| Interview

Lea Meyer: „Wenn ich dreimal gestürzt bin, stehe ich viermal auf“

Sie zählte zu einer der großen Überraschungen bei den Europameisterschaften von München: Mit einem blitzsauberen Lauf und einer mächtigen Steigerung um zehn Sekunden gewann Lea Meyer (ASV Köln) im Olympiastadion die Silbermedaille über 3.000 Meter Hindernis. Wie Sie das Rennen erlebt hat? Welche Hindernisse und Rückschläge abseits der Bahn sie dafür überwinden musste? Und wie sie in Zukunft das Duell mit der deutschen Rekordhalterin Gesa Krause einschätzt? Das und mehr hat sie anschließend im Interview verraten.
Wolfram Marx

Lea Meyer, Sie haben im Hindernisfinale der Leichtathletik-EM ein sehr starkes Rennen gezeigt und für viele überraschend die Silbermedaille gewonnen. Wie war der Lauf für Sie?

Lea Meyer:

Es war das perfekte Rennen, es hat alles gepasst. Ich habe mir viel zugetraut, ich bin gerade in der Form meines Lebens. Ich habe zwischendurch auf die Uhr geschaut und gedacht, „wir sind ganz schön zügig unterwegs“. Dann habe ich mir gesagt: "Bei den Hindernissen konzentrieren, da musst Du ran und durchziehen!"

Sie waren im Verlauf des Rennens mit einem Abstand hinter der Britin Elizabeth Bird auf Platz drei. Haben Sie daran geglaubt, dass Sie sie noch einholen können?

Lea Meyer:

Als ich mir gesagt hatte, dass ich es versuche, ging es darum Lizzy Bird einzuholen. Ich hatte vorher gedacht, dass sie und Luiza Gega es unter sich ausmachen. Aber ich wollte an ihr vorbeigehen, dann habe ich mich wieder hinter sie fallen lassen. Ich kenne sie gut, wir waren zusammen während des Studiums in den USA und sie ist eine sehr gute Freundin von mir. Ich freue mich, dass sie Bronze gewonnen hat. Auch Luiza Gega gönne ich die Goldmedaille, sie hat sie verdient.

Sie haben ja nicht nur die Silbermedaille gewonnen, sondern mit 9:15,35 Minuten auch noch ihre Bestzeit um zehn Sekunden verbessert.

Lea Meyer:

Ich wusste, dass ich unter 9:30 Minuten und eine neue Bestzeit laufen kann, ich wollte gerne niedrige 9:20 Minuten. Ich wusste, dass bei einer neuen Bestzeit alles möglich ist. Jetzt werde ich mal sehen, wo es hingeht, ich setze mir keine Grenzen.

Wo sehen Sie sich jetzt in Europa?

Lea Meyer:

Mit einer solchen Zeit ist man in Europa gut dabei und muss sich nicht verstecken. Es gibt im Hindernislauf immer wieder Ausreißer nach unten und nach oben. Das in München war aber keiner, das will ich nun bestätigen. Der Erfolg pusht extrem und zeigt, dass es sich lohnt. Dafür kann ich noch mehr trainieren, ich habe noch Luft nach oben.

Sie sind nun in Deutschland die erste Konkurrentin von Rekordhalterin Gesa Felicitas Krause, die aus Verletzungsgründen nicht teilnehmen konnte. Wo sehen Sie sich und wie schätzen Sie die Situation ein?

Lea Meyer:

Ich freue mich über das hohe Niveau in Deutschland mit Gesa. Sie wird wiederkommen, und dann werden wir sehen, wie es sich weiterentwickelt. Man wächst an der Konkurrenz. Sie ist zu einer guten Freundin geworden.

So viele Athletinnen und Athleten haben sich begeistert gezeigt von der Stimmung bei der Europameisterschaft ...

Lea Meyer:

... die Stimmung war unglaublich, die Zuschauer haben mich durchs Stadion getragen. Es hat riesigen Spaß gemacht, die Nervosität war raus. Ich wurde bei jedem Schritt noch mehr gepusht. Das Rennen war gefühlt eine Teamleistung mit dem Publikum. Ich hätte im Ziel noch weiterlaufen können (lacht). Als ich die Wettkämpfe von Konstanze Klosterhalfen, Niklas Kaul oder Gina Lückenkemper im Fernsehen gesehen habe, hatte ich Gänsehaut. Mein Ziel war das Finale, was danach kam, war die Kür. Eine solche Chance mit einer Europameisterschaft zu Hause kommt wahrscheinlich nie wieder.

Bei der WM in Eugene waren Sie am Wassergraben schwer gestürzt. Sie sind aber sofort wieder aufgestanden und immer noch eine Zeit von 9:30 Minuten gelaufen, was dann jedoch von vielen nicht mehr wahrgenommen wurde. Wie haben Sie den Druck nach dem Sturz verarbeitet?

Lea Meyer:

Ich wusste, dass ich halbwegs normal laufen kann, körperlich war ich fit. Das Beste, das ich machen konnte und gemacht habe, war aufzustehen und weiter zu laufen. Ich komme nach Rückschlägen immer wieder zurück, das ist eine meiner Stärken. Wenn ich dreimal gestürzt bin, stehe ich viermal auf. Nach Eugene ging es um die EM, darauf habe ich mich konzentriert. Man muss bei der EM seine Leistung bringen und dem Druck standhalten.

Warum haben Sie sich eigentlich für 3.000 Meter Hindernis als Ihre Strecke entschieden?

Lea Meyer:

Ich bin 2013 mein erstes Hindernisrennen gelaufen und habe gemerkt, dass es passt. Es macht mir am meisten Spaß, es ist die perfekte Streckenlänge. 1.500 Meter ist mir zu kurz, 5.000 Meter zu lang. Ich denke immer von Hindernis zu Hindernis, an einem guten Tag kann man dann auch gut laufen.

Sie hatten zwischendurch eine Phase, in der Sie mit dem Laufen quasi aufgehört hatten. Dann gingen Sie nach Köln in die Trainingsgruppe von Henning von Papen, der Ende Januar 2022 an Krebs gestorben ist.

Lea Meyer:

Das war sehr schwer, denn ich habe ihm viel zu verdanken, diese Medaille ist für ihn. Ich habe dort den Spaß wiedergefunden, Henning hat mich immer wieder aufgebaut. Wir haben trainingstechnisch gar nicht viel geändert, aber Henning hat den Spaß fürs Laufen wieder geweckt. Ich laufe für ihn weiter und gebe nicht auf.

Welche Bedeutung hat Ihre Kölner Trainingsgruppe für Sie?

Lea Meyer:

Wir haben dort eine sehr starke Gruppe, unter anderem sind Vera Coutellier und Anna Gehring dabei. Es macht viel Spaß, wir machen die Tempoläufe zusammen, das passt alles. Die interne Konkurrenz hilft, auch in den Trainingslagern. Ich gehe gerne ins Trainingslager, im März und April war ich in Flagstaff, nach der WM dann in St. Moritz.

Da kam dann aber auch Corona.

Lea Meyer:

Ja, ich konnte dort nur sehr wenig trainieren, aber St. Moritz bringt auch ohne Laufeinheiten etwas. Ich hatte zwar nur wenige Symptome, aber mit dem Laufen musste ich bis nach dem negativen Test warten.

Noch ein kurzer Blick zurück: Im vergangenen Jahr gelang Ihnen in Nizza mit der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio quasi der Durchbruch in die erweiterte Weltspitze. Welche Bedeutung hat dieses Rennen gespielt?

Lea Meyer:

Es war ein super Rennen. Es hat sich angeboten für eine gute Zeit, aber ich habe nicht an die Norm gedacht. Ich wusste danach nicht, wo sie herkam, aber ich habe gesehen, dass ich das Potenzial habe. Ich bin die Zeit gelaufen, aber ich war mental noch nicht so weit. Durch Tokio kam die Stärke dazu. Ich wusste, ich gehöre dazu und ich kann es.

Wie geht es nun weiter?

Lea Meyer:

Ich möchte gerne noch bei ein, zwei Meetings laufen. Im November finden die Deutschen Cross-Meisterschaften in Löningen statt. Da möchte ich gerne laufen, denn ich mag Cross. Auch bei der EM wäre ich gerne dabei, wir könnten mit einer starken Mannschaft laufen. Aber endgültig haben wir die Entscheidungen für den Winter noch nicht getroffen.

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