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WEITSPRUNG MÄNNER | Verletzungsmisere begleitet deutsche Protagonisten

Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: Weitsprung der Männer.
Svenja Sapper

Das ist 2022 passiert

Die deutschen Weitspringer einte in dieser Saison folgendes Schicksal: Sie alle haderten mit gesundheitlichen Problemen, konnten ihr Potenzial nicht abrufen und letztlich fehlte dem ein oder anderen wohl auch das nötige Glück. „Eine solche Verletzungsmisere habe ich in 15 Jahren als Bundestrainer noch nie erlebt“, sagt der Leitende Bundestrainer Sprung Uwe Florczak. Zu Jahresbeginn zeigten die DLV-Asse auf Gran Canaria (Spanien) noch Trainingsleistungen, die für die Saison hoffen ließen. Beim Indoor Meeting in Karlsruhe ließ Maximilian Entholzner (LAC Passau) mit 7,92 Metern unter anderem seinen spanischen Trainingspartner, den Olympia-Vierten Eusebio Caceres, hinter sich.

Auch im Sommer kam Maximilian Entholzner mit 7,99 Metern der Acht-Meter-Marke am nächsten, zeitweise von einem Knochenmarködem ausgebremst. Bereits bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin hatte er allerdings mit Anlaufproblemen zu kämpfen und musste sich mit Platz drei zufriedengeben. Noch härter traf den Bayern jedoch sein Abschneiden bei der EM in München: „Ich bin ein bisschen sprachlos und am Boden zerstört“, kommentierte er dort sein Qualifikations-Aus. Nach einem vielversprechenden, um Haaresbreite ungültig gegebenen Auftakt ließ er einen weiteren Fehlversuch folgen – im alles entscheidenden Durchgang rutschte dem 28-Jährigen dann beim Absprung der Fuß weg, sodass für ihn keine vernünftige Weite ins Protokoll einging. Bitter für den deutschen Jahresbesten, der sich in der Form seines Lebens wähnte.

Nationalmannschaftskollege Fabian Heinle (VfB Stuttgart) erging es ähnlich. Es war die Gesundheit, die ihm trotz vielversprechender Ansätze einen Strich durch die Rechnung machte. In der Hallensaison erlitt er zunächst eine Zerrung, errang aber trotzdem den deutschen Meistertitel in der Halle und später auch im Freien. Mit 7,64 Metern konnte der Stuttgarter, noch geschwächt von einer Corona-Infektion, bei der Heim-EM ebenfalls nicht um die Finalplätze mitspringen. Bei der WM in Eugene (USA) war der DLV nicht vertreten.

Verletzungsprobleme zogen sich auch durch die Saison von Oliver Koletzko (noch Wiesbadener LV, ab 2023 VfB Stuttgart). Für den U20-Europameister hatte das Jahr mit Platz zwei bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Leipzig vielversprechend begonnen. Doch ausgerechnet bei diesem Wettkampf zog sich der 19-Jährige einen Sehnenanriss im Beuger zu, dessen Heilung Zeit benötigte.

Nach seinem zweiten Platz bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin und überzeugenden Auftritten bei der Mannheimer Junioren-Gala und der Jugend-DM in Ulm keimte für die U20-WM wieder Hoffnung auf. Doch kurz vor dem Jahres-Highlight traten erneut Fußprobleme auf – 7,51 Meter reichten in Cali (Kolumbien) um sechs Zentimeter nicht fürs Finale. Den Weg zu einer möglichen U23-EM-Teilnahme im kommenden Jahr wird Koletzko als Trainingspartner von Fabian Heinle bestreiten. Der 19-Jährige hat sich der Stuttgarter Trainingsgruppe von Tamas Kiss angeschlossen – leider weiterhin vom Pech verfolgt, denn zurzeit muss er wieder aufgrund einer Verletzung kürzertreten.

Erst knapp 20 Jahre jung und damit ebenfalls ein Kandidat auf einen Start in Espoo (Finnland) ist auch Simon Batz (LG Landkreis Kelheim), der Deutsche U23-Meister. Nachdem er auf Gran Canaria bei einer Leistungsdiagnostik aus 16 Anlaufschritten 7,89 Meter weit gesprungen war, verletzte auch er sich und konnte nicht mehr an die Trainingsergebnisse anknüpfen.

Bester deutscher Weitspringer der U18 war Benedikt Thomas Wallstein. Das Multitalent aus Gotha führt die deutschen Jahresbestenlisten seiner Altersklasse auf den 100 und 200 Metern sowie im Weitsprung (7,50 m) an und räumte auch alle drei Titel bei den Deutschen U18-Meisterschaften ab. Dahinter braucht sich Simon Plitzko (Hamburger SV) mit einer Bestleistung von 7,44 Metern nicht zu verstecken. Bei den U18-Europameisterschaften in Jerusalem (Israel) erging es ihm jedoch ähnlich wie so vielen Disziplin-Kollegen in dieser Saison: Im Finale musste er mit Schmerzen auf seinen letzten Versuch verzichten. Immerhin erzielte er das einzige Top-Acht-Ergebnis eines deutschen Weitspringers in dieser Saison.

Auch Fabius Schmitt (LG Forchheim) war beim European Youth Olympic Festival (EYOF) in Banská Bystrica (Slowakei) das Glück nicht hold: Für ihn wurden ein verunglückter Sprung auf 4,12 Meter und zwei ungültige Versuche notiert. Der mehrmalige Deutsche Meister und einstige Hallen-EM-Fünfte Julian Howard (LG Region Karlsruhe) konnte in diesem Sommer keinen Wettkampf bestreiten und gab Ende Juni sein Karriereende bekannt. „Ein großer Verlust“, findet der Leitende Bundestrainer Sprung Uwe Florczak.

Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
Hallen-WM –  – 
WM –  – 
EM –  – 
U20-WM –  – 
U18-EM –  8. Platz Simon Plitzko
EYOF –  10. Platz Fabius Schmitt

Unser "Ass des Jahres"

Fabian Heinle (VfB Stuttgart)
Deutscher Hallen- und Freiluftmeister
EM-Teilnehmer

Unser "Talent des Jahres"

Simon Plitzko (Hamburger SV)
Achter der U18-Europameisterschaften
Siebter der europäischen U18-Bestenliste

Die deutschen Top 2022

Weitsprung Männer

Zeit Name Jahrgang Verein
7,99 m Maximilian Entholzner 1994 LAC Passau
7,81 m Fabian Heinle 1994 VfB Stuttgart 1893
7,70 m Felix Wolter 1997 TSV Gräfelfing
7,69 m Oliver Koletzko 2002 Wiesbadener LV
7,65 m Leo Neugebauer 2000 LG Leinfelden-Echterdingen
7,59 m Nick Schmahl 2001 Hamburger SV
7,58 m Malik Diakité 2000 Hannover 96
7,56 m Till Steinforth 2002 SV Halle
7,56 m Kai Kazmirek 1991 LG Rhein-Wied
7,56 m Valentin Brenner 2004 LC Top Team Thüringen

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: Weitsprung Männer

Jahr > 8,15 Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  1 8,07 7,96 7,83
2006  – 7,98 7,95 7,83
2007  1 8,14 8,06 7,92
2008  1 8,13 8,06 7,92
2009  2 8,24 8,16 8,04
2010  1 8,17 8,05 7,90
2011  2 8,17 8,10 7,94
2012  3 8,27 8,13 7,93
2013  2 8,21 8,13 7,97
2014  2 8,26 8,14 7,96
2015  2 8,15 8,00 7,83
2016  1 8,05 7,99 7,88
2017  1 7,94 7,88 7,76
2018  2 8,18 8,10 7,90
2019  –  7,97 7,90 7,81
2020  –  7,95 7,87 7,73
2021  –  8,02 7,91 7,80
2022  –  7,83 7,77 7,67

Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 8,21 (Winter) 8,31 (Zuskov/UKR) 0,10 8,60 (Philips/USA) 0,39
2006 8,01 (Koenig) 8,41 (Howe/ITA) 0,40 8,56 (Saladino/PAN) 0,55
2007 8,19 (Reif) 8,66 (Tsatoumas/GRE) 0,47 8,66 (Tsatoumas/GRE) 0,47
2008 8,15 (Bayer) 8,44 (Tsatoumas/GRE) 0,29 8,73 (Saladino/PAN) 0,58
2009 8,49 (Bayer) 8,49 (Bayer) 0,00 8,74 (Philips/USA) 0,25
2010 8,47 (Reif) 8,47 (Reif) 0,00 8,47 (Reif) 0,00
2011 8,26 (Reif) 8,35 (Tomlinson/GBR) 0,09 8,54 (Watt/USA) 0,28
2012 8,34 (Bayer) 8,35 (Rutherford/GBR) 0,01 8,51 (Rutherford/GBR) 0,01
2013 8,29 (Camara) 8,56 (Menkov/RUS) 0,27 8,56 (Menkov/RUS) 0,27
2014 8,49 (Reif) 8,51 (Rutherford/GBR) 0,02 8,51 (Rutherford/GBR) 0,02
2015 8,25 (Heinle) 8,41 (Rutherford/GBR) 0,16 8,52 (Henderson/USA) 0,27
2016 8,21 (Camara) 8,44 (Torneus/SWE) 0,23 8,58 (Lawson/USA) 0,37
2017 8,15 (Howard) 8,32 (Menkov/RUS/ANA) 0,17 8,65 (Manyonga/RSA) 0,50
2018 8,20 (Hartmann/Howard) 8,27 (Juska/CZE) 0,07 8,68 (Echevarria/CUB) 0,48
2019 8,05 (Heinle) 8,32 (Tentoglou/GRE) 0,27 8,69 (Gayle/JAM) 0,64
2020 8,06 (Howard) 8,27 (Pulli/FIN) 0,21 8,36 (Wang/CHN) 0,30
2021 8,12 (Entholzner) 8,60 (Tentoglou/GRE) 0,48 8,60 (Tentoglou/GRE) 0,48
2022 7,99 (Entholzner) 8,52 (Tentoglou/GRE) 0,53 8,52 (Tentoglou/GRE) 0,53

Das fällt auf:

  • Es war ein schwieriges Jahr für den deutschen Männer-Weitsprung. Erstmals seit Einführung unseres Disziplin-Checks konnte kein Athlet die Acht-Meter-Grenze durchbrechen. Auch die Durchschnittswerte der Top Drei, Fünf und Zehn sind im Vergleich zu den Vorjahren abgerutscht.
  • Kein DLV-Weitspringer konnte in diesem Jahr zeigen, was in ihm steckt. Verletzungen, Corona-Infektionen, Anlaufprobleme – die Komplikationen, die den Athleten das Springen erschwerten, waren vielfältig.
  • Bundestrainer Uwe Florczak blickt dennoch optimistisch in Richtung 2023. Sowohl Maximilian Entholzner als auch Fabian Heinle traut er Sprünge im Bereich der acht Meter und die Qualifikation und Finalteilnahme bei der WM in Budapest (Ungarn) zu. Oliver Koletzko und Simon Batz sieht er als aussichtsreiche Kandidaten für die U23-EM in Espoo (Finnland).
  • An dritter Stelle der deutschen Jahresbestenliste hat sich noch vor Oliver Koletzko Zehnkämpfer Felix Wolter eingereiht. Mit den WM-Startern Leo Neugebauer und Kai Kazmirek sowie dem 8.000-Punkte-Mann Malik Diakité und U20-EM-Teilnehmer Till Steinforth stellen Allrounder die Hälfte der deutschen Top Ten.
  • Der Abstand der deutschen Jahresbestleistung zum internationalen Spitzenreiter Miltiadis Tentoglou ist etwa gleich geblieben und beträgt wie 2021 rund einen halben Meter. Der Grieche verlor in Eugene im letzten Versuch WM-Gold an den Chinesen Jianan Wang, verteidigte aber in München erfolgreich seinen EM-Titel von Berlin.
  • Der Schweizer Zehnkämpfer Simon Ehammer holte mit 8,16 Metern WM-Bronze im Weitsprung.
  • Das EM-Podium komplettierten weitengleich mit 8,06 Metern Thobias Montler aus Schweden und der Franzose Jules Pommery.
  • Mit dem Italiener Mattia Furlani, der bei der U18-EM nicht nur im Weitsprung triumphierte, sondern auch den Hochsprung für sich entschied, wächst ein riesiges Talent heran. In Jerusalem überflog der Teenager mit 8,04 Metern gar die Acht-Meter-Marke.  

leichtathletik.TV-Clips:

Weitsprung

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hindernis Frauen
Hindernis Männer
Gehen Frauen
Gehen Männer
Hochsprung Frauen
Hochsprung Männer
Weitsprung Frauen

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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