| Interview

Hawa Jalloh: „Ich habe es noch nicht realisiert“

In 13,23 Sekunden sprintete Hawa Jalloh (Wiesbadener LV) am Sonntag bei der Jugend-DM zum Titel über 100 Meter Hürden – und schob sich damit auf Rang eins der europäischen Jahresbestenliste nach vorne! Es ist die schnellste Zeit einer deutschen U20-Hürdensprinterin seit dem Jahr 2012. Im Interview der Woche haben wir mit der 19-Jährigen über ihre Leistung in Ulm, ihre Ziele bei der anstehenden U20-WM und ein besonderes Aufeinandertreffen mit Cindy Roleder gesprochen.
Svenja Sapper / Chiara Gethmann / Nicolas Walter

13,23 Sekunden, herzlichen Glückwunsch Hawa Jalloh! Wie hast du dich gefühlt, als du die Zeit auf der Anzeigentafel gesehen hast?

Hawa Jalloh:

Ich konnte es erstmal gar nicht glauben. Ich hatte mir vorgenommen, locker und sauber zu laufen, um gut durchzukommen. Aber mit dieser Zeit hätte ich nicht gerechnet. Ich war sprachlos. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich habe es noch nicht richtig realisiert.

Hast du schon während des Laufs gemerkt, dass es heute richtig schnell werden könnte?

Hawa Jalloh:

Ja, ich habe anfangs noch etwas an Tempo rausgenommen, weil ich gut reinkommen wollte. Aber hintenraus hat es sich sehr gut angefühlt und ich konnte mein Schrittmuster gut abrufen. Da wusste ich, dass es schnell werden wird und ich habe am Ende versucht, sogar noch etwas schneller zu werden. Das hat anscheinend gut geklappt (lacht).

Du liegst nun auf Platz eins in Europa, auf Platz fünf in der Welt. Sagt dir das schon etwas in Richtung der U20-WM in Cali?

Hawa Jalloh:

Klar, das Ziel in Cali ist das Finale. Dort will ich einfach sauber durchlaufen, das Beste geben und hoffe, dass dann alles passt. Eine Medaille wäre natürlich sehr cool. Aber ich möchte mit keinen zu hohen Erwartungen anreisen.

Du hast vergangenes Jahr auch schon internationale Erfahrungen mit der Teilnahme an der U20-EM gesammelt. Mit welchen Gefühlen denkst du daran zurück und hilft diese Erfahrung möglichweise jetzt auch für Cali?

Hawa Jalloh:

Ja, das hilft mit Sicherheit. Ich war in Tallinn sehr aufgeregt. Wenn man das alles schon einmal durchlebt hat, kann man damit bestimmt besser umgehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Mit der U20-EM verbinde ich sehr viele schöne Momente, vor allem mit den Menschen und meinem Team. Ich freue mich, die anderen Athleten in Kolumbien wieder zu sehen, auch die neuen Freunde aus den anderen Ländern wieder zu treffen und die schöne Atmosphäre zu erleben.

Du hast auch schon Erfahrung bei den Aktiven gesammelt: Bei der Hallen-DM wurdest du unter anderem Dritte und bist gegen Cindy Roleder gelaufen. Was ist das für ein Gefühl gegen die absoluten Top-Athletinnen Deutschlands anzutreten?

Hawa Jalloh:

Das ist eine sehr große Ehre. In Leipzig war es meine Premiere bei den Aktiven, da war ich wirklich sehr aufgeregt. Es hat sich aber herausgestellt, dass die erfahrenen Athletinnen eigentlich genauso aufgeregt sind wie wir Nachwuchs-Starter. Diese Erfahrung zu machen und mit ihnen am Start stehen zu dürfen, war toll. Ich freue mich darauf, dass auch in den nächsten Jahren zu erleben.

Cindy Roleder ist nach dem Lauf sogar auf dich zugekommen und hat dich angesprochen…

Hawa Jalloh:

Ja, sie war ganz überrascht, dass die Jugend schon so gut ist und hat mir viel Glück für die Zukunft gewünscht. Das ist natürlich schön, solche Worte von so einer großen Athletin zu hören, das hat mich berührt und war mir eine Ehre.

Ist Cindy Roleder auch eine Athletin, zu der du aufblickst?

Hawa Jalloh:

Auf jeden Fall. Sie ist eine sehr gute Athletin – es ist ein Traum, wie erfolgreich sie ist. Ich selbst habe kein spezielles Vorbild, aber die Leistungen der Top-Athletinnen sind immer sehr inspirierend und ich hoffe, dass ich es irgendwann auch einmal so weit schaffe.

Wie bist du eigentlich zum Hürdensprint gekommen?

Hawa Jalloh:

Ich komme aus Eschhofen, einem kleinen Dorf aus der Nähe von Limburg – ein an sich sehr sportliches Dorf. Dort habe ich immer auch Fußball und Turnen gemacht, mich letztlich aber für die Leichtathletik entschieden. 2015 bin ich dann nach Wiesbaden gezogen und habe dort im Verein Mehrkampf betrieben. Letztes Jahr hatte ich dann eine Mandelentzündung und konnte mich deswegen nicht richtig auf den Mehrkampf und den Qualifikationswettkampf für die U20-EM vorbereiten. Da ich die Hürden-Norm zu diesem Zeitpunkt aber schon hatte, hat sich das dann so ergeben. Wir hatten uns diese Spezialisierung davor schon einmal überlegt, aber immer wieder aufgeschoben. So wurde uns die Entscheidung abgenommen. Seitdem bin ich nur noch über die Hürden am Start.

Bist du rückblickend mit dieser Entscheidung zufrieden?

Hawa Jalloh:

Ehrlicherweise hat mir am Anfang der Mehrkampf und der Spaß an den vielen verschiedenen Disziplinen etwas gefehlt. Aber letztlich war es die richtige Entscheidung, weil mir der Hürdensprint einfach mehr liegt.

Wie sieht denn derzeit dein Alltag aus? Gehst du noch zur Schule?

Hawa Jalloh:

Ich habe gerade mein Abi geschrieben und werde jetzt anfangen, Psychologie zu studieren. Ansonsten treffe ich mich viel mit Freunden und verbringe Zeit mit der Familie, das ist mir ganz wichtig. Das brauche ich einfach zum Ausgleich.

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