| Leute

Alina Reh und die neue Freude am Laufen

Rund drei Jahre lang lief Alina Reh praktisch in einer Sackgasse. Während früher regelmäßig Bestzeiten purzelten, lief es seit dem Spätsommer 2019 unrund für Alina Reh. Am vergangenen Sonntag fand Alina Reh den Weg zurück zu einer persönlichen Bestzeit: Im Halbmarathon lief sie in Sevilla als Zweite nach 68:42 Minuten ins Ziel. Dieses Ergebnis macht Mut.
Jörg Wenig

68:42 Minuten beim Halbmarathon in Sevilla (Spanien): Wie stark das war, verdeutlicht ein Blick in die Bestenlisten. Denn mit dieser Zeit wurde Alina Reh (SCC Berlin) in Deutschland zur viertschnellsten Halbmarathonläuferin der Geschichte. In der europäischen Jahresbestenliste 2022 hätte sie mit diesem Ergebnis immerhin Rang zehn belegt. „Die Idee, einen Halbmarathon zu laufen, entstand kurzfristig erst im Trainingslager“, erzählt Alina Reh, die mit der Gruppe ihrer neuen Trainerin Isabelle Baumann im portugiesischen Monte Gordo war.

Erstmals seit rund drei Jahren wieder einen Halbmarathon zu laufen, hatte auch damit zu tun, dass sich Alina Reh der Qualifikation für die Weltmeisterschaften im Sommer in Budapest (Ungarn; 19. bis 27. August) über 10.000 Meter nicht sicher sein kann. „Die Norm steht bei 30:40 Minuten, das ist schon eine Hausnummer“, sagt die 25-Jährige. Ein Blick in die Jahresweltbestenliste bestätigt das: Lediglich 15 Läuferinnen blieben 2022 unter dieser Zeit. Für die Halbmarathon-Weltmeisterschaften am 1. Oktober in Riga (Lettland) liegen zwar noch keine Qualifikationskriterien vor, doch die 68:42 Minuten sollten für Alina Reh bereits reichen, um bei diesen Titelkämpfen an den Start gehen zu können.

Schwierige Jahre

Der Wettkampf in Sevilla war eine Kehrtwende zu den Schwierigkeiten, mit denen Alina Reh in der Vergangenheit zu kämpfen hatte. Hinter ihr liegen unruhige Jahre, geprägt von Trainerwechseln, Verletzungen und natürlich der Corona-Pandemie. Ihren Weg von 2019 bis 2021 prägten Lockdown, Ermüdungsbruch im Wadenbein und Knieprobleme, die ihren Olympia-Start 2021 unmöglich machten. Nachdem sie sich im Dezember 2021 mit Platz drei bei der Cross-EM zurückmelden konnte, kämpfte sie nur eine Woche später mit einer Herzmuskelentzündung als Folge einer Impfung. An Training und Wettkämpfe war nicht mehr zu denken.  

„Es zog sich bis Ende März hin. Erst dann habe ich gemerkt, dass es wieder funktioniert und ich meinen Körper wieder belasten kann. Das war ein gutes Gefühl nach der Ungewissheit, denn es gab ja keine Erfahrungswerte“, erzählt Alina Reh, die jedoch noch lange brauchte, bis sie sich wieder richtig ausbelasten konnte.

Wechsel zu Isabelle Baumann

Sie schaffte die Qualifikationen für die EM und die WM. „Aber es gab immer wieder Phasen der Müdigkeit, auch noch im Sommer.“ Bei den internationalen Höhepunkten war sie dann wieder weit weg von ihrer Bestform: Vorlauf-Aus über 5.000 Meter bei der WM, Platz acht im EM-Finale über 10.000 Meter und das Aus im 5.000-Meter-Finale in München. „Nach der WM war es wieder schwer und ich hatte für die EM einfach zu hohe Erwartungen. Ich dachte, ich kann zumindest mitrennen und war dann schließlich mental blockiert.“

Es folgten eine längere Pause und schließlich ein nochmaliger Trainerwechsel. „Nach der EM hatte ich keinerlei Motivation und zum ersten Mal überhaupt keine Lust mehr auf das Laufen“, erzählt Alina Reh. „Dann habe ich entschieden, dass ich mich der Gruppe von Isabelle Baumann in Tübingen anschließe. Dass Isabelle jetzt meine Trainerin ist, ist wie ein Geschenk für mich!“

Gruppe tut ihr gut

Für die wichtigsten Trainingseinheiten fährt Alina Reh jetzt zwei- bis dreimal pro Woche nach Tübingen. „Das dauert je nach Verkehr 45 bis 60 Minuten. Und wenn nötig findet sich auch immer eine Übernachtungsmöglichkeit.“ Zum ersten Mal in ihrer leistungssportlichen Karriere hat Alina Reh jetzt im Trainingsalltag Partner, die ihrem Niveau entsprechen, darunter auch die EM-Fünfte über 1.500 Meter, Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen).

„Ich mache einige Einheiten mit Hanna zusammen, aber sie ist natürlich noch mehr auf kürzere Strecken orientiert. Es gibt aber genügend Männer in der Gruppe“, sagt die EM-Dritte über 10.000 Meter von 2018, die im vergangenen Dezember bei der Cross-EM erneut auf den Bronze-Rang lief. 

Der Schritt zur Tübinger Laufgruppe von Isabelle Baumann scheint Alina Reh wieder in die Erfolgsspur zurück zu bringen. „Das ist jetzt ein ganz anderes Laufgefühl: es ist deutlich einfacher in der Gruppe, das Umfeld tut gut und es macht wieder Spaß. Für mich ist es jetzt wichtig, dass ich gut durch das Jahr komme“, sagt Alina Reh, die im heimatlichen Laichingen auch weiter im Lebensmittelgeschäft ihrer Eltern tätig ist, sofern es die Trainingszeiten erlauben. „Das ist gut für den Kopf, ich muss auch noch was anderes machen außer laufen.“ 

Kurzer Auftritt in der Halle

Nach einem kurzen Abstecher in die Halle, wo sie bei den Deutschen Meisterschaften in Dortmund am 18. Februar über 3.000 Meter antreten wird, plant sie im Frühjahr mit Straßenrennen über 10 Kilometer und voraussichtlich einem weiteren Halbmarathon. „Ich habe Lust auf die Straße“, sagt Alina Reh, die beim SCC Berlin zum Marathon-Team Berlin gehört.

Bis zu einem Marathon-Debüt wird es aber voraussichtlich noch einige Zeit dauern. Obwohl ihre Halbmarathon-Bestzeit schon jetzt darauf hindeutet, dass sie in einen Bereich von 2:24 bis 2:25 Stunden laufen könnte – in den letzten drei Jahren lief keine deutsche Läuferin unter 2:25 Stunden –, sagt Alina Reh: „An ein Marathon-Debüt denke ich jetzt noch nicht.“

Mehr:
Alina Reh und Deborah Schöneborn mit Klasse-Bestzeiten auf dem Podest

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024