| Leichtathlet des Jahres 2022

Niklas Kaul: "Zusätzliche Motivation"

Mit einer spektakulären Aufholjagd krönte sich Niklas Kaul in der vergangenen Saison zum Zehnkampf-Europameister. Nun wurde der Mainzer zum „Leichtathleten des Jahres“ 2022 gewählt. Im Interview spricht Kaul über seine Motivation trotz Rückschlägen und seine Ziele für die Olympischen Spiele 2024.
Alexander Dierke

Niklas Kaul, Gratulation zur Wahl als „Leichtathlet des Jahres“ 2022. Zum zweiten Mal nach 2019 geht die Auszeichnung an Sie – in diesem Jahr entschied nach vorausgegangener Publikumswahl erstmals eine Experten-Jury über die Top-Drei-Platzierungen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Niklas Kaul:
Ich freue mich da sehr drüber, weil es das Jahr 2022 noch einmal schön abschließt und ein Stück weit zusätzliche Motivation gibt, auf das, was in Zukunft hoffentlich noch kommt, auch mit Blick auf die neue Saison.

Beide Male ging der Auszeichnung eine äußerst erfolgreiche Saison voraus, 2019 wurden Sie sensationell Weltmeister, im letzten Jahr stürmten Sie mit einer überragenden Aufholjagd noch zum Europameister-Titel. Welcher Titel bedeutet Ihnen mehr?

Niklas Kaul:
Sportlich gesehen natürlich der WM-Titel. Rein aus emotionaler Sicht überwiegt für mich hingegen der EM-Sieg, weil es zu Hause noch einmal etwas ganz Besonderes war. Die Stimmung im Stadion war der Wahnsinn, und es war sehr schön, dass Freunde und Familie vor Ort waren, die sonst bei Wettkämpfen, die weiter weg sind, nicht dabei sein können.

Hat die Kulisse von München Sie bei Ihrer Aufholjagd noch einmal zusätzlich beflügelt?

Niklas Kaul:
Sicherlich, auch wenn der Fokus während des Wettkampfs in erster Linie bei einem selbst und auf den einzelnen Disziplinen liegt. Aber natürlich hilft es, wenn einen das Publikum bei jedem Versuch noch einmal zusätzlich anfeuert, um am Ende die letzten Körner freizusetzen, die man braucht, um eine solche Aufholjagd noch hinzubekommen.

Der Start in die vergangene Saison war für Sie schwierig, nach Ihrer Sprunggelenksverletzung und dem bitteren Aus bei den Olympischen Spielen konnten Sie fast ein Jahr keinen vollständigen Wettkampf absolvieren. Wie haben Sie sich während dieser Zeit motiviert?

Niklas Kaul:
(lacht) Das war vergleichsweise einfach. Die Umstände waren natürlich extrem bitter, das erste Mal bei Olympia dabei zu sein und dann den Wettkampf nicht beenden zu können, aber ich habe im Training gesehen, dass es in vielen Disziplinen gut läuft. Von daher habe ich immer daran geglaubt, dass alles irgendwann wieder zusammenpassen wird. Dass das dann ausgerechnet bei der EM so gut geklappt hat, ist schon eine tolle Sache, weil für mich für die letzte Saison relativ schnell klar war, dass mein Fokus auf dem Wettkampf in München liegt. Ich glaube, dieser Gedanke hat mich nach der Verletzung in Tokio wieder aufgebaut, weil er mir ein neues Ziel gegeben hat.

Inwiefern hat sich der Mensch Niklas Kaul in diesen anderthalb Jahren weiterentwickelt?

Niklas Kaul:
Ich glaube, mir hat insbesondere die Verletzung bei Olympia noch einmal gezeigt, dass man sportlichen Erfolg nicht zu leichtfertig hinnehmen sollte. Also nicht immer davon ausgehen kann, dass schon alles klappen wird. Ich kann es nun noch einmal mehr wertschätzen, wenn es im Wettkampf gut funktioniert. In dem Bereich hat mir die Zeit zwischen dem WM- und EM-Titel schon geholfen.

Mit der WM in Budapest steht 2023 bereits das nächste große Highlight auf dem Programm. In Eugene belegten Sie Rang sechs, insgesamt war es für das DLV-Team die schwächste Weltmeisterschaft der Geschichte. Was ist in diesem Jahr das Ziel für Sie persönlich und die deutsche Leichtathletik?

Niklas Kaul:
Na ja, besser als Platz sechs (lacht). Aber in erster Linie geht es für mich darum, die Direktnorm für die Olympischen Spiele zu erfüllen, damit ich mich mit etwas mehr Ruhe auf Paris vorbereiten kann. Ich hoffe, dass ich diesen Plan schon bei dem ersten Zehnkampf in dieser Saison angehen kann, um bei der WM dann befreit einen guten Wettkampf machen zu können. Aber klar ist auch, dass im Zehnkampf immer um die acht Leute um die drei Medaillen streiten – da entscheidet die Tagesform immer etwas mit. Für eine Prognose ist es sicherlich noch zu früh, aber aktuell fühle ich mich sehr gut. Wenn ich das in den nächsten sieben Monaten so beibehalten kann und verletzungsfrei durch die Vorbereitung komme, ist bei der WM eine gute Punktzahl möglich.  

Und dann kommt auch schon 2024 mit den nächsten Olympischen Spielen …

Niklas Kaul:
Das ist das ganz große Ziel und für mich das übergeordnete Thema. Das einzige, was mir noch fehlt, ist eine Olympia-Medaille. Dementsprechend ist da eigentlich alles jetzt schon drauf ausgerichtet.

Blicken wir noch eimal auf die nahe Zukunft – im Februar geht es für Sie wie schon in den vergangenen beiden Jahren wieder nach Südafrika ins Trainingslager. Ein gutes Omen?

Niklas Kaul:
Ich war in den Jahren, in denen ich in Südafrika war, danach auch in der Saison immer in einer sehr guten Verfassung. Von daher behalten wir das jetzt einfach mal so bei, und ich fahre die nächsten Jahre auch wieder dorthin ins Trainingslager.

Welche Schwerpunkte sind für Sie denn in dieser Vorbereitung geplant?

Niklas Kaul:
Der Vorteil, den Südafrika mitbringt, ist sicherlich das stabile, warme Wetter. Bei diesen Bedingungen kann man besonders im Bereich Schnelligkeit viel machen. Deshalb wird gerade der Bereich Sprint/Hürde und der Wurfbereich mit Diskus und Speer im Fokus stehen. Im Diskuswurf will ich wieder an alte Leistungen anknüpfen und stabil im hohen 40-Meter-Bereich werfen, weil das in der letzten Saison nicht so gut funktioniert hat. Im Speerwurf wollen wir die warmen Verhältnisse vor allem für Technikeinheiten nutzen, was zu Hause während des Winters doch eher schwierig ist.

Mehr:
Malaika Mihambo und Niklas Kaul triumphieren als "Leichtathleten des Jahres" 2022

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024