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Olympiasieger Mykola Awilow: Aus der Ukraine über Krakau nach Ratingen

Das Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting konnte am vergangenen Wochenende einen ganz besonderen Ehrengast begrüßen: Der Zehnkampf-Olympiasieger von 1972 Mykola Awilow verfolgte die Wettbewerbe der aktuellen Mehrkampf-Generation. Der Ukrainer war erst wenige Tage zuvor aus seiner Heimat geflohen.
Silke Bernhart

Das 25-jährige Jubiläum des Mehrkampf-Meetings von Ratingen wurde am Wochenende auch zu einer großen Wiedersehens-Feier der Mehrkampf-Familie. Von Sabine Braun und Jennifer Oeser über Paul Meier und Frank Busemann bis hin zu Michael Schrader und Klaus Isekenmeier: Alle waren sie der Einladung der Veranstalter gefolgt. Ein ehemaliger Zehnkämpfer fand dabei erst kurzfristig Aufnahme in die Gästeliste – und er brachte sowohl den größten Erfolg als auch die bewegendste Geschichte mit.

Die Rede ist von Mykola Awilow. Genau 50 Jahre ist es her, dass er bei den Olympischen Spielen 1972 in München mit der Goldmedaille im Zehnkampf Geschichte schrieb. Damals trug der 1948 in Odessa geborene Athlet das Trikot der Sowjetunion. Seit 1991 ist seine Heimatstadt am Schwarzen Meer die bedeutendste Hafenstadt der unabhängigen Ukraine. In der die Bürger im Angriffskrieg Russlands nun schon seit vielen Wochen um ihr Leben fürchten müssen.

Flucht von Odessa nach Krakau

Schon im April hatte den Ukrainer ein Anruf aus Deutschland erreicht: „Mykola, wie geht es dir, wo bist du?“, wollte Hermann Holzfuß wissen. Das Vorstandsmitglied im Zehnkampf-TEAM und Mykola Awilow hatten sich zehn Jahre zuvor in Vorbereitung auf das Jubiläum „100 Jahre olympischer Zehnkampf“ kennengelernt, welches das Zehnkampf-TEAM in Marburg organisiert hatte. Alle olympischen Medaillengewinner im Zehnkampf waren angeschrieben und nach Marburg eingeladen worden, Mykola Awilow war damals der Einladung gefolgt.

Beim ersten Anruf lautete die Antwort des Olympiasiegers noch: „Ich bin in Odessa. Und ich will auch dort bleiben.“ Anfang Mai, in der Woche vor dem Mehrkampf-Meeting von Ratingen, folgte das nächste Telefonat, dieses Mal meldete sich Awilow: „Hermann, ich bin in Deutschland. In Odessa werfen sie Bomben, ich musste dort weg.“ Mit wenigen Habseligkeiten war er kurz zuvor mit dem Zug und einer Reise über Krakau (Polen) in Dortmund angekommen. „Einer meiner beiden Söhne ist mit seiner Frau und seinen vier Kindern schon zu Beginn des Kriegs nach Dortmund geflüchtet", erklärt der 73-Jährige. "Bei ihnen bin ich jetzt untergekommen.“

Noch ist die Familie jedoch nicht vereint. Denn seine Frau Walentyna, 1968 Olympia-Dritte im Hochsprung, ist gerade beim zweiten Sohn und dessen Familie auf den Seychellen. Dort hatte auch Mykola Awilow lange gelebt und als Trainer gearbeitet: „Meine Frau hat meinen Sohn besucht“, erklärt er, „jetzt kann sie nicht mehr nach Hause zurück. Sie sagt zu mir: ‚Komm zu uns auf die Seychellen‘. Ich sage zu ihr: ‚Komm zu uns nach Deutschland‘.“

Einladung vom Zehnkampf-TEAM

In dieser schwierigen Situation konnte das Zehnkampf-TEAM zumindest kurzzeitig für Zerstreuung sorgen. „Du bist in Deutschland? Dann komm nach Ratingen“, schlug Hermann Holzfuß vor. Und wieder nahm Mykola Awilow die Einladung an, die zunächst der Förderverein für den deutschen Zehnkampf mit Präsident Paul Meier aussprach – und die kurzerhand die Deutsche Leichtathletik Marketing GmbH (DLM) als Ausrichter des Meetings übernahm.

Zwei Tage lang war der Zehnkampf-Olympiasieger, begleitet von seinem Sohn, wieder zurück in der Welt, die er kennt – in der Welt des Sports, auf dem Sportplatz, inmitten der Mehrkampf-Familie. Wie es nun für ihn weitergeht? „Deutschland ist das Land, in dem ich vor 50 Jahren meine Goldmedaille gewonnen habe“, sagt er. „Wo ich dieses Jubiläum feiern werde, weiß ich noch nicht.“

Vielleicht kann auch da die Sportfamilie Hilfestellung leisten. Hermann Holzfuß hat jedenfalls erneut telefoniert und in Marburg angerufen, bei Egon Vaupel. „Egon, können wir Mykola irgendwie unterstützen?“, habe er den langjährigen Oberbürgermeister von Marburg gefragt, der 2012 auch Gastgeber des 100-jährigen Zehnkampf-Jubiläums war. „Klar“, habe der direkt geantwortet. „Wenn er möchte, dann machen wir was für ihn!“
 

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