h). Sie setzten sich bei den Ausscheidungsrennen durch und werden alles daransetzen, bei ihrem Heimspiel möglichst nah ran oder sogar aufs Podest zu laufen.

Auch drei deutsche Läufer sind in Sapporo dabei. Der Deutsche Rekordler Amanal Petros (2:07:18 h) hat seinen Trainingssturz im Frühjahr in Kenia gut verkraftet. Bei seiner Bestzeit vergangenen Dezember in Valencia wählte der 26-Jährige eine sehr offensive Taktik und wurde belohnt. Man darf gespannt sein, wie er am 8. August bei der letzten Leichtathletik-Entscheidung ins Rennen geht.

2016 schied Richard Ringer noch im 5.000-Meter-Vorlauf aus. Mittlerweile hat er den Umstieg auf die Straße gemeistert und läuft stabil schnelle Zeiten. Sein Olympia-Ticket sicherte er sich mit 2:08:49 Stunden. Das DLV-Trio komplettiert Hendrik Pfeiffer. Der Wattenscheider qualifizierte sich mit 2:10:18 Stunden für Tokio. Der 28-Jährge wäre schon in Rio dabei gewesen, konnte aber aufgrund einer Verletzung nicht starten. Tokio ist für ihn die ultimative Belohnung, allen Rückschlägen über so lange Zeit getrotzt zu haben. mbn

DLV-Teilnehmer: Amanal Petros (TV Wattenscheid 01), Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01), Richard Ringer (LC Rehlingen)
Olympiasieger 2016: Eliud Kipchoge (Kenia; 2:08:44 h)
Weltmeister 2019: Lelisa Desisa (Äthiopien; 2:10:40 h)
Weltjahresbester 2021: Titus Ekiru (Kenia; 2:02:57 h)
 

110 Meter Hürden

Ein großer Favorit und viele Verfolger

Der Olympiasieg von Tokio wird nur über Weltmeister Grant Holloway (USA) gehen. Das steht spätestens fest, seit der Goldmedaillen-Gewinner von Rio 2016 Omar McLeod nicht in Jamaikas Olympia-Aufgebot zu finden ist. Zwar hat er die weltweit zweitschnellste Zeit des Jahres von 13,01 Sekunden auf seinem Konto. Im Finale der Trials von Jamaika blieb der 27-Jährige jedoch schon an der ersten Hürde hängen, wurde Letzter und verpasste damit den Sprung ins Olympia-Team.

Ohne Fehl und Tadel ist dagegen Grant Holloway. 23 Rennen hat er in diesem Jahr bestritten. Alle konnte er gewinnen. Und in der Halle den Weltrekord auf 7,29 Sekunden schrauben. Im Freien fehlt ihm nur noch eine Hundertstel zur Rekordmarke des Olympiasiegers von 2012 Aries Merritt (USA; 12,80 sec). Kein anderer blieb im Olympia-Jahr unter 13 Sekunden. So geht es für seine Verfolger wie Japans stark verbesserten Shunsuke Izumiya (13,06 sec) oder Jamaikas Trials-Sieger Ronald Levy (13,06 sec) wohl nur um Silber und Bronze. Auch U20-Weltrekordler Wilhem Belocian (Frankreich) ist reif für seine erste Männer-Medaille auf der Weltbühne. Immer auf der Rechnung haben muss man darüber hinaus den Olympia-Zweiten von Rio Orlando Ortega (Spanien)

Gregor Traber hatte schon vor fünf Jahren an das Tor zum Olympia-Finale geklopft. Zwei Hundertstel fehlten dem Tübinger damals für die Top Acht. Ein ähnlich starkes Abschneiden wäre 2021 unerwartet. Denn nach einer Knie-OP ist Traber bisher erst bei 13,55 Sekunden angekommen. Damit wird zunächst der Einzug ins Halbfinale das große Ziel sein. Dort könnte der 28-Jährige befreit auflaufen – vielleicht der Schlüssel dafür, dass pünktlich in Tokio der Knoten platzt. Mit seiner Bestzeit von 13,21 Sekunden braucht er sich international nicht zu verstecken. sb

DLV-Teilnehmer: Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen)
Olympiasieger 2016: Omar McLeod (Jamaika; 13,05 sec)
Weltmeister 2019: Grant Holloway (USA; 13,10 sec)
Weltjahresbester 2021: Grant Holloway (USA; 12,81 sec)
 

400 Meter Hürden

Duell um Gold und Weltrekord

Er ist zweimaliger Weltmeister, der neue Weltrekordler und eine der bekanntesten und mitreißendsten Persönlichkeiten der Leichtathletik: Die Olympischen Spiele von Tokio könnten zur großen Bühne für Karsten Warholm (Norwegen) werden. In 46,70 Sekunden hat der 25-Jährige am 1. Juli Kevin Young (USA) an der Spitze der ewigen Weltbestenliste abgelöst. Und doch darf er sich seiner Sache in Tokio nicht zu sicher sein. Der Grund dafür ist Rai Benjamin.

Der US-Amerikaner war Ende Juni in 46,83 Sekunden im Fernduell sogar kurzzeitig am Norweger vorbeigezogen und hatte sich auch für einige Rennen in Europa angekündigt, dann aber wieder abgesagt. So werden die beiden Ausnahme-Athleten bei den Olympischen Spielen erstmals in diesem Jahr aufeinandertreffen. Gut möglich, dass bei dem Duell des Weltmeisters gegen den Vize-Weltmeister erneut der Weltrekord wackelt. Abderrahmane Samba (Katar) wird sich in seiner derzeitigen Form strecken müssen, um wie bei der WM um Bronze mitzurennen. Eher noch ist der Sprung aufs Treppchen dem Brasilianer Alison Dos Santos (47,34 sec) oder Kyron McMaster (Britische Jungferninseln; 47,50 sec) zuzutrauen. Rio-Olympiasieger Kerron Clement (USA) ist nicht am Start.

Mit den besten deutschen Aussichten geht der Deutsche Meister Constantin Preis ins Rennen. 48,60 Sekunden sind die Marke, die ihn im Olympia-Jahr bis auf Platz 16 der Welt und auf Rang sieben der ewigen deutschen Bestenliste katapultiert haben. Mit etwas Glück ist damit vielleicht sogar das Finale drin: 2016 ging der letzte Finalplatz für 48,85 Sekunden weg. Für Luke Campbell und Joshua Abuaku gilt es, sich weiter der 49-Sekunden-Grenze zu nähern. Rennen im Bereich ihrer Bestzeiten sollten reichen, um erst einmal den Vorlauf zu überstehen. sb

DLV-Teilnehmer: Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt), Luke Campbell (Eintracht Frankfurt), Constantin Preis (VfL Sindelfingen)
Olympiasieger 2016: Kerron Clement (USA; 47,73 sec)
Weltmeister 2019: Karsten Warholm (Norwegen; 47,42 sec)
Weltjahresbester 2021: Karsten Warholm (Norwegen; 46,70 sec)
 

3.000 Meter Hindernis

Endet Kenias Gold-Lauf in Tokio?

Seit 1984 haben immer Läufer aus Kenia die 3.000 Meter Hindernis bei Olympischen Spielen gewonnen, insgesamt elf Olympiasieger stellt das Land über seine Paradestrecke. Eine stolze Serie. Die aber in Tokio reißen könnte. Unter den Top Ten der aktuellen Saison findet man auf Platz zwei mit Abraham Kibiwott (8:07,81 min) nur einen Kenianer. Allerdings gab es in diesem Jahr bisher erst wenige schnelle Hindernisrennen. Kenias zuletzt stärkster Läufer, Olympiasieger und Weltmeister Conseslus Kipruto, musste sich einer Anklage erwehren und ist derzeit offenbar nur aufgrund einer Kautionszahlung auf freiem Fuß. Er zählt in Tokio nicht zum kenianischen Team.

Rar hat sich in diesem Sommer Soufiane El Bakkali gemacht. Der Marokkaner lief ganze zwei Rennen. Über 3.000 Meter Hindernis siegte er in Florenz mit 8:08,54 Minuten. Ende Mai in Doha steigerte sich der zweimalige WM-Medaillengewinner über 1.500 Meter deutlich auf 3:31,95 Minuten. Eine absolut starke Zubringerleistung!

Äthiopien schickt ein starkes Trio ins Rennen. Auch die Nummer eins der Welt, Lamecha Girma (8:07,75 min), wird dazu zählen. Der WM-Zweite hatte eigentlich die Ausscheidung in Hengelo verletzt verpasst, die der erst 18-jährige Takele Bikila Tadese in 8:09,37 Minuten gewann. Wenige Tage vor Beginn der Leichtathletik-Wettbewerbe in Tokio wurde Monaco-Sieger Lamecha Girma dann doch noch kurzfristig ins äthiopische Team berufen. Das Trio komplettiert der WM-Vierte Getnet Wale, der auch über 5.000 Meter gemeldet ist.

Der deutsche Läufer Karl Bebendorf wird am 30. Juli der erste deutsche Starter sein, der seinen Vorlauf bzw. die Qualifikation beendet hat. Der 25-Jährige reist mit einer Bestzeit von 8:23,28 Minuten nach Tokio und qualifizierte sich über die Weltrangliste für seine Olympia-Premiere. Erwischt der Deutsche Meister einen guten – weil schnellen – Vorlauf, könnte er mit seiner guten Endschnelligkeit eine Finalchance haben. Dafür müsste der Dresdner sehr wahrscheinlich in den Bereich seiner Bestleistung oder darunter laufen. mbn

DLV-Teilnehmer: Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898)
Olympiasieger 2016: Conseslus Kipruto (Kenia; 8:03,28 min)
Weltmeister 2019: Conseslus Kipruto (Kenia; 8:01,35 min)
Weltjahresbester 2021: Lamecha Girma (Äthiopien)
 

20 Kilometer Gehen

Größte Gold-Chance der Gastgeber

Die Straßen-Wettbewerbe haben das größte Potenzial, die Begeisterung der lange Olympia-skeptischen Japaner zu wecken. In den Ausdauerdisziplinen mischen die Gastgeber traditionell in der Weltspitze mit, insbesondere im 20 Kilometer Gehen der Männer gibt es sogar berechtigte Hoffnung auf Gold. Allen voran Weltmeister Toshikazu Yamanishi, aber auch der WM-Sechste Koki Ikeda und der WM-Zehnte Eiki Takahashi wollen ihren Landsleuten Edelmetall schenken.

Die vom Papier her stärkste Konkurrenz kommt aus China, mit Olympia-Gold 2012 und 2016 zuletzt obenauf. Die beiden in Rio de Janeiro (Brasilien) und London (Großbritannien) gekrönten Goldmedaillengewinner, Chen Ding und Wang Zhen, sind allerdings nicht mehr dabei. Trotzdem ist das Team stark. Kaihua Wang hat sich mit seiner Weltjahresbestzeit (1:16:54 h) auch an Position drei der ewigen Weltbestenliste gesetzt. Cai Zelin hat vor vier Jahren schon Silber in Rio de Janeiro (Brasilien) gewonnen. Seine Saisonbestzeit liegt genauso unter 1:18 Stunden wie die des erst 20-Jährigen Zhang Jun.

Wie bei der WM, als er Bronze gewann, will der Schwede Perseus Karlstrom einen Sweep der asiatischen Athleten verhindern. Das gilt auch für den unter neutraler Flagge startenden WM-Zweiten Vasiliy Mizinov.

Mit jeweils Platz fünf bei Olympia 2016 und der WM 2017 sowie Rang vier bei der WM 2019 hat Christopher Linke schon an Edelmetall geschnuppert. Auch diesmal möchte er sich wieder auf den Punkt fit präsentieren. Nils Brembach fährt mit seinem Start den Lohn für die kontinuierliche Trainingsarbeit der vergangenen Jahre ein, und für Leo Köpp ist die Premiere bei einer großen internationalen Meisterschaft der Aktivenklasse gleich eine olympische. jhr

DLV-Teilnehmer: Nils Brembach (SC Potsdam), Leo Köpp (LG Nord Berlin), Christopher Linke (SC Potsdam)
Olympiasieger 2016: Wang Zhen (China; 1:19:41 h)
Weltmeister 2019: Toshikazu Yamanishi (Japan; 1:26:34 h)
Weltjahresbester 2021: Kaihua Wang (China; 1:16:54 h)
 

50 Kilometer Gehen

Duell der Gegensätze

Erfahrung aus Europa gegen mannschaftlich stark aufgestellte Teams aus Japan und China. Oder etwas weniger charmant ausgedrückt „Alt-Herren“ gegen zum Teil deutlich jüngere Herausforderer. Der 38-jährige Matej Tóth (Slowakei) nimmt die Mission Titelverteidigung in Angriff. Beim mittlerweile 43-Jährigen Franzosen Yohann Diniz ist immer die Frage, ob er seine meist offensive Taktik ins Ziel bringt. Der Weltrekordler hat zuletzt 2019 ein Rennen über 50 Kilometer beendet. Mit 43 Jahren hat der Portugiese João Vieira bei der WM in Doha (Katar) die Silbermedaille gewonnen, mit 45 soll jetzt auch olympisches Edelmetall her. Nicht mehr um eine Medaille kämpft der 51-Jährige Spanier Jesus Angel Garcia. Er hat seit Barcelona (Spanien) 1992 keine Olympischen Spiele verpasst und übernimmt mit seinem achten Olympia-Start den alleinigen Rekord in Sachen Teilnahmen in der Leichtathletik.

Der Gastgeber schickt mit Masatora Kawano, Satoshi Maruo und Hayato Katsuki gleich drei Medaillen-Anwärter ins Rennen. Der japanische Weltmeister Yusuke Suzuki hatte wegen Formschwäche seine Teilnahme zurückgezogen. Hoch einzuschätzen ist auch das chinesische Trio Luo Yadong, Wang Qin und Bian Tongda. Der WM-Dritte Evan Dunfee (Kanada) ist ebenfalls zu beachten.

Das DLV-Team hat zuletzt bei der WM in Doha bewiesen, dass es sich auf schwierige Bedingungen einstellen kann. Carl Dohmann hatte dort den siebten Platz belegt. Ein riesen Erfolg. Der in diesem Jahr bei den ins kühlere Sapporo ausgelagerte Geh-Wettbewerben möglicherweise sogar eher Jonathan Hilbert zuzutrauen ist – bei den Deutschen Meisterschaften hatte er sich in überragender Form präsentiert und mit Bestzeit von 3:43:44 Stunden auf Platz vier der Welt katapultiert. Für ihn ist es ebenso die Olympia-Premiere wie für den dritten DLV-Athleten Nathaniel Seiler. Schon in Doha hatten sich diese Drei gemeinsam durch die Hitze gekämpft. jhr

DLV-Teilnehmer: Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden), Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie), Nathaniel Seiler (TV Bühlertal)
Olympiasieger 2016: Matej Tóth (Slowakei; 3:40:58 h)
Weltmeister 2019: Yusuke Suzuku (Japan; 4:04:20 h)
Weltjahresbester 2021: Satoshi Maruo (Japan; 3:38:42 h)

 

olympische Spiele 2021 kompakt

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