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Merlin Hummel – Hoffnungsträger im Hammerwurf

Ein Jahr mit vielen Leichtathletik-Höhepunkten neigt sich seinem Ende entgegen. Auf nationaler Ebene waren die Deutschen Meisterschaften in Berlin das Highlight des Sommers, bei denen acht Athletinnen und Athleten erstmals in ihrer Karriere ganz oben auf dem Treppchen standen. Wir stellen sie vor. Heute: Hammerwerfer Merlin Hummel (UAC Kulmbach).
Jan-Henner Reitze

Merlin Hummel
UAC Kulmbach

Bestleistung:

Hammerwurf: 75,66 m (2022)

Erfolge:

Silber U20-EM 2021
Silber Europäische Jugendspiele 2019
Deutscher Meister 2022

Im Alter von erst 20 Jahren arbeitet Merlin Hummel schon seit mehr als zehn Jahren an seiner Hammerwurf-Technik, von Anfang an angeleitet vom erfahrenen Trainer Martin Ständner. Den komplizierten Bewegungsablauf der anspruchsvollen Disziplin schon seit Kindheitstagen zu verinnerlichen, ist bis heute eine wertvolle Basis. Auch zur nötigen inneren Ruhe für die rasend schnellen Drehungen im Ring findet der Nachwuchsathlet immer besser.

Alles zusammen hat zu einer kontinuierlichen Entwicklung geführt, die Hoffnung macht, dass wieder ein DLV-Hammerwerfer den Anschluss an die internationale Spitze herstellt. In der U18- und U20-Klasse hat der Athlet des UAC Kulmbach zuerst den Fünf-Kilo-Hammer und dann das Sechs-Kilo-Gerät jeweils über die 81-Meter-Marke fliegen lassen, sowie jeweils Silber bei den Europäischen Jugendspielen und der U20-EM geholt. Im ersten offiziellen Jahr mit dem 7,26-Kilo-Hammer gelangen 75,66 Meter und der erste Titel bei den Deutschen Meisterschaften in der Männerklasse.

In den kommenden Jahren soll zuerst die Qualifikation für internationale Großereignisse folgen und dann möglichst auch der Final- und Endkampfeinzug. Zuletzt im Hammerwurf der Männer hat das im DLV-Trikot Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) geschafft, mit dem neunten Platz bei der WM in Moskau (Russland) im Jahr 2013.

Hammerwurf seit dem Grundschulalter

In seiner Heimat Kulmbach in Oberfranken in Bayern ging Merlin Hummel schon als Grundschüler zur Kinderleichtathletik. Beim ATS Kulmbach stand vor allem der Spaß an verschiedenen Bewegungen vom Laufen, Sprinten, Springen bis zum Werfen im Mittelpunkt. „Als ich in der vierten Klasse war, habe ich bei einem Event meines heutigen Vereins, dem UAC Kulmbach, unter anderem Simon Lang Hammerwerfen sehen. Da hat es bei mir klick gemacht“, erzählt der heutige Leistungssportler von den frühen Anfängen der Leidenschaft für seine Disziplin.

Der damalige Nachwuchsathlet Simon Lang (LG Stadtwerke München) trainierte zu diesem Zeitpunkt beim Kulmbacher Hammerwurf-Experten Martin Ständner. Der frühere Disziplin-Bundestrainer im DLV hat zahlreiche deutsche und internationale Spitzenathleten betreut und nahm auch Merlin Hummel unter seine Fittiche. 

Obwohl das Hammerwerfen die Hauptdisziplin war, blieb das Training breit aufgestellt. Sprinten und Springen gehörte weiterhin zum Alltag. Dazu kam natürlich das Erlernen der Technik im Hammerwurfring. „Mein Trainer gebraucht den Spruch: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Den Bewegungsablauf im Kindesalter im Hirn einzuprogrammieren ist am besten“, so der Wurf-Spezialist, der als 15-Jähriger den Vier-Kilo-Hammer 63,36 Meter weit warf und damit Platz zwei der DLV-Bestenliste der M14 belegte.

Leistungssport wird zur Perspektive

Einen Platz in den Top drei im DLV, aber nicht ganz oben, hatte Merlin Hummel auch in den folgenden beiden Jahren der Altersklassen M15 und U18 abonniert. Bei der U16-DM in Bremen 2017 belegte er beispielsweise Platz zwei (68,46 m) hinter Sören Klose (VfR Essen), der damals mit 75,17 Metern eine neue DLV-Bestleistung für diese Altersklasse aufstellte. „Mir ist es damals nicht gelungen, meine Leistungen aus dem Training im Wettkampf voll umzusetzen“, erinnert sich Merlin Hummel, dem noch gar nicht richtig bewusst war, welches Talent er besitzt.

Langsam wurde ihm klar, welche wichtige Rolle mentale Stärke im Hammerwurf spielt, und er begann daran zu arbeiten. Im Jahr 2019 gelang es ihm, bei den Deutschen Winterwurf-Meisterschaften in Sindelfingen (74,92 m) Sören Klose (70,02 m) hinter sich zu lassen, der ihn bis heute als Dauerkonkurrent begleitet.

Später sicherte sich Merlin Hummel mit seiner Bestleistung mit dem U18-Hammer von 81,06 Metern sogar Silber bei den Europäischen Jugendspielen in Baku (Aserbaidschan). „Das war ein geiles Jahr, in dem mir klar wurde, dass ich Hammerwurf vielleicht einmal auf einer professionellen Ebene betreiben kann.“

In seiner Altersklasse war dem aufstrebenden Athleten die Spitzenposition seitdem nicht mehr zu nehmen. In der U20 stellte Merlin Hummel im vergangenen Jahr mit 81,21 Metern sogar eine DLV-Bestleistung mit dem Sechs-Kilo-Hammer auf und gewann Silber bei der U20-EM in Tallinn (Estland; 79,32 m). Über die Jahre nahm er auch im Wettkampf schon immer die schwereren Geräte der nächsthöheren Altersklassen in die Hand. Schon als 18-Jähriger gewann er so im Corona-Sommer 2020 mit Silber seine erste Medaille bei den Deutschen Meisterschaften der Männer (69,53 m).

Mentale Stärke immer weiter ausgebaut

Neben der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Martin Ständner waren auch zunehmende mentale Stärke und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten Schlüssel zum Erfolg. „Ich meditiere, um meinen Fokus zu schärfen. Im Wettkampf hilft mir das, auch im letzten Versuch noch einmal alles aus mir rauszuholen und Druck von außen nicht an mich heranzulassen. Diese Fähigkeit schätze ich selbst als meine größte Stärke ein, die ich noch weiter ausbauen möchte.“

Unter Beweis stellte Merlin Hummel dies beispielsweise bei den Deutschen Meisterschaften im vergangenen Sommer in Berlin, als er im fünften Versuch mit einer Steigerung auf 72,51 Meter noch den bis dahin führenden Titelträger der vergangenen drei Jahre Tristan Schwandke (TV Hindelang; 72,44 m) abfing.

Diese erste Goldmedaille auf nationaler Ebene bei den Männern und die Steigerung der Bestleistung auf 75,66 Meter sind außergewöhnlich für einen Athleten in seinem ersten U23-Jahr. Dennoch verlief der Sommer alles andere als perfekt.

Technische Probleme und unglücklich verpasste EM

Ausgerechnet bevor ein Trainingslager zur unmittelbaren Wettkampfvorbereitung angesetzt war, infizierte sich Merlin Hummel zu Ostern mit dem Coronavirus. „Ich konnte drei Wochen nicht trainieren und habe die Einheiten des Trainingslagers bei uns zu Hause nachgeholt.“ Die Fitness kam zurück, allerdings haperte es an der Technik. „Ich habe von unserem Bundestrainer gehört, dass viele Athleten in den technischen Disziplinen Probleme mit der Koordination hatten.“ Dass sich Corona auch auf das zentrale Nervensystem auswirken kann, wird etwa mit dem verbreitet erlebten vorübergehenden Verlust von Geschmacks- oder Geruchssinns verbunden.

„Ich denke, ohne Corona hätte ich in diesem Jahr noch weiter werfen können“, nimmt der 20-Jährige an, der dabei vor allem an die EM-Norm von 77,00 Metern denkt. Da ihm diese Weite für die kontinentalen Titelkämpfe in München fehlte, musste er auf die Qualifikation über das Ranking-System hoffen. Das klappte letzten Endes hauchdünn nicht.

„Das war schwer für mich. Zumal ich das Ranking-System nicht nachvollziehen kann. Andere Athleten haben die Qualifikation erreicht, obwohl sie schwächere Weiten stehen hatten als ich“, so der Deutsche Meister. „Noch mehr ärgert mich allerdings, dass ich wegen Corona nicht mein volles Potential ausschöpfen konnte.“

Hoffen auf eine „endlich wieder normale Saison“

Seine Saison ausklingen lassen hat Merlin Hummel Ende September mit dem Deutschen U23-Titel im Rasenkraftsport in Wasserburg sowie beim Werfertag in Stadtsteinach, wo er unter anderem den Diskus auf 45,46 Meter schleuderte. Nun beginnt das Training für die kommende Saison.

„Ich bin in der glücklichen Situation, mir meine Zeit flexibel einteilen zu können. So kann ich alles optimal aufs Training ausrichten.“ Neben der Sporthilfe finanziert sich der Hammerwerfer mittlerweile über einen Werkstudenten-Job in einem Fitnessstudio in Kulmbach. Sein Fernstudium im Fach Marketing lässt sich individuell vorantreiben.

Der Athlet hat sich vor allem vorgenommen, an der Technik zu feilen und „kraftmäßig noch ein paar Prozente draufzulegen“. Ob die U23-EM in Espoo (Finnland; 13. bis 16. Juli) oder die WM in Budapest (Ungarn; 19. bis 27. August) als Saisonhöhepunkt anvisiert werden, wird noch mit Trainer Martin Ständner besprochen. Auf jeden Fall sollen auch Wettkämpfe eingeplant werden, die wichtige Punkte fürs World Ranking versprechen, um sich für Olympia 2024 in Paris (Frankreich) in Position zu bringen und nicht wieder in eine Situation zu geraten wie in diesem Jahr in Zusammenhang mit der EM-Qualifikation.

„Ich bin sicher, wenn ich verletzungsfrei durchkomme, gibt es im nächsten Jahr einen Schub“, erklärt Merlin Hummel zuversichtlich. „Mein Trainer wünscht sich vor allem endlich wieder eine normale Saison, die geplant und dann auch so durchgeführt werden kann. Das hatten wir wegen Corona schon seit drei Jahren nicht mehr.“

Video: Merlin Hummel feiert ersten DM-Titel
Video-Interview: Merlin Hummel: "Ich wollte einfach einen guten Wurf machen"

Das sagt Bundestrainer Helge Zöllkau:

Die Entwicklung bei Merlin verläuft sehr geradlinig. Er arbeitet seit Jahren mit Martin Ständner zusammen. Die Beiden haben im Laufe der Jahre die Umstiege vom Fünf-Kilo-Gerät auf die sechs Kilo und den Männer-Hammer fast nahtlos geschafft. Das ist in den vergangenen Jahren quasi niemandem in dieser Art und Weise geglückt. Das ist total super.

Merlin ist sehr trainingsfleißig, absolut talentiert und bei unserer Leistungsdiagnostik einer unserer besten Athleten. Bei Schnell- und Maximalkraft ist er schon weit vorne dabei. In den Drehungen ist er noch ein bisschen zu ungestüm und kann dem Hammer etwas mehr Länge geben. Da sind die größten Reserven. Früher war Merlin oft ungeduldig, das hat sich verbessert. Merlin ist aufnahmebereiter geworden und ein sehr bewusster Athlet.

Seit Markus Esser, der in seinem ersten U23-Jahr 76 Meter geworfen hatte, ist Merlin mit seinen 75,66 Metern der beste DLV-Hammerwerfer in diesem Alter. Wir hoffen, dass die Entwicklung geradlinig weitergeht. Ohne Stress zu verbreiten, sollte dann pro Jahr eine Steigerung um anderthalb Meter möglich sein. 2024 wären das dann 78 Meter.

In diesem Jahr hatte Merlin großes Pech, dass ihm im Ranking zwei Punkte zur EM-Qualifikation gefehlt haben, obwohl er in der europäischen Bestenliste zu diesem Zeitpunkt auf Platz zwölf lag. Das war tragisch. Ich hoffe, dass ihn das nicht zu sehr runtergerissen hat. Insgesamt ist er auf einem guten Weg, sein Trainer ist sehr akribisch. Die beiden sind ein sehr gutes Team.

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