| Interview der Woche

Hendrik Pfeiffer: „Es war ein Temperaturschock“

Mit dem überlegenen Gesamtsieg und deutschen Meistertitel begeisterte Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01) am Wochenende beim 30. Hannover Marathon. Dazu blieb er mit 2:10:59 Stunden unter der Norm für die Welt- und Europameisterschaften in diesem Jahr. Im Interview berichtet er über den Temperaturschock zwischen Kenia und Hannover und für welchen Saisonhöhepunkt er sich entscheiden wird.
Birte Grote

Hendrik Pfeiffer, herzlichen Glückwunsch zu diesem starken Rennen heute. Was bedeuten Ihnen der Titel und die Zeit?

Hendrik Pfeiffer:

Es ist einer der größten Erfolge meiner Karriere, weil ich im Erwachsenenbereich noch nie einen DM-Titel gewonnen habe. Und gleichzeitig kann ich mir mit der Zeit relativ sicher sein, dass es für die EM in München reichen wird. Das sind zwei wichtige Ziele für mich gewesen. Darüber bin ich einfach glücklich, vor allem weil die Bedingungen schwierig waren und ich trotzdem meiner Bestzeit von Sevilla [Anm. d. Red. 2:10:18 h; 2020], als die Voraussetzungen perfekt waren, recht nahgekommen bin. Ich habe gezeigt, dass ich in Topform bin und man auch bei Wind und Kälte gute Leistungen bringen kann.

Wie ist das Gefühl, als Gesamtsieger durch das Ziel zu laufen?

Hendrik Pfeiffer:

Das ist auch richtig cool. Ich kenne das Gefühl schon, weil ich zweimal den Köln-Marathon gewonnen habe, aber hier in Hannover ist das noch einmal eine Ecke größer, weil hier auch Kenianer mit 2:09-Stunden-Bestzeiten dabei waren. Das heißt, ich habe mich auch gegen die durchgesetzt. Man erntet jetzt die Früchte der harten Arbeit der vergangenen Monate.

Die Wetterbedingungen waren heute ein großes Thema. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?

Hendrik Pfeiffer:

Es war kühl, aber es war nicht zu kühl. Ich bin Kälte gewohnt. Bei meinem ersten Marathon in Düsseldorf waren es auch nur drei Grad. Was es schwieriger gemacht hat, war der Wind. Der hat auf der zweiten Streckenhälfte ordentlich aufgefrischt. Und da ich bei Kilometer 30 allein war, sind zehn Kilometer allein gegen den Wind ein langes Stück. Aber es war doch alles sehr kontrolliert und ich konnte es genießen.

Wenn man gerade erst aus der Wärme aus Kenia zurückgeflogen kommt, spürt man die Kälte doch bestimmt noch mehr?

Hendrik Pfeiffer:

Es war schon ein Temperaturschock, denn als ich am Freitag zurückgekommen bin, bin ich mit dem ICE durch eine Schneelandschaft gefahren. Da habe ich gedacht: Das ist jetzt eigentlich ein bisschen zu viel des Guten. Aber ich habe der Wettervorhersage für den heutigen Sonntag vertraut, denn es war ja zumindest Sonnenschein vorausgesagt.

Haben Sie trotz der Kälte gut in das Rennen hineingefunden?

Hendrik Pfeiffer:

Es war etwas problematisch, dass die Kilometerschilder nicht gestimmt haben und mal zu weit und mal zu nah auseinander standen. Das hat es für die Tempomacher nicht leicht gemacht. Mein Trainer hat dann vom Rand zugerufen, ob wir zu schnell oder zu langsam waren. Nach unseren Zeiten sind wir einen Kilometer in 3:20 Minuten und einen in 2:40 Minuten gelaufen, damit kann man dann nicht viel anfangen. Aber ansonsten war alles gut und vor allem die Tempomacher haben einen super Job gemacht.

Wie hat sich die zweite Rennhälfte angefühlt?

Hendrik Pfeiffer:

Die letzten zwölf Kilometer liefen gut, auch wenn ich allein gelaufen bin. Ich wusste auch nicht, ob die „projected time“ vom Auto an die Kilometerschilder angelegt ist und ob es nun stimmt. Gefühlt habe ich Gas gegeben, laut des Autos bin ich langsamer geworden. Aber es war immer alles unter Kontrolle, dass es eine gute Zeit werden wird.

Wo sehen Sie auf der Marathon-Strecke Ihre Stärken und Schwächen?

Hendrik Pfeiffer:

Meine Stärke ist auf jeden Fall der Kopf. Mental kriege ich das immer gut verpackt. Und ich habe auch schon immer eine gute Ausdauer gehabt. Auf den 10.000 und 5.000 Metern kann ich noch einiges an Geschwindigkeit herausholen. Aber die langen Strecken gut und auch mental zu bewältigen, habe ich schon immer gut geschafft.

Sie haben im Vorfeld des Rennens gesagt, Sie hätten ihre Hausaufgaben gemacht. Wie sehen ihre Marathon-Hausaufgaben denn konkret aus?

Hendrik Pfeiffer:

Marathontraining lebt davon, dass man über zwölf Wochen oder länger konsequent das Training und die Umfänge hochhält und trotzdem noch gute Tempoläufe absolviert. Das durchzuziehen ist immer die Herausforderung, gerade in den Wochen acht bis zwölf. Aber das ist mir dieses Mal gut gelungen. Ich hatte einen Kilometerumfang von durchschnittlich 180 Kilometern pro Woche. Das war noch einmal deutlich mehr als bei meinen besten Vorbereitungen bisher. Das heißt, ich hatte wenig Ausfälle. Das meine ich mit ‚Hausaufgaben machen‘.

Fällt Ihnen die Vorbereitung in Kenia leichter als in Deutschland?

Hendrik Pfeiffer:

Nein, das fällt mir nicht leichter, aber es ist effektiver. Kenia ist immer auch ein großes Leiden da oben, aber ich weiß, dass es sich auszahlt. Das war jetzt mit drei Monaten auch mein längster Aufenthalt dort.

Sie haben schon gesagt, dass Sie sich für die Europameisterschaften in München und gegen die Weltmeisterschaften in Eugene entschieden haben. Welche Argumente haben die Entscheidung beeinflusst?

Hendrik Pfeiffer:

Ich bin jetzt wahrscheinlich in der komfortablen Situation, dass ich mich entscheiden darf. Und wie die meisten bin auch ich der Meinung, dass eine Europameisterschaft im eigenen Land eine solche Strahlkraft hat, dass ich sie der WM vorziehen würde. 2018 hatte ich mich für Berlin qualifiziert, war dann aber verletzt, deswegen möchte ich nun dieses ganz besondere Erlebnis vor heimischem Publikum erleben. Dazu kommt, dass wir dieses Mal eine Mannschaft haben, die so stark ist wie noch nie. Wir können da eine Medaille holen, wenn es gut läuft.

Die Entscheidung für die Europameisterschaften ist also unabhängig von der Startzeit in der möglichen Mittagshitze gefallen?

Hendrik Pfeiffer:

Ich bin immer noch zuversichtlich, dass die Offiziellen, die das entscheiden, am Ende einen gesunden Menschenverstand haben und dieser siegen wird. Ich kann nachvollziehen, dass die TV-Übertragungszeiten eine Rolle spielen. Aber im August ist die Gefahr eines Hitzerennens einfach zu groß. Und wir wollen doch alle schnelle Zeiten sehen und die sehen wir halt nicht bei 30 Grad. Ich habe in Tokio schon ein Hitzerennen miterlebt, in dem es nicht um schnelle Zeiten ging, sondern einfach nur irgendwie darum durchzukommen. Ich habe gesehen, wie viele Läufer in Doha oder Tokio kollabiert sind und das ist einfach nicht nötig. Die Gesundheit sollte im Vordergrund stehen.

Wie sieht die weitere Saisonplanung aus?

Hendrik Pfeiffer:

Ich habe mich bewusst noch gar nicht damit beschäftigt. Ich wollte erst einmal die Qualifikation holen. Ich möchte gerne noch ein paar Wettkämpfe mitmachen, kleinere und größere Straßenläufe. In Paderborn in zwei Wochen werde ich meine Freundin, die auch mit mir zwei Monate in Kenia war, auf zehn Kilometern pacen. Da gibt es eine Reihe von Läufen, die ich auf dem Schirm habe. Wenn ich die Gelegenheit habe, noch einmal nach Kenia zu fliegen, würde ich es machen. Da habe ich gute Erfahrungen gemacht und denke: Never change a winning team. Aber ich warte erst einmal ab, wie die Planung der Nationalmannschaft aussieht.

Mehr:
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