| Familiengeschichte

Drei Benfares-Schwestern eifern für Deutschland den Erfolgen des Vaters nach

Die drei Schwestern Selma, Sara und Sofia Benfares haben die deutsche und die französische Staatsbürgerschaft. Trainiert werden sie von ihrem Vater Samir, der früher selbst ein erfolgreicher Läufer war. Künftig wollen die drei Athletinnen international für Deutschland starten. Selma Benfares, mit 22 Jahren die Älteste der Schwestern, wird am Wochenende bei der Cross-EM in Dublin als erste von ihnen das DLV-Trikot tragen.
Manuel Keil

Beim Sparkassen-Cross in Pforzheim belegte Selma Benfares vor zehn Tagen in der U23-Wertung den zweiten Platz. Die Läuferin vom LC Rehlingen sicherte sich damit nicht nur ihr EM-Ticket für Dublin (Irland, 12. Dezember), sondern zugleich ihrer laufbegeisterten Familie den ersten Startplatz im deutschen Nationaltrikot. „Ich habe mich riesig über meine Qualifikation gefreut und bin unheimlich stolz für Deutschland zu starten“, verriet die 22-Jährige, nachdem die Nominierung offiziell war.

Begleitet wird sie dieses Mal noch nicht von ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Sara – obwohl diese in Pforzheim als U23-Siegerin sogar knapp acht Sekunden vor ihr im Ziel war. Sara Benfares muss jedoch noch auf ihr internationales Startrecht für Deutschland warten, weil sie als Jugendliche bereits zweimal für Frankreich an internationalen Meisterschaften teilgenommen hatte. „Es war wieder mein erster Crosslauf seit langer Zeit, und ich habe mich gefreut, dass ich die Möglichkeit hatte, mit Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh laufen zu können“, sagte Sara Benfares nach dem Rennen. Ihr nächstes Ziel: Die Cross-DM am 18. Dezember in Sonsbeck.

Auch die jüngste der drei Benfares-Schwestern Sofia (17) hatte vor Pforzheim gehofft, als U18-Athletin vielleicht schon einen Platz im U20-Team für die Cross-EM zu ergattern. Als Achte musste sie aber doch anderen Konkurrentinnen noch den Vortritt lassen. „Es war nicht mein Tag, meine Beine wollten einfach nicht schneller laufen, und die anderen waren besser. Ich freue mich aber schon auf das nächste Mal. Ich weiß, dass ich besser laufen kann“, lautete ihr Fazit.

Eltern lernen sich im Trainingslager kennen

Nicht nur das Talent und die Freude am Laufen haben die Schwestern gemeinsam: Trainiert werden alle Drei von ihrem Vater Samir Benfares. Dieser war selbst einst ein Weltklasse-Mittelstreckenläufer mit einer 1.500-Meter-Bestzeit von 3:35,99 Minuten. In seiner aktiven Karriere hatte er 15 internationale Einsätze für Frankreich und schaffte es 1995 bei der WM in Göteborg (Schweden) ins Halbfinale.

Heute arbeitet der inzwischen 53 Jahre alte Franzose als Architekt. Seine Frau Béatrice Benfares (geb. Röh) ist Deutsche, unterrichtet ihre Muttersprache als Lehrerin und war früher beim TSV Bayer 04 Leverkusen ebenfalls als Mittelstrecklerin über 1.500 Meter aktiv (PB: 4:21,76 min). Die Beiden lernten sich während eines Höhentrainingslagers in Font-Romeu in den französischen Pyrenäen kennen. Der Lebensmittelpunkt der Familie Benfares in Frankreich ist der kleine Ort Thomery bei Fontaineblau in der Nähe von Paris.

Bis heute zieht es die Benfares' zweimal im Jahr zu Trainingslagern nach Font-Romeu, dem Ausgangsort ihrer Familiengeschichte. Zur Familie gehört neben den drei Schwestern auch noch der jüngere Bruder Elias (14 Jahre), der selbst aber keinen Laufsport betreibt. Er begleitet seine Schwestern stattdessen regelmäßig mit dem Fahrrad beim Lauftraining oder stoppt die Zeiten. „Er ist eher gemütlich“, scherzt Selma. „Selbst macht er zwar keinen Sport, unterstützt uns aber immer.“

Über Umwege zur Leichtathletik und zum Laufen

Bei der Laufvergangenheit der Eltern könnte man meinen, dass auch Selma, Sara und Sofia von Beginn an eine Verbindung zum Laufen hatten. Sie wussten aber selbst lange gar nichts von den Erfolgen ihres Vaters. „Er wollte zuerst auch gar nicht, dass wir mit der Leichtathletik anfangen“, erinnert sich Sara. Stattdessen haben alle zuerst gemeinsam andere Sportarten wie Schwimmen, Reiten und Tennis ausprobiert, bevor sie zur Leichtathletik kamen.

Als Selma etwa zehn Jahre alt war, ging das Training im Verein los. Für sie war Laufen schnell das, was „am besten gepasst hat“. Sara war schon in der Schule im Vergleich zu ihren Freunden immer die Schnellste und in Wettkämpfen auf der Mittel- und Langstrecke am erfolgreichsten. Die jüngste Schwester Sofia schloss sich als letzte mit elf Jahren einem Verein an und probierte dort zunächst alles aus, sogar einmal den Dreisprung.

In Frankreich starten alle für den CA Montreuil, den früheren Verein ihres Vaters, den er heute als Vorsitzender leitet. Das Training seiner Töchter übernahm er aber erst vor einigen Jahren, als neben dem reinen Spaß auch der Leistungsgedanke hinzukam. Heute nennen alle ihren Vater als ihr sportliches Vorbild und sind froh, ihn als Trainer zu haben. „Weil er selber gelaufen ist, versteht er uns auch immer“, findet Selma. „Wir sind ein richtig gutes Team und alle auf derselben Wellenlänge“, ergänzt Sara. Die Umfänge von Sofia (bis zu sechs Einheiten und 70 km pro Woche) sind zwar noch deutlich geringer sind als bei Selma und Sara (bis zu zehn Einheiten und 100 km pro Woche), dennoch trainieren sie so viel wie möglich gemeinsam.

Pharmaziestudium in Saarbrücken

Allerdings sind die gemeinsamen Einheiten zuletzt weniger geworden, weil die beiden älteren Schwestern inzwischen in Saarbrücken Pharmazie studieren. Selma schon seit April 2020, Sara seit diesem Semester. Der Studienort im Saarland liegt nahe, weil beide in Deutschland schon seit 2016 für den LC Rehlingen starten, Sofia folgte im Jahr 2017. Dort ist die Familie auf der Suche nach einem deutschen Verein fündig geworden, um ihren Kindern einen DM-Start zu ermöglichen. Béatrice Benfares kannte aus Leverkusen bereits den im Saarland tätigen DLV-Trainer Adi Zaar. Und auch Samir Benfares war der Verein bekannt, seitdem er dort im Jahr 2000 beim dortigen Pfingstsportfest über 1.500 Meter gestartet war.

Die DM-Premiere der Töchter folgte 2016, als Selma in der U18 Fünfte über 1.500 Meter wurde – und damit drei Plätze besser war als Sara zwei Jahre später bei ihrem DM-Debüt. Seitdem sammelte jedoch Sara die meisten Erfolge. 2018 startete sie bei der Cross-EM als 17-Jährige erstmals für Frankreich. Ein Jahr später holte sie ihren ersten DM-Titel in der U20 über 1.500 Meter – „einer der schönsten Wettkämpfe bisher“ – und trat bei der U20-EM in Boras (Schweden) über 1.500 Meter erneut für ihr Geburtsland Frankreich an. Noch nicht klar war ihr damals, dass das zu Problemen beim Wechsel des internationalen Startrechts führen würde.

Warten auf die Freigabe des internationalen Startrechts

„Ich hatte eigentlich schon immer vor, später in der Frauenklasse für Deutschland zu laufen. Ich dachte, ich kann ohne Probleme wechseln, weil ich nur in der Jugend für Frankreich gestartet bin. Das war damals etwas missverständlich und ging nach der Qualifikation für die Cross-EM einfach zu schnell“, sagt Sara heute. Die endgültige Entscheidung für Deutschland fiel diesen März nach der knapp verpassten Qualifikation für die Hallen-EM. Dass sie im Sommer nicht wie geplant bei der U23-EM in Tallinn (Estland) für den DLV starten durfte, weil der französische Verband vorher die sofortige Freigabe für einen Wechsel verweigert hatte, erfuhr sie erst unmittelbar vor den Titelkämpfen.

„Ich hätte in Tallinn nur für Frankreich starten können und habe mich dann trotz Medaillenchancen gegen einen Start entschieden. Das gab es glaube ich noch nicht so oft auf der Welt“, berichtet sie stolz. Dennoch kann sie auf eine starke Saison zurückblicken, mit U23-DM-Gold und DM-Bronze über 1.500 Meter. Ihre Bestleistung von 4:07,30 Minuten stellte sie beim Diamond League Meeting in Monaco auf. Die starke Leistungsentwicklung führt sie auch darauf zurück, dass sie insgesamt schon viermal mit ihrer Schwester Sofia in Iten im Trainingslager war. „Dort ist es immer richtig warm. Das ist ideal und man merkt gar nicht die Höhe“, schwärmt sie von den Trainingsbedingungen in Kenia.

Traum vom gemeinsamen Olympia-Start

Die dreijährige Wechselsperre von Sara Benfares läuft am 20. Juli 2022 aus, während der Weltmeisterschaften in Eugene (USA, 15. bis 24. Juli). Dort würde sie gerne über 5.000 Meter starten, und bei der anschließenden EM in München (15. bis 21. August) über 1.500 Meter. „Die geforderten Zeiten traue ich mir zu, aber in Deutschland gibt es einen sehr harten Konkurrenzkampf. Bisher bin ich erst Sechste über 5.000 Meter und Fünfte über 1.500 Meter“, ordnet sie ihre Chancen ein. Während der Hallensaison sind Starts über ihre Lieblingsstrecken 1.500 und 3.000 Meter geplant. Der Fokus liegt aber auf dem Sommer.

Das ganz große Ziel der 20-Jährigen sind die Olympischen Spiele 2024 in Paris quasi vor der eigenen Haustür ihres Heimatortes. Als Traum nennt sie sogar eine Medaille über 5.000 Meter. Ein Traum für die ganze Familie wäre es, wenn Sara in Paris gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Sofia an der Startlinie steht.

Auch Sofia Benfares hat die Olympischen Spiele als Ziel ausgegeben, nennt bisher aber noch die nicht-olympischen 3.000 Meter ihre Lieblingsstrecke. Da die 17-Jährige in dieser Saison mit einer schweren und zu spät diagnostizierten inneren Infektion zu kämpfen hatte, konnte sie 2021 nur zwei Freiluft-Wettkämpfe – beide schon unter dem Einfluss der Infektion – absolvieren. In den letzten Wochen stellte sie ihr Ausdauertalent dann wieder unter Beweis: Auf der Straße stellte sie in 16:41 Minuten einen französischen U18-Rekord über fünf Kilometer auf, über 10 KIlometer sicherte sie sich in 34:45 Minuten den deutschen U18-Titel. In der Hallensaison wird sie sich auf 3.000 Meter konzentrieren. Im Sommer hofft sie dann auf ihren ersten Einsatz im DLV-Trikot. „Dann will ich zur U20-WM nach Cali!“

Im Saarland betreut von Aline und Adi Zaar

Sofia Benfares besucht im Moment in Frankreich die letzte Schulklasse vor dem Abitur und möchte später Medizin in Deutschland studieren – am liebsten auch im Saarland, um wieder öfter bei ihren Schwestern zu sein. Vor Wettkämpfen in Deutschland hat sie diese schon mehrmals in Saarbrücken besucht und wohnt dann bei ihrer Schwester Sara im Haus der Athleten am Olympiastützpunkt. Auch Vater Samir schaut samstags regelmäßig im Training vorbei.

Unter der Woche begleitet DLV-Stützpunkttrainer und Team-Manager Lauf Adi Zaar mit seiner Frau Aline das Training. Um alles optimal abzusprechen, durchzuführen und zu erfassen, haben sie mit den Eltern die WhatsApp Gruppe „Team 2024-2028“ gegründet. Zu den Trainingspartnern von Selma und Sara gehören die Athleten aus der Trainingsgruppe von Aline Zaar, die als Landestrainerin im Saarland für den Bereich Lauf zuständig ist.

Selma Benfares: Studium im Fokus

Verglichen mit ihren beiden jüngeren Schwestern klingen von Selma Benfares dagegen eher bescheiden. „Ich will einfach auf ein gutes Level kommen. Mein Studium bleibt aber weiter im Fokus“, sagt die 22-Jährige. 2020 musste sie nach dem Beginn des Pharmaziestudiums ihr Training reduzieren und absolvierte kaum noch Wettkämpfe. „Jetzt kann ich mich besser organisieren und habe zuletzt auch parallel zum Training alle Klausuren geschafft“, freut sie sich. Ihre Erfahrungen kann sie auch an Sara weitergeben, deren erster Kommentar zum bisherigen Pharmaziestudium „sehr viel Arbeit“ lautet.

Auch was die Interessen in der Freizeit angeht, sind sich die drei Schwestern ähnlich. Während Selma sich gerne Netflix-Serien ansieht oder ein Buch liest, zählt das Lesen auch zu den Hobbys von Sara und Sofia – die jüngere steht eher auf Fantasy, die ältere kann sich ganz besonders für Philosophie begeistern. In den kommenden Jahren wollen sie aber auf der Laufbahn zunächst einmal selbst für Schlagzeilen sorgen, von denen dann die deutschen – und französischen – Leichtathletik-Fans lesen können.

Athletin Strecke PB (Freiluft/Halle) Erfolge
Selma Benfares (1999) 800 m 2:14,41 min (2017)  
  1.500 m 4:33,22 min (2017)  
  3.000 m 9:52,52 min (2021)  
  5 km 16:52 min (2021)  
  10 km 34:53 min (2021) 1. DM U23 Mannschaft (2021)
4. DM U23 (2021)
Sara Benfares (2001) 800 m 2:08,54 min (2020)
2:06,32 min (2021)
 
  1.500 m 4:07,30 min (2021) U20-EM-Start (2019)
1. U20-DM (2019)
1. U23-DM (2021)
3. DM (2021)
  3.000 m 9:03,09 min (2021)
9:01,43 min (2021)
NR U23 FRA
  5.000 m 15:40,97 min (2021) NR U20 FRA
  5 km 16:34 min (2020)  
  10 km 33:26 min (2020)  
      Cross-EM-Start U20 (2018)
Sofia Benfares (2004) 800 m 2:18,17 min (2020)  
  1.500 m 4:39,96 min (2021)  
  3.000 m 9:59,20 min (2020)
9:35,64 min (2021)
 
  5 km 16:41 min (2021) NR U18 FRA
  10 km 34:45 min (2021) 1. U18-DM (2021)
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