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LANGHÜRDEN FRAUEN | Carolina Krafzik dominiert mit schnellster deutscher Zeit seit 21 Jahren

Deutschlands Leichtathleten sprinten, laufen, gehen, springen, werfen und stoßen wieder! Leider 2021 aufgrund der fortwährenden Corona-Pandemie oft noch ohne Zuschauer. Aber auf der Ebene des Kader- und Leistungssports schon wieder mit fast allen hochkarätigen Wettkämpfen. Und schließlich auch mit den Olympischen Spielen in Tokio, die unter ganz besonderen Bedingungen stattfanden. Wir blicken zurück und ordnen, jeweils eingeleitet durch Interviews mit den Leitenden Bundestrainer:innen der Disziplingruppen, die Leistungen ein. Heute: Langhürden der Frauen
Svenja Sapper

Im Video: Interview mit dem Leitenden Bundestrainer Sprint Ronald Stein

Das ist 2021 passiert

Eine Athletin machte die 400 Meter Hürden in diesem Jahr zur One-Woman-Show: Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) lieferte gleich sieben der zehn schnellsten Zeiten einer deutschen Langhürdlerin ab. Los legte sie Ende Mai bei der Team-Europameisterschaft im polnischen Chorzów, wo sie in 55,71 Sekunden ihre damalige Bestzeit nur um sieben Hundertstelsekunden verfehlte und Rang zwei belegte. Bereits ein Wegweiser für den Rest der Saison, der zeigte, dass sich die 26-Jährige auch vor der europäischen Konkurrenz nicht verstecken muss.

Anfang Juni glänzte Deutschlands beste Langhürdlerin bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig gleich zweimal mit Bestzeit und unterbot im Finale in 54,89 Sekunden als erste Deutsche seit 2006 die 55-Sekunden-Marke. Die Krönung ihrer Saison folgte schließlich bei den Olympischen Spielen in Tokio (Japan): Im Vorlauf verbesserte sich Krafzik auf 54,72 Sekunden, die schnellste Zeit einer Deutschen, seit Ulrike Urbansky im Jahr 2000 zwei Hundertstelsekunden flotter gewesen war. Im Halbfinale blieb die Sindelfingerin in 54,96 Sekunden zum dritten Mal in weniger als zwei Monaten unter 55 Sekunden und war schließlich auch noch Teil der 4x400-Meter-Staffel, die zwar die schnellste deutsche Zeit seit 2010 rannte, aber das Finale knapp verfehlte.

Außer Carolina Krafzik konnte jedoch keine Athletin glänzen. Das DM-Podium komplettierten in Braunschweig mit Respektabstand zur überlegenen Siegerin die frühere Deutsche Meisterin Christine Salterberg (LT DSHS Köln) und die Wattenscheiderin Djamila Böhm. Einen großen Sprung nach vorne gemacht hat Eileen Demes (TV Neu-Isenburg): Die U20-WM-Vierte von 2016 verbesserte ihren fünf Jahre alten Hausrekord (57,13 sec) Anfang September auf 56,69 Sekunden und war damit deutlich zweitschnellste Langhürdlerin des Jahres. Ob ihre Entwicklung sich im kommenden Jahr fortsetzt, wird sich zeigen. Zu wünschen wäre es der lange verletzungsgeplagten Athletin in jedem Fall.

Im Nachwuchsbereich machte vor allem ein Multitalent auf sich aufmerksam: Lara-Noelle Steinbrecher (SC Magdeburg) führt die deutsche Jahresbestenliste der U20 sowohl über 400 Meter flach als auch über 400 Meter Hürden (58,68 sec) an und holte sich neben dem Hürden-Sieg bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock auch den Titel über 200 Meter. Bei der U20-EM in Tallinn (Estland) setzte sie jedoch auf die Flachstrecke und nahm Staffel-Gold sowie Platz fünf im Einzel mit nach Hause.

U23-EM-Starterin Melanie Böhm (LG Neckar-Enz) hatte in der estnischen Hauptstadt weniger Glück: Für sie war nach einem Sturz im Vorlauf vorzeitig Endstation. Mit Rang vier in der deutschen Jahresbestenliste hat sie den Anschluss zu den ersten Verfolgerinnen von Carolina Krafzik jedoch bereits geschafft. 

Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
U20-EM – 
U23-EM –  – 
Olympische Spiele  –  – 

Unser "Ass des Jahres"

Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen)

Zehnte bei den Olympischen Spielen
Schnellste deutsche Zeit seit 2000
Dritter deutscher Meistertitel in Folge

Unser "Talent des Jahres"

Lara-Noelle Steinbrecher (SC Magdeburg)

Deutsche Jahresschnellste der U20
Deutsche U20-Meisterin

Die deutschen Top Ten 2021

Zeit Athletin Jahrgang Verein
54,72 sec Carolina Krafzik 1995 VfL Sindelfingen
56,69 sec Eileen Demes 1997 TV 1861 Neu-Isenburg
57,75 sec Melanie Böhm 2000 LG Neckar-Enz
57,85 sec Djamila Böhm 1994 TV Wattenscheid 01
58,04 sec Christine Salterberg 1994 LT DSHS Köln
58,14 sec Elena Kelety 1999 LT DSHS Köln
58,33 sec Annina Fahr 1993 TuS Gottmadingen
58,41 sec Karolina Pahlitzsch 1994 LG Nord-Berlin
58,56 sec Lea Ahrens 1998 VfL Eintracht Hannover
58,66 sec Karoline Maria Sauer 1997 TSV Gomaringen

Statistik –  Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 400 Meter Hürden

Jahr =/< 56,00 sec* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 2 55,88 56,25 57,71
2006 1 56,02 56,54 57,59
2007 3 55,58 56,29 57,51
2008 1 56,69 57,16 57,69
2009 2 56,17 56,47 57,15
2010 1 56,21 56,49 57,37
2011 57,14 57,34 57,37
2012 57,01 57,29 57,84
2013 57,52 57,86 58,33
2014 56,70 57,07 57,85
2015 56,89 57,43 58,01
2016 57,02 57,38 57,85
2017 1 56,54 57,24 58,13
2018 57,12 57,62 58,47
2019 1 56,16 56,43 57,50
2020 2 56,02 56,69 58,02
2021 1 56,39 57,01 57,72

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 55,59 (C. Marx) 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69
2006 54,80 (C. Marx) 53,14 (Nosova/RUS) 1,66 53,02 (Demes/USA) 1,78
2007 55,21 (U. Urbansky) 53,50 (Pechonkina/RUS) 1,71 53,28 (Williams/USA) 1,93
2008 55,73 (J. Tilgner) 53,84 (Danvers/GBR) 1,89 52,64 (Walker/JAM) 3,09
2009 55,71 (J. Tilgner) 53,95 (Morosanu/ROU) 1,76 52,42 (Walker/JAM) 3,29
2010 55,49 (F. Kohlmann) 52,92 (Antyukh/RUS) 2,57 52,82 (Demus/USA) 2,67
2011 56,97 (C. Klopsch) 53,29 (Hejnova/CZE) 3,68 52,47 (Demus/USA) 4,50
2012 56,27 (T. Kron) 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57
2013 56,83 (C. Klopsch) 52,83 (Hejnova/CZE) 4,00 52,83 (Hejnova/CZE) 4,00
2014 56,02 (C. Klopsch) 54,39 (Child/GBR) 1,63 53,41 (Spencer/USA) 2,61
2015 56,55 (C. Klopsch) 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05
2016 56,19 (J. Baumann) 53,55 (Petersen/DEN) 2,64 52,88 (Muhammad/USA) 3,31
2017 55,72 (J. Baumann) 53,93 (Hejnova/CZE) 1,79 52,64 (Muhammad/USA) 3,08
2018 56,54 (D. Böhm) 54,33 (Sprunger/SUI) 2,21 52,75 (McLaughlin/USA) 3,79
2019 55,64 (C. Krafzik) 54,06 (Sprunger/SUI) 1,58 52,16 (Muhammad/USA) 3,48
2020 55,53 (J. Baumann) 53,79 (Bol/NED) 1,74 53,79 (Bol/NED) 1,74
2021 54,72 (C. Krafzik) 52,03 (Bol/NED) 2,69 51,46 (McLaughlin/USA) 3,26

Das fällt auf: 

  • Beinahe zwei Sekunden trennen die Deutsche Meisterin und Jahresschnellste Carolina Krafzik von der zweitschnellsten Langhürdlerin Eileen Demes. Noch nie seit dem Beginn unserer Aufzeichnungen klaffte eine derart große Lücke zwischen den zwei schnellsten 400-Meter-Hürden-Läuferinnen.
  • Der Rücktritt der früheren WM- und Olympia-Teilnehmerin Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen), die 2020 noch die deutsche Jahresbestenliste anführte, macht sich bemerkbar: Obwohl Carolina Krafzik die schnellste deutsche Zeit seit 21 Jahren ablieferte, ist der nationale Schnitt der Top Drei und Top Fünf schwächer als in den Vorjahren.
  • Einige Athletinnen, darunter die frühere Deutsche Meisterin Christine Salterberg und die deutsche Jahresschnellste von 2018 Djamila Böhm, konnten nicht an ihre Form der Vorjahre anknüpfen: Zwar schafften sie es bei den Deutschen Meisterschaften hinter Carolina Krafzik aufs Treppchen, aber sind in der deutschen Jahresbestenliste nur auf den Rängen fünf und sechs zu finden.
  • Zwar in den deutschen Top Ten, aber international nach einem Staffeleinsatz bei den World Relays für die Schweiz startberechtigt ist Annina Fähr. Eingang in die Bestenliste finden nur ihre Resultate, die sie gemäß offizieller Ergebnisliste in Deutschland für ihren deutschen Verein TuS Gottmadingen erzielt hat.
  • Trotz Carolina Krafziks deutlicher Steigerung sind die europäische und die Weltspitze weit enteilt: Sydney McLaughlin, Dalilah Muhammad und Femke Bol waren in diesem Jahr eine Klasse für sich. Alle drei Athletinnen unterboten den bisherigen Weltrekord von Muhammad (52,16 sec), was für die erst 21 Jahre alte Bol Europarekord bedeutete.
  • Dennoch ist Carolina Krafzik Europas Spitze nähergekommen: Sie belegt Rang neun in der europäischen Jahresbestenliste, deren Top Ten hinter Bol und den beiden Ukrainerinnen Anna Ryzhikova (52,96 sec) und Viktoriya Tkachuk (53,76 sec) sich im Bereich der 54-Zeiten bewegt. Ein Einzug ins EM-Finale im kommenden Jahr in München scheint damit in Reichweite.

leichtathletik.TV-Clips:

400 Meter Hürden

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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