| Neue Meisterin

Louise Wieland – Überraschungssiegerin möchte weiter aufsteigen

Zehn Athletinnen und Athleten, die noch nie einen Titel bei Deutschen Hallenmeisterschaften gewonnen haben, standen Ende Februar in Dortmund ganz oben auf dem nationalen Podium. Einige von ihnen sind schon länger Teil der DLV-Spitze, die meisten dagegen neue Gesichter. Wir stellen sie vor. Heute: Sprinterin Louise Wieland (Hamburger SV).
Jan-Henner Reitze

Louise Wieland
Hamburger SV

Bestleistungen:

60 Meter: 7,39 sec (2023)
100 Meter: 11,70 sec (2022)
200 Meter: 23,51 sec (2023; Halle)

Erfolge:

Deutsche Hallen-Meisterin 2023

Ihr Talent und ihre Leidenschaft für den Sprint brachten Louise Wieland in den Nachwuchsklassen in Finals bei Deutschen Meisterschaften und ermöglichten dank eines Stipendiums ein Auslands-Studienjahr in den USA. Als nationale Titelträgerin oder gar mit einem internationalen Einsatz machte die 23-Jährige aber noch keine Schlagzeilen. Kleinere und größere Verletzungssorgen verhinderten immer wieder, dass sie ihr komplettes Potential ausschöpfen konnte. Es dauerte auch etwas, bis die gebürtige Bayerin komplett in ihrer aktuellen Wahlheimat Hamburg ankam.

Erst seit anderthalb Jahren gelingt es der Studentin in der Gruppe von Trainer Dominik Ludwig kontinuierlich an ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Dass es bergauf ging, deutete sich schon im vergangenen Jahr an. Trotzdem war der Name Louise Wieland zum Start der zurückliegenden Hallensaison den meisten in der Szene noch eher unbekannt.

Das änderte sich schlagartig im Finale der Hallen-DM in Dortmund. In neuer Bestzeit von 23,51 Sekunden ließ die Athletin des Hamburger SV Titelverteidigerin und Favoritin Jessica-Bianca Wessolly (VfL Sindelfingen; 23,68 sec) hinter sich und überraschte mit Gold. Das ist eine Belohnung dafür, dass die Sprinterin ihre leistungssportlichen Ziele auch über Jahre ohne großen Durchbruch weiterverfolgt hat. Und eine neue Motivation, weiter zu arbeiten, um der internationalen Spitze näher zu kommen.

Der Fernseher als Inspiration

Als Kind unbedingt die Leichtathletik ausprobieren, wollte Louise Wieland im Alter von sieben Jahren. „Da habe ich Sprinterinnen bei einer internationalen Meisterschaft im Fernsehen gesehen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, welche es war. Aber ich wollte diesen Sport unbedingt ausprobieren“, erinnert sich die heutige Leistungssportlerin. Nahe ihrem Heimatort Icking bei München bot der SC Baierbrunn diese Möglichkeit. „Dort ging es vor allem um Spaß, es waren auch viele Freunde von mir im Training dabei.“

Bei der jungen Athletin wurde der Spaß an der Leichtathletik allerdings stärker geweckt als bei den weiteren Mitgliedern ihrer Trainingsgruppe, die kein großes Interesse an Wettkämpfen zeigte. So war die junge Athletin bei Veranstaltungen in der Region häufig die einzige Teilnehmerin aus ihrem Verein und kam dabei mit der LG Stadtwerke München in Kontakt. Dort wurde leistungsbezogener trainiert. „Als ich 15 Jahre alt war, bin ich dorthin gewechselt. Obwohl mit jedem Training jeweils eine Stunde Hin- und Rückfahrt verbunden waren.“

In ihrer neuen sportlichen Heimat kam die damalige Schülerin sofort glänzend zurecht und war gleich mittendrin in der Mannschaft von Trainerin Caroline Harder. In der Altersklasse W15 ging es erstmals zu Deutschen Meisterschaften, im Blockmehrkampf und Einzel. Dabei gewann die heutige Spitzensportlerin im Jahr 2015 als Schlussläuferin der Staffel ihres neuen Vereins über 4x100 Meter (49,11 sec) in Köln gleich die Bronzemedaille. Über 100 Meter erreichte die damals 15-Jährige außerdem das B-Finale (12,60 sec), in dem sie Siebte (13,01 sec) wurde.

In der Jugend gut dabei, aber nicht ganz vorne

Die Leidenschaft für den Sport war endgültig geweckt, und Deutsche Jugendmeisterschaften wurden in den Folgejahren der Saisonhöhepunkt. Zuerst war Louise Wieland auch noch im Mehrkampf aktiv, versuchte sich auch mal über 400 Meter Hürden, mehr und mehr wurde aber der Sprint zu ihrer Disziplin. Einerseits weil die Leistungen dort vielversprechend waren, anderseits weil Verletzungen dagegen sprachen, auf eine Sprungdisziplin zu setzen. Vor allem die Füße machten immer wieder Probleme und verhinderten ein kontinuierliches Aufbautraining. „Ich habe viel auf dem Fahrrad gesessen, wenn die anderen Tempoläufe gemacht haben.“

Dennoch gehörte die Nachwuchsathletin in den Altersklassen U18 und U20 zur erweiterten DLV-Spitze und stand mehrfach in Finals der Jugend-DM. Beste Platzierung war Rang vier im Jahr 2019 in Ulm (24,49 sec) in der Altersklasse U20.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die damals 19-Jährige schon ein Auslands-Abenteuer hinter sich, das durch ihre sportliche Leistung möglich geworden war. „Nach der Schule wollte ich ins Ausland, um meine sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern, den Sport aber auf jeden Fall weitermachen.“ Beides ermöglichte ein Stipendium an der University of Alabama in Birmingham (USA). Mit wertvollen Erfahrungen kehrte die Abiturientin nach zwei Semestern zurück und entschied sich damit gegen die Option, länger in den USA zu bleiben.

Hamburg als neuer Studien- und Trainingsstandort

Jura-Studienplatz in einer Stadt, in der sie weiterhin ihre Sprintfähigkeiten trainieren kann: Zurück zu Hause war das die neue Zielstellung. Das traf auf Hamburg zu, wo es mit dem Studienplatz klappte und damals angeführt von Lucas Ansah-Peprah und Owen Ansah (beide Hamburger SV) eine starke Sprint-Trainingsgruppe bestand. 2020 folgten der Umzug und der Vereinswechsel zum Hamburger SV. Aber es lief nicht auf Anhieb rund.

Das Wunsch-Studium stellte sich als doch nicht ganz das richtige heraus. Zwei Jahre lang „quälte“ sich die Studentin durch Paragraphen und Lernstoff. Dann entschied sie sich, das Fach zu wechseln. In Psychologie läuft es seit mittlerweile drei Semestern deutlich besser, momentan in Vollzeit mit allen Veranstaltungen des Regelstudienplans. Es ist künftig aber auch möglich, das Studium zu strecken, um mehr Zeit für Training und Regeneration zu haben.

Wechsel gab es erst einmal auch in der sportlichen Betreuung. Nach einem Jahr bei Nathalie Wagner übernahm Sebastian Bayer das Training, der den HSV dann aber verließ und seine Gruppe im Herbst 2021 an Dominik Ludwig als Landestrainer übergab. Erschwert wurde das Training in der Corona-Zeit durch die strengen Auflagen in Hamburg. Da die damalige U23-Athletin nicht im Bundeskader war, durfte sie während der Lockdowns keine Trainingsanlagen betreten.

Dennoch wurden die Leistungen stetig besser, wenn auch nur in kleinen Schritten. Über 100 Meter drückte Louise Wieland ihre Bestzeit um ein paar weitere Hundertstel unter die 12-Sekunden-Marke, über 200 Meter rückte die 24-Sekunden-Marke näher. „Diese Jahre waren zäh. Ich habe mich gefragt, welche Zeiten möglich gewesen wären, wenn ich hätte voll trainieren können. Allerdings war das genauso ein Ansporn, weiter dranzubleiben bis es damit endlich klappt.“

Geduld und gute Rahmenbedingungen in Hamburg zahlen sich aus

Befreit von Sorgen rund um ihr Studium wurden zusätzliche Kapazitäten frei, um sich gedanklich mit dem Sport zu beschäftigen. Die professionelle medizinische Betreuung beim Hamburger Landesverband zeigte Wirkung und je länger die Zusammenarbeit mit Dominik Ludwig andauerte, desto klarer wurde, welche Belastungen individuell die richtigen sind. Ausfälle im Training wurden seltener. Methoden wie das Dreiphasen-Krafttraining schlugen an.

Und so musste Louise Wieland in den vergangenen beiden Jahren im Grundlagenaufbau nicht mehr so oft aufs Rad, sondern arbeitete fleißig an ihrer Sprintausdauer. Besonders bei diesen harten Einheiten profitiert sie von ihrer Trainingsgruppe, zu der auch männliche Sprinter gehören, an die sie sich dranhängen konnte. „Diese Läufe sind Teamarbeit, obwohl die Leichtathletik ja eigentlich als Einzelsportart gilt“, erzählt Louise Wieland.

Schon im vergangenen Jahr zeigte sich, welche Steigerungen bei kontinuierlichem Training möglich sind. Über 100 Meter ging die Bestzeit runter von 11,85 Sekunden auf 11,70 Sekunden. Über 200 Meter gelangen in vier Rennen Zeiten unter 24 Sekunden. Auffällig auch die Konstanz der Leistungen. In Berlin klappte es mit dem ersten DM-Finale in der Frauenklasse (Platz sieben: 24,04 sec) und in Wattenscheid bei der U23-DM mit Bestzeit (23,91 sec) zur ersten nationalen Einzel-Medaille im Nachwuchsbereich.

An diese Entwicklung konnte die 23-Jährige in der zurückliegenden Hallensaison nahtlos anschließen. Dass sie im Aufbau nicht nur wieder Tempoläufe durchziehen, sondern auch ihre Grundschnelligkeit verbessern konnte, zeigte die Steigerung über 60 Meter. Schon im vergangenen Winter war die Bestzeit von 7,70 Sekunden auf 7,52 Sekunden gepurzelt, 2023 ging es runter bis auf 7,39 Sekunden. Außerdem passte die Form bei der Hallen-DM auf den Punkt. „Wir haben die Peak-Performence gut hinbekommen.“

World University Games bieten perfektes Ziel für den Sommer

In der kommenden Freiluftsaison möchte Lousie Wieland den eingeschlagenen Weg fortsetzen, „und mich das nächste Stück an die nationale und internationale Spitze heranarbeiten.“ Die World University Games in Chengdu (China; 28. Juli bis 8. August) bieten mit der 200-Meter-Norm von 23,30 Sekunden ein realistisches Ziel für den ersten Start auf internationaler Ebene.

„Wenn ich verletzungsfrei bleibe, müsste die Qualifikation drin sein“, erklärt die Aufsteigerin. Und auch einen Platz in der Nationalmannschaft bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen ist schon während der ganzen Karriere im Hinterkopf. „Na klar, dafür macht man den Sport und arbeitet jeden Tag.“

Video-Interview: Louise Wieland: "Es klingt zu verrückt"
Video: Louise Wieland verblüfft mit schnellster 200-Meter-Runde

Das sagt Bundestrainer Ronald Stein:

Louise Wieland ist nie im Bundeskader gewesen. Es ist bemerkenswert, dass eine Athletin, der im Alter zwischen 18 und 22 Jahren nicht der entscheidende Schritt in die nationale Spitze gelungen ist, diesen dann doch noch tut. Sie ist dran geblieben und hat immer weiter an sich gearbeitet. Völlig ungewöhnlich ist es aber auch wieder nicht, dass im Alter von 23 oder 24 Jahren noch einmal ein Leistungsschub kommt. Und natürlich freue ich mich über jede weitere Athletin, die in diesen Bereich vorstößt.

Bei ihrem Sieg bei der Hallen-DM hat Louise gezeigt, dass sie viel Schnelligkeitsausdauer mitbringt. Mir ist ein gutes Stehvermögen aufgefallen. Auch ihre Bestzeit von 7,39 Sekunden über 60 Meter ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Mit ihren 23,51 Sekunden in der Halle ist bei guten Bedingungen im Freien eine tiefe 23er-Zeit möglich. Sie hat auf jeden Fall ihr Talent bewiesen, und ich werde die weitere Entwicklung gespannt beobachten.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024