| Paralympics Tokio

Felix Streng gewinnt episches 100-Meter-Rennen

Felix Streng gewinnt episches 100-Meter-Rennen
Die 100-Meter-Sprinter auf Prothesen als Medaillensammler: Felix Streng hat die erste deutsche Goldmedaille für die deutschen Para Leichtathletik-Nationalmannschaft bei den Paralympics in Tokio gewonnen. Bronze gab es zudem für Léon Schäfer und Johannes Floors über 100 Meter. Am Vormittag hatte Niko Kappel die Kugel schon zu Platz drei gestoßen.
Nico Feißt / DBS / sb

Léon Schäfer (TSV Bayer 04 Leverkusen) wartete im Ziel und musste mit einem Offiziellen diskutieren, dass er dort bleiben durfte. Am Ende hatte er Erfolg, denn auch der 24-Jährige, der gerade Bronze über 100 Meter der oberschenkelamputierten Sprinter geholt hatte, wollte sich das folgende Rennen nicht entgehen lassen: die 100 Meter der unterschenkelamputierten Sprinter mit Prothese – und das hielt zumindest vom Spektakel her, was es versprochen hatte.

Felix Streng (Sprintteam Wetzlar), Europameister von 2018, Sherman Guity Guity aus Costa Rica, der zweifache britische Paralympics-Sieger Jonnie Peacock und Weltmeister Johannes Floors (TSV Bayer 04 Leverkusen) kamen in einem packenden Rennen nahezu zusammen auf der Ziellinie an. Streng siegte in 10,76 Sekunden, zwei Hundertstelsekunden vor Guity Guity und drei vor den zeitgleichen Floors und Peacock in 10,79 Sekunden. Ein Rennen, das immerhin Teammitglieder und die Medien im Stadion elektrisierte.

„Ich bin so happy, dass ich das nach dem Jahr geschafft habe – mit den großen Entscheidungen und den großen Veränderungen. Jetzt habe ich gezeigt, dass sich dieser Mut ausgezahlt hat“, sagte Streng, der nach acht Jahren von Leverkusen nach Wetzlar gewechselt war und mittlerweile in London trainiert: „Letztes Jahr im Oktober kam ein verrückter Deutscher nach London und hat gesagt: Ich trainiere jetzt bei euch. Das hat ein richtiges Feuer in mir geweckt. Was wir jetzt gesehen haben, sind erst die Anfänge. Das hat mich auch in meiner Persönlichkeit wachsen lassen.“ Auf Streng warten nun noch die Entscheidungen in der 4x100-Meter-Staffel und über 200 Meter.

Bronze für Floors, Schäfer und Kappel

„Scheiße, war das geil“, sagte Floors, der lange zittern musste, ob er Bronze oder Platz vier belegen würde: „Das war eines der engsten Rennen in der Geschichte, drei Hundertstel zum ersten Platz. Das war einer der spannendsten Momente, die ich je erlebt habe. Ich bin echt happy damit, ich habe von Anfang an gesagt, ich will vorne mitmischen und mit dem aktuellen Paralympics-Sieger auf Platz drei zu sein, ist mega. Ich habe mich dieses Jahr echt nur auf die 400 Meter fokussiert, dass es da richtig schnell wird, und freue mich einfach auf den 3. September.“

Léon Schäfer holte nach Silber im Weitsprung noch Bronze im 100-Meter-Sprint – und wie in seiner Hauptdisziplin kam er auch im Sprint erst spät in Fahrt. Am Ende flog er noch an zwei Konkurrenten vorbei, doch Anton Prokhorov, der für das Russische Paralympische Komitee startet, und der brasilianische Topfavorit Vinicius Goncalves Rodrigues waren schneller. Dennoch stellte der 24-Jährige mit 12,22 Sekunden eine neue Bestzeit auf – und das, obwohl er in diesem Jahr kaum Sprint trainieren konnte und sich auf den Weitsprung fokussiert hatte.

„Es war auf jeden Fall krass, ich bin beim Start nicht so gut rausgekommen“, sagte Schäfer: „Dann habe ich in der zweiten Hälfte geackert und es hat zur Medaille gereicht. Ich habe bei den Paralympics viel gelernt: Als Favorit reinzugehen und nicht als kleiner Junge, der ich in Rio war, ist ein ganz anderer Druck. Paris wird auf jeden Fall mir gehören.“

Niko Kappel mit Bronze "sehr happy"

Bronze hatte es schon am Vormittag für Niko Kappel gegeben. Der Paralympics-Sieger von Rio 2016 war angetreten, um seinen damaligen Überraschungs-Coup zu wiederholen. Am Ende reichten 13,30 Meter für Platz drei in der Klasse F41 hinter Weltmeister Bobirjon Omonov aus Usbekistan, der 14,06 Meter stieß, sowie dem US-Amerikaner Hagan Landry. „Mit meiner Leistung bin ich nicht ganz zufrieden, aber mit der Medaille bin ich sehr happy“, sagte Kappel: „Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen, dass es so geklappt hat und es nach der sehr schwierigen, ich würde fast sagen Scheiß-Saison, eine Medaille geworden ist.“

Nachdem Kappel in der Saison 2020 noch den Weltrekord auf 14,30 Meter verbessert hatte und stark in Form war, konnte er dieses Jahr verletzungsbedingt nach der EM sechs Wochen nicht mit der Kugel trainieren: „Mir hat einfach die Wettkampf-Routine gefehlt. Es war dennoch mehr drin, weil niemand so richtig in Fahrt gekommen ist.“

Merle Menje hatte in ihrem vierten Start bei den Paralympics wieder überzeugt: Über 1500 Meter zog sie in der Klasse T54 in 3:36,46 Minuten als Dritte ihres Vorlaufs in das Finale am Dienstag ein. „Ich fühle mich gut, es hat sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich, dass es fürs Finale gereicht hat“, sagte die 17 Jahre junge Rennrollstuhlfahrerin.

Böttger und Baldé enttäuscht

Enttäuscht nach ihren Wettkämpfen waren Marcel Böttger (BSG Bad Oeynhausen) im Weitsprung und Rennrollstuhlfahrer Alhassane Baldé (SSF Bonn). „Ich bin einfach nicht in den Wettkampf gekommen, das Brett hat gefehlt“, sagte Böttger, der bei großen Wettkämpfen aufgrund seiner Sehbehinderung aus einer Zone und nicht von einem Brett abspringt: „Den Rest muss man als Erfahrung abhaken.“ Nach seiner unglücklichen Disqualifikation über 100 Meter mit Guide Alexander Kosenkow kam der 28-Jährige in der Klasse T12 mit 5,61 Metern nur auf den zehnten Platz, sagte aber dennoch: „Meine Spiele waren positiv, es ist schön, dabei gewesen zu sein. Aber die Ergebnisse sind nicht das, was wir erwartet haben. Ich habe jetzt gemerkt, wie es hier läuft und nehme die Erfahrung mit, dass wir Richtung Paris noch Arbeit vor uns haben.“

Alhassane Baldé hatte sich nach seinem frühen Aus über 5.000 Meter für seine Paradestrecke, die 1.500 Meter, einiges vorgenommen. Doch vom Start weg konnte er sich nur hinten im Feld aufhalten und schied als Zehnter seines Vorlaufs in 2:58,92 Minuten aus. „Es war ein schweres Rennen, ich merke, dass ich aus irgendeinem Grund noch nicht die Leichtigkeit habe, wie ich sie auch im Training hatte. Dass es ein Flow ist von meinen Bewegungen, von meinen Muskeln – dann kann man das auch in Speed umwandeln. Ich habe gekämpft, ich habe geackert von Anfang an, obwohl das Tempo moderat war. Bei so einem Weltklasse-Feld muss man einen höheren Speed generieren. Das konnte ich nicht und das nervt mich natürlich absolut.“

Katrin Müller-Rottgardt (TV Wattenscheid 01) schied mit ihrem Guide Noel-Philippe Fiener nach einem Fehlstart über 400 Meter der Klasse T12 aus und fokussiert sich nun auf die 100 und 200 Meter.

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