| Jerusalem 2022

U18-EM | Amadeus Gräber krönt sich zum Zehnkampf-König

Der neue U18-Europameister im Zehnkampf heißt Amadeus Gräber! Der Athlet vom SV Leonardo-da-Vinci Nauen konnte am Donnerstagabend in Jerusalem im abschließenden 1.500-Meter-Rennen noch am führenden Franzosen Alexandre Montagne vorbeiziehen und sich die Goldmedaille sichern. Friedrich Schulze (TV Gelnhausen) belegte mit neuer Bestleistung Platz fünf.
Svenja Sapper

U18-EM 2022 Jerusalem


Tag 2


Amadeus Gräber geht als Zweiter in die letzten beiden Disziplinen

Am ersten Tag war der Wind noch der beste Freund der Zehnkämpfer gewesen. Das änderte sich im 110-Meter-Hürdensprint. Denn in der ersten Disziplin des zweiten Tages hatten die Athleten mit Gegenwind zu kämpfen. 1,6 Meter pro Sekunde waren es im Lauf von Friedrich Schulze, der in 15,06 Sekunden nicht ganz an seine persönliche Bestzeit (14,72 sec) von der U18-Quali in Walldorf herankam, wohl aber an die 14,98 Sekunden, die ihm in Bernhausen auf dem Weg zur Zehnkampfbestleistung geglückt waren.

Ebenfalls stark von vorne (-1,3 m/s) kam der Wind im Rennen von Amadeus Gräber, der in 14,45 Sekunden dennoch nicht viele Punkte auf den Zehnkampf von Filderstadt (14,34 sec) verlor und Platz drei (4.870 Pkt) verteidigen konnte. Hürdensieger Alexandre Montagne sprintete zwar 14,15 Sekunden schnell, hat aber bereits einmal 13,64 Sekunden abgeliefert.

Spannung steigt vor dem Finale

Ein Zehnkampf ohne schwache Disziplin ist schwer, wenn nicht fast unmöglich zu erreichen. Das musste über Mittag auch das deutsche Duo lernen. Amadeus Gräber blieb im Diskuswurf mit 37,98 Metern fast drei Meter hinter dem Resultat von Bernhausen zurück, das bereits ausbaufähig gewesen war. Im Stabhochsprung war für den Athleten vom SV Leonardo-da-Vinci Nauen nach 4,40 Metern Endstation. Bis zu seinem ersten Versuch über 4,50 Meter war der 17-Jährige mit weißer Weste unterwegs gewesen. In Disziplin acht verlor er zwar Punkte auf seine Zehnkampf-Bestleistung, bei der er 4,60 Meter gemeistert hatte, nicht aber auf den Franzosen Alexandre Montagne, der genauso hoch sprang wie der Deutsche.

Friedrich Schulze musste sich nach einem guten Diskuswurf, den er als Drittbester im gesamten Feld beendete (43,60 m), mit 4,20 Metern im Stabhochsprung begnügen. Definitiv zu wenig für den 4,60-Meter-Springer, der nach acht Disziplinen mit 6.052 Punkten auf Platz sechs rangiert. Amadeus Gräber (6.225 Pkt) ist nunmehr erster Verfolger von Montagne, der mit 6.344 Zählern einen ordentlichen Vorsprung vorweisen kann. Für den 17-Jährigen beginnt jetzt die Aufholjagd, denn in den beiden letzten Disziplinen hat er seine Stärken. Allerdings erwies sich Montagne an den zwei Tagen in Jerusalem als absolute Wundertüte. Gut möglich, dass er im Speerwurf und über 1.500 Meter noch einmal mächtig an Punkten zugelegt hat.

Amadeus Gräber kämpft sich zur Goldmedaille

Im Speerwurf folgte zunächst der nächste Rückschlag für Amadeus Gräber, den der 17-Jährige jedoch – so viel sei vorweggenommen – bravourös wegstecken konnte. Bei seinem ersten Wurf blieb der Athlet vom SV Leonardo-da-Vinci Nauen an seinem Spike hängen und hatte daraufhin Probleme mit dem Stemmbein. Nur 55,57 Meter gingen für den 66-Meter-Werfer in die Ergebnislisten ein. Der Rückstand auf Montagne (50,92 m) schmolz dennoch auf exakt 50 Punkte. Mit einem Wurf auf 62,83 Meter in Gruppe A, die zuerst geworfen hatte, schob sich der Schwede Leo Göransson bis auf vier Punkte an Amadeus Gräber heran. Friedrich Schulze, der mit 60,11 Metern dicht an seinen Hausrekord (60,39 m) herankam, verbesserte sich auf Rang vier, allerdings mit 101 Zählern Abstand zum Schweden.

Die Entscheidung fiel schließlich um fünf Minuten vor acht Uhr abends (Ortszeit) im 1.500-Meter-Rennen. Ein Finale mit vielen Fragezeichen: Würde der getapte Fuß von Amadeus Gräber die 3,75 Runden auf der Bahn durchstehen? Und würde er fit genug sein, um die geforderten sieben Sekunden auf den Führenden aufzuholen und zugleich den Schweden mit der eine Sekunde besseren Bestzeit in Schach zu halten? Die Antwort lautete: Ja! Der 17-Jährige nahm sein Herz in die Hand und zeigte sich von Anfang an konkurrenzfähig. Der Vorsprung auf den Franzosen wuchs nach und nach immer weiter. Am Ende sprang in 4:32,21 Minuten gar eine neue persönliche Bestzeit heraus.

Im Ziel hieß es zunächst warten und bangen, bis die erlösende Nachricht kam: Es reicht für Amadeus Gräber! Mit Meisterschaftsrekord von 7.626 Punkten krönte er sich zum König der U18-Athleten. Nur bei seinem Qualifikationswettkampf in Bernhausen hatte er 13 Punkte mehr erzielt. Dahinter fing Göransson, der exakt zwei Sekunden langsamer gewesen war als Amadeus Gräber, mit 7.609 Zählern den führenden Franzosen ebenfalls noch ab. Alexandre Montagne musste sich mit Bronze (7.591 Pkt) zufriedengeben, obwohl er seinen Hausrekord um neun Sekunden pulverisierte (4:45,61 min). Eine Sekunde nach dem Franzosen beendete auch Friedrich Schulze das Rennen (4:46,85 min) und steigerte seine Zehnkampf-Bestleistung um 32 Punkte auf 7.429 Zähler. Das reichte zu Rang fünf hinter dem zweiten Schweden Victor Törnström (7.460 Pkt).

In den Fußstapfen von Niklas Kaul und Manuel Wagner

Es war das zweite Mal in den drei Ausgaben der U18-Europameisterschaften, dass Zehnkampf-Gold nach Deutschland ging. 2016 hatte in Tiflis (Georgien) Manuel Wagner vom USC Mainz triumphiert. Amadeus Gräber sprach in der Mixed Zone noch einen zweiten Mainzer Zehnkämpfer an: Weltmeister Niklas Kaul. "Man macht das so, habe ich gehört", sagte er mit einem Augenzwinkern und spielte darauf an, dass er wie sein Disziplinkollege bei der WM in Doha (Katar) 2019 über 1.500 Meter den Titel klargemacht hatte.

Wie Niklas Kaul hat Gräber seine Stärken in den letzten zwei Disziplinen: "Ich weiß, wie weit Niklas damals bei der U18-WM [2015 in Cali, Kolumbien] den Speer geworfen hat. Mein Ergebnis von heute ist mir da fast schon peinlich." Trotzdem hofft der 17-Jährige nach seinem Triumph auf eine Glückwunsch-Nachricht aus Mainz. Friedrich Schulze gefiel, dass er an den zwei Zehnkampftagen von Jerusalem bereits erste Kontakte zu seinen internationalen Kollegen knüpfen konnte. Besonders gut habe er sich mit dem Franzosen Titouan Dobo Bi verstanden: "Der ist genauso groß wie ich und fast gleich schwer, da passen wir gut zusammen."

STIMMEN ZUM WETTKAMPF:

Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen)
Direkt nach dem Lauf konnte ich es noch gar nicht richtig realisieren. Ich bin in den Wassergraben gegangen, da ist es mir so richtig klar geworden. Ich habe zum ersten Mal vor Freude geheult, das habe ich vorher noch nie gemacht. Ich kann es gar nicht beschreiben. Ich begreife es immer noch nicht so richtig. Über die Hürden war ich noch total zufrieden. Im Diskus hatte ich super Einwürfe, das wäre mit Abstand PB geworden. Und dann fange ich an mit dem Wettkampf, mache einen Sicherheitswurf. Dann gab es eine richtig heftige Diskussion mit den Schiedsrichtern, die meinten, mein Wurf, der ein gutes Stück über die 40 ging, war nicht im Sektor. Im dritten Versuch lagen die Nerven blank, da konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Mit dem Stab war bis 4,40 Meter alles sauber, dann habe ich den Stab gewechselt, das hat dann leider nicht funktioniert. Im Speerwurf bin ich umgeknickt, das habe ich im ersten Moment gar nicht gemerkt. Erst als ich dann gelaufen bin, habe ich gemerkt, dass da doch was ist. Ich hätte nicht gedacht, dass ich die 1.500 Meter so laufen kann, erst recht nicht mit dem Fuß.

Friedrich Schulze (TV Gelnhausen)
Ich kann das noch gar nicht glauben. Klar bin ich als Zweiter angereist, aber mein Ziel war, unter die Top Acht zu kommen. Das habe ich geschafft und ich bin zufrieden. Es gibt Verbesserungspotenzial, zum Beispiel mit der Kugel. Aber das ist jetzt neue Bestleistung, endlich habe ich die 7.400 Punkte geschafft. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich über 1.500 Meter noch mal so eine Zeit renne. Ich war so fertig, habe so oft geschlafen und war beim Physio. Fünfter Platz, ich bin zufrieden, ja! Meine Hürdenzeit hat mich ein bisschen runtergezogen, weil ich drei Zehntel langsamer war als meine Bestzeit. Diskus, 43 Meter, fast 44, ist absolut okay. Auch da ist noch Potenzial drin. Ich weiß nicht, woran es im Stabhochsprung lag. 4,20 Meter bin ich gesprungen, 4,60 ist meine Bestleistung. Der Stab war zu weich, ich war zu nah dran, am Ende hat vielleicht die Luft gefehlt und ich war müde. 60 Meter im Speerwurf waren auch gut, mein Arm hat ein bisschen wehgetan.


Tag 1


Amadeus Gräber lauert auf Rang drei

Auf den Rückenwind war in Jerusalem am Mittwochmorgen Verlass: Von hinten kam eine frische Brise, die die Zehnkämpfer zu flotten 100-Meter-Zeiten trieb. Davon profitierten auch die beiden deutschen Starter: Friedrich Schulze (TV Gelnhausen) sprintete bei +2,5 m/sec in 11,66 Sekunden sieben Hundertstel schneller als beim Qualifikationswettkampf in Filderstadt-Bernhausen Ende Mai. Europas Jahresbester Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen) blieb unter regulären Bedingungen mit 11,05 Sekunden eine Zehntelsekunde unter seiner Zeit im besten Zehnkampf. Ein absolut gelungener Auftakt für beide!

Rasant war erwartungsgemäß der Kroate Roko Farkas unterwegs, der am Dienstagabend Rang fünf im 100-Meter-Finale belegt hatte. In 10,57 Sekunden nahm er dem Ulmer Manuel Eitel die europäische U18-Bestleistung im Rahmen eines Zehnkampfes ab.

Nach dem guten Beginn ließ Amadeus Gräber im Weitsprung eine persönliche Bestleistung folgen – über 6,84 Meter im ersten Versuch ging es im dritten noch auf 6,88 Meter und damit exakt einen halben Meter weiter als in Bernhausen. Die „PB“ von Friedrich Schulze fiel dem Rückenwind zum Opfer. Was zählte, waren jedoch 6,76 Meter und somit erneut ein paar Punkte mehr als in Bernhausen (6,72 m). Mit Leistungen von 7,44 und 7,43 Metern begeisterten Alexandre Montagne (Frankreich) und Victor Tornström (Schweden) – doch die starken Disziplinen der Deutschen kommen erst noch.

Kritischen Moment im Kugelstoßen überstanden

Im Kugelstoßen wurde es für Friedrich Schulze erstmals kritisch: Zweimal wuchtete er die Kugel auf eine Weite im Bereich von 16 Metern, zweimal schlug das Gerät außerhalb des Sektors ein. Vor dem dritten Versuch entschied er sich nach Rücksprache mit Nachwuchsbundestrainer Lars Albert zu einem verlängerten Standstoß und kam dann doch noch auf 14,23 Meter. Dass es in Filderstadt mit 15,04 Metern etwas weiter gegangen war, war angesichts der Erleichterung zu verschmerzen. Mit einem 15-Meter-Stoß glänzte dafür der Schweizer Cedric Deillon (15,22 m). Amadeus Gräber lieferte solide 14,33 Meter ab.

In die Mittagspause gingen die beiden DLV-Starter auf den Plätzen drei (Gräber; 2.994 Pkt) und 19 (Schulze; 2.218 Pkt). In Führung lag immer noch der Kroate Farkas mit 3.171 Zählern.

Deutsche Zehnkämpfer haben Spaß am Springen

1,88 Meter hatte Amadeus Gräber beim Qualifikationswettkampf im Hochsprung erzielt. Und in Jerusalem konnte er satte acht Zentimeter draufpacken! Bis zur neuen Bestleistung von 1,93 Meter überquerte er alle Höhen im ersten Anlauf, bei 1,96 Meter benötigte er alle drei Versuche. Warum er die Höhe schaffte? "Die Sonnenbrille war's!" Beim zweiten Sprung hatte ihn die Sonne geblendet, im dritten mit Sonnenbrille flog er über die Latte. Einmal probierte er noch 1,99 Meter, dann zeigte Lars Albert mit den Händen ein T – genug für diesen Wettkampf.

2,06-Meter-Springer Friedrich Schulze kam mit 2,05 Metern dicht an seinen Hausrekord heran, obwohl er zwischendurch zweimal in den dritten Versuch musste. Harry Richard Jääger aus Estland packte auch noch die 2,08 Meter.

Zwei weitere Bestleistungen ließen die beiden Athleten über 400 Meter folgen: 51,85 Sekunden für Schulze, 50,27 Sekunden für Gräber. Nach dem ersten Tag liegt Europas Jahresbester mit 3.953 Punkten in Lauerposition und ist bereits deutlich auf Kurs für eine neue Gesamt-Bestmarke im Zehnkampf. Denn in Bernhausen hatte er nach Tag 1 3.762 Punkte auf dem Konto gehabt. Friedrich Schulze rangiert mit 3.799 Zählern auf Rang sieben. Es führt nach wie vor Roko Farkas mit 4.114 Punkten vor dem Schweden Victor Tornström (3.981 Pkt).

STIMMEN ZUM WETTKAMPF:

Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen)
Besonders nach den restlichen Disziplinen, wo ich schon Punkte rausgeholt hatte, habe ich mich gefreut, über 400 Meter noch mal zeigen zu können, was ich kann. Ich habe gehofft, dass ich schneller laufe als bei der Quali. Das habe ich gemacht. Ich bin voll zufrieden. Über 100 Meter habe ich einen schlechten Start erwischt und bin nicht schnell ins Laufen reingekommen. Sonst wäre eine Zehner-Zeit möglich gewesen. Im Weitsprung zweimal Bestleistung, das Brett auch nicht optimal getroffen, aber voll zufrieden. Ich habe mich gefreut, dass ich endlich wieder ins Weitspringen reinkomme. Kugel ist bei mir immer so ein Ding. Manchmal treffe ich einen guten, dann geht auch mal einer weit raus. Aber ich bin zufrieden, dass ich über 14,30 Meter gestoßen habe. Im dritten Versuch über 1,96 Meter dachte ich, ich setze die Sonnenbrille auf, vielleicht kriege ich den rübergezogen. Ich hab's hinbekommen! Ich würde sagen, zum richtigen Zeitpunkt fit! Für morgen nehme ich mir vor, den Rückstand, den ich auf die Führenden habe, wieder rauszuholen, und den Vorsprung, den ich auf meine Bestleistung habe, weiter auszubauen.

Friedrich Schulze (TV Gelnhausen)
Ich habe drei PBs gehabt, das war sehr gut. 100 Meter, Weitsprung, jetzt 400. Mit der Kugel habe ich einen Meter liegengelassen, aber immerhin noch das Ergebnis gerettet. Es ist Zehnkampf, also abhaken und weitermachen. Beim Hochsprung war ich oft mit dem Rücken zur Wand und habe es dann doch geschafft. Mit 2,05 Metern bin ich zufrieden. Ich habe wirklich keinen Plan, was morgen geht. Ich schaue jetzt erst mal auf die Punkte und dann muss ich mich ausruhen. Ich bin so kaputt!

U18-EM 2022 Jerusalem

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