| Interview der Woche

Katharina Steinruck: "Ich konnte mich mehr auf die Unterdistanzen konzentrieren"

Die Stimmung könnte nicht besser sein bei Katharina Steinruck: Nach zwei Halbmarathon-Bestzeiten Ende März in Lille und Anfang April in Berlin fügte die 32-jährige Langstrecklerin von Eintracht Frankfurt am Samstag beim Paderborner Osterlauf mit 31:53 Minuten über 10 Kilometer einen weiteren Hausrekord hinzu. Wir haben anschließend mit ihr gesprochen – über die Gründe für ihre starke Form und zwei große Träume, die sie sich noch erfüllen will.
Peter Middel

Katharina Steinruck, wir gratulieren zum nächsten starken Auftritt! Wie ist für Sie das 10-Kilometer-Rennen bei Top-Bedingungen in Paderborn verlaufen?

Katharina Steinruck:

Ich bin überrascht, dass es so gut lief. Ich bin recht schnell angegangen und hatte bei einem Kilometer eine Zeit von knapp über drei Minuten. Bei der Fünf-Kilometer-Marke bin ich in knapp 16 Minuten durchgelaufen, und meine zweite Streckenhälfte war dann sogar noch ein wenig schneller. Mit meiner Zeit von 31:53 Minuten hatte ich nach meinen beiden Halbmarathon-Läufen in den letzten vier Wochen nicht gerechnet. Ich bin in Paderborn eigentlich nur für eine gute Platzierung gelaufen, da ich auch nicht wusste, wie stark die Konkurrenz war. Ich hatte einen Pacemaker,den ich nach ca. sechs Kilometern verloren habe. Aber das war nicht schlimm. Ich hatte nämlich ursprünglich gar nicht damit gerechnet, hier mit einem Pacer zu laufen. Nach seinem Ausscheiden habe ich versucht, mich an andere schnelle Hinterbeine zu hängen beziehungsweise haben wir uns gegenseitig in der Führungsarbeit abgelöst. Im Nachhinein verlief alles gut für mich. Ich freue mich riesig, dass solch eine hervorragende Zeit herausgesprungen ist.

Sie stufen Ihren Erfolg sicherlich auch so hoch ein, weil Sie eine besondere Verbindung zum Paderborner Osterlauf haben. Klären Sie uns bitte einmal auf.

Katharina Steinruck:

Ich habe meine ersten läuferischen Erfahrungen beim Osterlauf gesammelt. Ich stand vor 22 Jahren, als meine Mutter [Anm. d. Red.: die einstige Weltklasse-Läuferin und heutige Marathon-Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig] damals in Paderborn startete, mit Sportschuhen zum ersten Mal an einer Startlinie und bin beim Bambini-Lauf mitgerannt. Seitdem bin ich, wenn es mein Terminkalender zuließ, immer wieder beim Paderborner Osterlauf gestartet – zuletzt 2016, als ich über 10 Kilometer in 33:04 Minuten Vierte wurde. Während der Corona-Zeit habe ich eine Startnummer zugeschickt bekommen und bin bei der virtuellen Variante gestartet. Ich habe die 10 Kilometer für den Osterlauf in Frankfurt zurückgelegt. Nach der zweijährigen Auszeit wollte ich beim Re-Start in erster Linie die tolle Stimmung entlang der Strecke und im Zielbereich genießen, und ich bin voll auf meine Kosten gekommen.

Worauf führen Sie Ihre derzeitige starke Form zurück?

Katharina Steinruck:

Ich glaube, dass es für mich wichtig war, nach den Olympischen Spielen in Tokio erst einmal eine längere Pause einzulegen. Ich habe wirklich einmal zwei, drei Monate Urlaub gemacht und auch nicht trainiert. Im November habe ich wieder mit dem Laufen angefangen und zunächst unspezifisches Training absolviert. Dann habe ich im Januar an einem Höhentrainingslager in Kenia teilgenommen und bin anschließend zum Ski-Laufen gefahren. Das hat mir jeweils sehr gut getan.

Ein weiterer Grund ist sicherlich auch, dass ich in den letzten Monaten gesund geblieben bin und daher auf einem relativ hohen Niveau trainieren konnte. Hinzu kommt, dass ich für das Frühjahr keinen Marathonlauf geplant hatte. Ich habe daher in den letzten Monaten auch kein Marathontraining absolviert und konnte mich somit etwas mehr auf die Unterdistanzen konzentrieren. Daher habe ich momentan eine gute Grundschnelligkeit, was sich bei meinen beiden Halbmarathons und auch beim Osterlauf über 10 Kilometer ausgezahlt hat. In den letzten Jahren bin ich diese Strecken meist aus einem Marathon-Training heraus gelaufen. In zwei, drei Wochen werde ich im Hinblick auf den Sommer jedoch wieder in dieses Training einsteigen.

Wie unterscheidet sich das Training, das Sie in den zurückliegenden Monaten absolviert haben, denn von Ihrem Marathon-Training?

Katharina Steinruck:

Im Grunde genommen ähneln sich beide. Unterschiedlich sind nur das Tempo und die Anzahl der Einheiten. Beim Marathontraining laufe ich beispielsweise 25x400 Meter in 78 Sekunden. Wenn ich nicht auf einen Marathon trainiere, absolviere ich nur zehn bis 15 Läufe über 400 Meter in 70 Sekunden. Die Geschwindigkeit ist also deutlich höher.

Welche Wettkämpfe stehen für Sie in den nächsten Wochen an?

Katharina Steinruck:

Am kommenden Wochenende laufe ich in Malaga über 10 Kilometer, am 7. Mai starte ich dann bei den Deutschen 10.000-Meter-Meisterschaften in Pliezhausen. Dort möchte ich mich für den Europacup am 28 Mai in Frankreich qualifizieren. Dafür muss ich unter die ersten Drei kommen und unter 33 Minuten bleiben. Ich hatte mich für diesen Wettbewerb schon einmal vor zwei Jahren qualifiziert, doch musste diese Veranstaltung damals Corona-bedingt abgesagt werden.

In Kürze werden Sie sich entscheiden müssen: Entweder, Sie starten bei der WM im Marathon, oder bei der Heim-EM in München. Beides geht nicht. Wann werden Sie diese Entscheidung treffen, und wovon machen Sie diese anhängig?

Katharina Steinruck:

Ich habe für beide Meisterschaften die Qualifikationsnorm im Marathonlauf. Momentan stehe ich im Nominierungsranking für die EM noch auf Platz eins, für die WM etwas dahinter. Da taucht die Frage auf, wie sich die anderen Läuferinnen entscheiden. Ich möchte gerne bei der Heim-EM in München laufen. Die finale Entscheidung wird in zwei Wochen getroffen.

In diesem Jahr steht Ende November auch noch die Halbmarathon-WM in China an. Haben Sie auch diese Meisterschaft im Hinterkopf?

Katharina Steinruck:

Die Norm für diese Titelkämpfe habe ich, aber ich habe mir noch keine Gedanken über diese Veranstaltung gemacht.

Sie gehören als Ober-Kommissarin der Sportfördergruppe der hessischen Bereitschaftspolizei an. Liegt auch da ein Schlüssel zu Ihrer erfolgreichen Karriere? Wie werden Sie unterstützt?

Katharina Steinruck:

Die hessische Polizei bietet erfolgreichen Sportlerinnen und Sportlern viele Möglichkeiten, dass sie ihren Sport weiter durchführen können. Es gibt ja sehr viele Sportarten wie unter anderem auch die Leichtathletik, die sehr zeitintensiv sind. Es geht nicht nur um das Training, sondern auch um die Regeneration, um die Wettkampfreisen und um die Trainingslager. Wenn man da jemanden im Rücken hat, der einen unterstützt, sodass man sich finanziell keine Sorgen zu machen braucht, dann kann man bei Wettkämpfen wesentlich befreiter auftreten. Ich persönlich brauche mir beispielsweise keine Gedanken darüber zu machen, wie ich meine nächste Miete bezahlen kann.

Ich bin der hessischen Polizei unwahrscheinlich dankbar, dass ich diese Unterstützung erhalte, und man hat mir inzwischen signalisiert, dass sich daran bis zu den Olympischen Spielen in Paris nichts ändern wird.
Wenn ich eines Tages einmal mit dem Leistungssport aufhöre, kann ich natürlich weiter bei der Polizei bleiben. Wenn es in meine Trainings-und Wettkampfplanungen passt, melde ich mich immer auf meiner Dienststelle und unterstütze dort meine Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich, dass sie sich für meine sportlichen Aktivitäten interessieren und mich unterstützen. Das gibt mir einen großen Rückhalt.

.. vermutlich ebenso wie Ihr Mann Robert Steinruck, mit dem Sie seit 2018 verheiratet sind.

Katharina Steinruck:

Mein Mann hat mich als Sportlerin kennengelernt und daher gewusst, auf was er sich einlässt. Sofern er es beruflich ermöglichen kann, ist er bei Wettkämpfen immer dabei. Er und seine Familie unterstützen mich, wo sie nur können. Unwahrscheinlich dankbar bin ich natürlich auch meinen Eltern, die mich nach meiner Fuß-OP und nach meinen Rückschlägen immer wieder aufgebaut haben. Mein Mann und ich haben uns einen sehr netten Freundeskreis aufgebaut. Dort sieht man mich nicht nur als Sportlerin, sondern auch als die Katha. Das ist sehr wichtig für mich.

Ihre Mutter Katrin Dörre-Heinig ist gleichzeitig Ihre Trainerin. Sie gewann 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul die Bronze-Medaille im Marathon und zählte jahrelang zur Weltklasse zählte. Die perfekte Trainerin für Sie?

Katharina Steinruck:

Meine Mutter trainiert mich seit 2013. Sie hat mit mir die ersten Laufversuche unternommen, verfügt als frühere Weltklasse-Läuferin über ein unerschöpfliches Erfahrungspotential und steht mir auch zur Seite, wenn es einmal schwieriger wird. Das ist enorm wichtig für mich. Ich bin unwahrscheinlich glücklich über diese Konstellation. Sie hat übrigens auch eine besondere Beziehung zum Paderborner Osterlauf, den sie 1992 und 1996 über 10 Kilometer gewann.

Sie waren schon im Schüler- und Jugendalter erfolgreich, haben an drei EM-Marathons sowie einem Olympia-Marathon teilgenommen und sich im vergangenen Jahr auf 2:25:59 Stunden verbessert. Jetzt arbeiten Sie auf die Spiele 2024 in Paris hin. Wie kann man sich über solch einen langen Zeitraum fit halten und immer wieder motivieren?

Katharina Steinruck:

Ich war bei den Olympischen Spielen in Tokio dabei. Dort gab es jedoch viele Einschränkungen. Daher möchte ich die Olympischen Spiele in Paris einmal richtig erleben – ohne dass man zwei Tage nach dem Wettkampf zurückreisen muss und ohne, dass man nicht zu anderen Wettkämpfen darf. Ich war 2005 Teilnehmerin bei den Youth Olympic Games [Anm. d. Red.: in Lignano Sabbiadoro/Italien]. Das war für mich total beeindruckend. Wir waren bei den Basketballern, bei den Turnern und bei den Schwimmern und haben uns gegenseitig angefeuert. Wir konnten damals viele Kontakte knüpfen. Das hat mir im vergangenen Jahr einfach gefehlt [Anm. d. Red: die Marathons fanden zudem nicht in Tokio, sondern in Sapporo statt], und ich möchte dieses Miteinander noch einmal erleben. Ich hoffe daher, dass es in Paris wieder zu normalen Spielen kommt, und dass wir uns dort wieder ganz normal begegnen können.

Gibt es noch einen anderen Traum, den Sie sich als Läuferin erfüllen möchten?

Katharina Steinruck:

Ja, ich möchte entweder als Profi- oder als Hobby-Läuferin einmal beim New-York-Marathon starten. Nur Dabeisein reicht mir. Bisher hat es leider noch nicht geklappt.

Mehr:

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