| Nach Barcelona-Marathon

Filimon Abraham nimmt nach Marathon-Durchbruch Olympia ins Visier

Filimon Abraham sorgte am Sonntag beim Marathon in Barcelona (Spanien) für Aufsehen: Er rannte in seinem ersten beendeten Marathon direkt auf Rang zwei der ewigen deutschen Bestenliste. Sein nächstes großes Ziel: die Olympischen Spiele in Paris.
Jörg Wenig

Filimon Abraham wurde am vergangenen Sonntag in Barcelona (Spanien) überraschend zum zweitschnellsten deutschen Marathonläufer der Geschichte. Der 30-jährige Athlet aus Traunstein im Chiemgau lief 2:08:22 Stunden und belegte damit Rang zehn, nachdem er bei seinen beiden vorherigen Marathonrennen in Hamburg und Frankfurt 2022 jeweils nicht ins Ziel gekommen war. Nur zwölf Sekunden fehlen dem Läufer der LG Telis Finanz Regensburg noch zur internationalen Norm für die Olympischen Spiele 2024.

Der Marathon-Start in Paris (Frankreich) ist jetzt das große Ziel für Filimon Abraham. „Wenn alles gut geht und ich verletzungsfrei bleibe, denke ich, dass ich die Olympia-Norm auf einer schnellen Strecke im Herbst laufen kann. Berlin oder Frankfurt sind mögliche Rennen“, sagt Filimon Abraham.

Der Durchbruch in Barcelona hat sicherlich viele überrascht, die den Läufer bisher noch nicht besonders wahrgenommen hatten. Filimon Abraham stammt aus Eritrea und ist dort aufgewachsen. Als Kind interessierte er sich für den in seinem Heimatland sehr populären Radsport. „Doch es war für mich finanziell nicht möglich, diesen Sport zu betreiben. Ich konnte mir kein Rad kaufen“, erzählte Filimon Abraham, der dann im Fernsehen und in Zeitungsberichten die Läufer-Karrieren des äthiopischen Superstars Haile Gebrselassie und des aus Eritrea kommenden Zersenay Tadese verfolgte. Tadese wurde unter anderem fünfmal Halbmarathon- und einmal Crosslauf-Weltmeister. „Es war ein Kindheitstraum, so erfolgreich zu sein wie sie. Diese beiden Athleten sind noch heute meine Vorbilder.“

Lauf-Karriere startete in Deutschland

2014 flüchtete Filimon Abraham aus seiner Heimat. Durch den Sudan und Libyen ging es über das Mittelmeer nach Italien. Nach acht Monaten kam er in einer Flüchtlingsunterkunft im Chiemgau an. In seiner Heimat hatte er mit dem Laufsport begonnen, doch seine Lauf-Karriere startete er in Deutschland, wo er sich zunächst der LG Rupertiwinkel anschloss. „Der Sport hat mir hier auch bei der Integration geholfen“, erzählte Filimon Abraham, der seit 2020 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, während eines Gespräches beim Mainova Frankfurt-Marathon im vergangenen Herbst.

Er machte zunächst eine Lehre zum Schreiner und begann dann später halbtags als Elektriker bei einer Lampenfirma zu arbeiten. Diesen Job mit knapp 20 Stunden pro Woche hat er heute noch. „Wenn ich in Trainingslager fahre, arbeite ich die Zeit nach“, sagte Filimon Abraham. „Laufen ist für mich wie ein Freund. Es ist Freude, Motivation und Hoffnung.“

Je länger, desto besser

Je länger die Strecken, desto besser die Leistungen von Filimon Abraham, der vom einstigen Langstrecken-Bundestrainer Thomas Dreißigacker betreut wird. Über 3.000 und 5.000 Meter sind seine Bestzeiten mit 8:19,15 beziehungsweise 14:07,21 Minuten vergleichsweise deutlich schwächer als über die 10.000-Meter-Strecke, wo er sich im vergangenen Jahr auf 28:03,39 Minuten verbesserte und damit für die Europameisterschaften in München qualifizierte. Dort hatte er jedoch Pech, weil er am Tag vor dem Finale Fieber bekam und unter einem Magenproblem litt, so dass er am Ende nicht über den 19. Platz hinaus kam.

Nachdem er sich noch im Winter 2022 im Halbmarathon auf 62:35 Minuten verbessert hatte, war er bei seinem Marathon-Debüt in Hamburg im April nicht ins Ziel gekommen. Aufgrund von Muskelproblemen gab er nach 34 Kilometern auf. Auf seinen zweiten Marathon-Start in Frankfurt hatte er sich über sieben Wochen hinweg in Addis Abeba (Äthiopien) vorbereitet, wo er sich der hochkarätig besetzten Gruppe von Trainer Tessema Abshero angeschlossen hatte. Doch auch in Frankfurt hatte Filimon Abraham Pech: kurz vor dem Start bekam er eine Erkältung. Er lief zunächst trotzdem ein Tempo, das auf eine Endzeit von unter 2:10 Stunden hinauslief, fiel dann aber zurück und stieg nach der 30-Kilometer-Marke aus.

Wiedersehen mit der Familie

Im Dezember 2022 kam der Erfolg zurück – und nicht nur das. Zunächst belegte Filimon Abraham bei den Crosslauf-Europameisterschaften in der Nähe von Turin (Italien) einen starken fünften Platz. Zu Weihnachten reiste er dann nach Eritrea und sah erstmals seit seiner Flucht rund neun Jahre zuvor seine Eltern. „Meine Familie wiederzusehen, das hat mir auch für das Training sehr viel Energie gegeben“, erzählt Filimon Abraham, der zuvor mit seinen Eltern nur ab und zu telefonischen Kontakt hatte. Im Januar kehrte er dann gleich wieder nach Eritrea zurück und bereitete sich dort in Höhen von bis zu 2.400 Metern acht Wochen lang auf den Barcelona-Marathon vor. „Ich habe mich dort einer guten Trainingsgruppe angeschlossen.“

Dass er in Barcelona eine 2:08-Zeit erreicht hat, hat Filimon Abraham nicht überrascht. „Ich hatte für eine solche Zeit trainiert. Das war auch schon im letzten Jahr vor dem Frankfurt-Marathon so. Aber es muss dann auch alles bis zum Schluss stimmen, man muss 100-prozentig fit sein – das hat jetzt geklappt und ich habe mich sehr gefreut über die Zeit“, sagt der 30-Jährige. Die Olympia-Norm von 2:08:10 Stunden hatte er immer im Blick. „Ich habe alles versucht, aber es hat am Ende nicht ganz gereicht.“

Aus zweierlei Gründen ist nun ein Start bei einem schnellen City-Marathon im Herbst wichtiger als ein möglicher Weltmeisterschafts-Marathon im Hochsommer in Budapest (Ungarn; 19. bis 27. August). Um die Olympia-Norm zu unterbieten und unter den schnellsten drei deutschen Läufern während der Qualifikationsphase zu sein, braucht Filimon Abraham ein entsprechendes Rennen im Herbst. „Außerdem kann ich bei einem City-Marathon auch etwas verdienen, was sehr wichtig ist. Denn ich habe zum Beispiel durch die Trainingslager hohe Ausgaben“, sagt Filimon Abraham, der auch gerne Bergläufe in sein Training integriert. In einem Video ist sogar zu sehen, wie er in tiefem Schnee über einen Grat rennt.

Mehr: 
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