| Masters-Leichtathlet des Jahres 2022

Klemens Wittig: „Glück musst du dir erarbeiten“

Er ist nicht nur auf deutschen Straßen und im Gelände unterwegs, sondern auch erfolgreich auf der Kunststoffbahn. Angekommen in der Altersklasse M85, wird 2022 zu „seinem“ Jahr. Er verschiebt gekonnt Grenzen: So etwa im 10-Kilometer-Straßenlauf, den er in 50:33 Minuten bewältigt. Weltbestzeit! Oder im Halbmarathon in 1:58:31 Stunden. Europarekord! Ein Gespräch mit Klemens Wittig (LC Rapid Dortmund), dem frisch gekürten „Leichtathleten des Jahres 2022“ im Bereich Masters.
David Deister

Herzlichen Glückwunsch! Zum zweiten Mal nach dem Jahr 2013 wurden Sie von der Leichtathletik-Community und einer Expertenjury zum „Leichtathleten des Jahres“ im Bereich Masters gekürt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Klemens Wittig:
Das freut mich, ich bin überwältigt und finde kaum Worte. Es ist die Anerkennung meiner Leistung. Danke.

Der nächste Höhepunkt steht schon vor der Tür. Vom 26. März bis 1. April finden die Hallen-Weltmeisterschaften im polnischen Torun statt. Schon 30 Weltmeistertitel haben Sie im Masters-Bereich auf der Habenseite. Wie viele Titel streben Sie in Polen an?

Klemens Wittig:
Ich habe in allen sechs Laufdisziplinen gemeldet. Die Anmeldelisten sind noch recht übersichtlich. Meine engsten Rivalen haben bis dato noch gar nicht gemeldet. Gut möglich, dass es am Ende für mich einige oder viele Rennen gegen die Uhr gibt. Und ich auf Platz laufen und so womöglich wertvolle Reserven schonen kann. Am Ende ist der Detail-Zeitplan mitentscheidend. Sechsmal Einzelgold – das ist mein Traum. Und wenn in Sachen Anreise und Gesundheit alles gut läuft, werden wir darüber hinaus eine aussichtsreiche M85-Crosslauf-Mannschaft an den Start bringen.
 
Wie läuft es aktuell bei Ihnen im Training?

Klemens Wittig:
Ich habe gerade meine fünfte Corona-Schutzimpfung hinter mir und am Fuß mit einem Fersensporn zu kämpfen. Momentan heißt es dehnen, dehnen und dehnen im eigenen Treppenhaus. Und stehenderweise den Ballen kräftigen. Von daher bin ich etwas im Trainingsrückstand und komme nur auf 30 Lauf-Kilometer in der Woche. In den Wochen vor Torun möchte ich bei einem Pensum von 50 bis 60 Trainingskilometern stehen.

Hohe Belastungen im Alter sind das eine – wie schaffen Sie das, wie regenerieren Sie?

Klemens Wittig:
Ich komme täglich auf 8 bis 10 Stunden Schlaf. Guter Schlaf ist für mich das Wichtigste, da erhole ich mich sehr gut. „Essen und Trimmen – alles muss stimmen“ – da halte ich es ganz mit Ingo Froböse [Erläuterung: Sportexperte an der Deutschen Sporthochschule in Köln]. Gelingen demnach Belastung und Balance, kannst du in jedem Alter deine Ausgangsleistungsfähigkeit um 30 bis 40 Prozent verbessern. Bei mir beginnt der Tag mit gutem Mehrkorn-Brot, Wurst, echtem Bienenhonig und einem Müsli. Mittags oder abends gibt es Hausmannskost, oft Suppe, ein- bis zweimal wöchentlich Fisch. Und aus dem eigenen Garten gibt es Gemüse und Obst, dazu Hülsenfrüchte. Am Abend genehmige ich mir eine Flasche Bier. 

Sich eigene Ziele zu setzen, an die Zielerreichung glauben und sich wieder und wieder zu motivieren – ist Ihnen der Erfolg in die Wiege gelegt oder hart erarbeitet? 

Klemens Wittig:
Es geht darum, den inneren Schweinehund zu überwinden. Glück musst du dir erarbeiten – das ist kein Widerspruch. Das gilt auch für meinen beruflichen Werdegang, Vieles hat sich gefügt. Gottglauben hatte ich von Klein auf. Der liebe Gott hat uns Verstand und freien Willen gegeben. Da kann Jeder was daraus machen, das ist ein großes Geschenk. Seit 48 Jahren bin ich in der Kirche ganz unterschiedlich engagiert, mit allen Aufgaben vertraut. Sei es im Pfarrgemeinderat oder etwa als Lektor. Ab und an helfe ich heute noch als Messdiener aus.

Und sportlich gesehen? 

Klemens Wittig:
Hochzukommen und sich, teils qualvoll, dem Ziel zu nähern und schließlich den Gipfel tatsächlich zu erreichen – das ist das Schönste und Größte der Gefühle. Es ist innere Befriedigung und schiere Befreiung zugleich, wenn die Endorphine und anderen Glückshormone sich breit machen. Das erlebe ich auch abseits meiner Leidenschaft Laufen bei meinen Fahrrad- und Bergtouren.

Haben Sie schon Ziele für die Zeit nach den Hallen-Weltmeisterschaften? 

Klemens Wittig:
Die Hallen-WM ist der Auftakt. Das weitere Nahziel ist die Teilnahme am Hamburg-Marathon am 23. April. Dort möchte ich den aktuellen Europarekord (4:20:11 h) in meiner Altersklasse unterbieten – das ist das Ziel. Im Spätsommer finden dann die Deutschen Meisterschaften (12./13. August in Mönchengladbach) und die Masters-Europameisterschaften in Pescara (Italien; 21. September bis 1. Oktober) statt. Dort will ich mir die nächsten Goldmedaillen erlaufen.

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