Sonia O’Sullivan, die "Queen" von Schloss Balmoral
Die Frau ist ein Phänomen. Zwei Kinder hat sie bekommen: Ciara, die ältere, und Sophie, die jüngere Tochter, die am 23. Dezember, einen Tag vor Heiligabend, geboren wurde. „Mein schönstes Weihnachtsgeschenk“, wie Sonia O’Sullivan sagte, „und am 1. Januar habe ich dann wieder angefangen mit dem Training.“ Ja, sie läuft und läuft und ist nicht klein zu kriegen.
Sonia O'Sullivan (Foto: Kiefner)
Am Ostersamstag sorgte sie für eine weitere große Überraschung! Sonia O’Sullivan gewann überlegen das Fünf-Meilen-Rennen rund um Schloss Balmoral, die Sommerresidenz der englischen Königsfamilie, und wiederholte ihren Coup aus dem Jahr 2000, als sie ebenfalls die Nase vorn hatte. „Ich bin nur eine alte Frau, die hart im Nehmen ist“, meinte „Queen Sonia“ mit breitem Grinsen und nannte ihr Erfolgsrezept, „diesmal habe ich von Anfang an ein schnelles Tempo vorgelegt.“ Schon nach einer Meile übernahm sie das Kommando. „Der Wind bereitete mir einige Probleme.“ Doch die 32-jährige O’Sullivan ließ nicht locker und siegte in 25:16 Minuten. Den Streckenrekord von Paula Radcliffe, die 1999 mit 24:37 Minuten eine Weltbestzeit für die Straße aufgestellt hatte, verfehlte sie allerdings deutlich.Gabriela Szabo, der kleine „Lauf-Floh“ aus Rumänien, war chancenlos in ihrem ersten Wettkampf des Jahres, bei der WM in Edmonton hatte sie über 1500 Meter noch Gold erobert. „Ich habe in Südafrika viel für die Ausdauer getan“, erzählte sie hinterher, „nun werde ich an meiner Schnelligkeit arbeiten.“ Dass sie mit 27 Sekunden Rückstand „nur“ Zweite geworden war, konnte ihrer guten Laune nichts anhaben. „Ich bin glücklich, dass ich wieder an Rennen teilnehmen kann.“ Jos Hermens, ihr Manager, hatte den Start in der schottischen Grafschaft Aberdeen eingefädelt. Zsolt Gyongyossy, Szabos Ehemann und Trainer, gab dann das endgültige Okay für das Comeback seiner besseren Hälfte, die ihren ersten Straßenlauf seit Urzeiten in 25:43 Minuten beendete und die Australierin Benita Jones (25:55 min) auf den dritten Rang verwies.
Die Medien auf der Insel hatten den Zweikampf als Revanche für Sonia O’Sullivans Niederlage in Sydney 2000 groß aufgemacht. Damals fehlten ihr im 5000-Meter-Finale ganze 23 Hundertstel zum olympischen Gold. Doch an dieses atemberaubende Duell mit Gabriela Szabo, ihrer Dauer-Rivalin, denkt sie längst nicht mehr zurück. Dafür schweiften ihre Gedanken weiter Richtung München, dem Schauplatz der EM, wo O’Sullivan Titelverteidigerin ist: sowohl über 5000 Meter als auch über 10.000 Meter. Sie hat nun die Qual der Wahl. Oder läuft die Vielstarterin wieder beide Strecken? Abwarten.
In Irland, ihrer Heimat, wird Sonia O’Sullivan auf Händen getragen. Denn sie gilt als Nationalheldin, die allseits bewundert und verehrt wird. Riesengroß war auch die Begeisterung eine Woche zuvor bei der Cross-WM in Dublin, als sie ihr Team mit einem couragierten Lauf zum Gewinn der Bronzemedaille führte.
Im Jubel und Trubel um „Queen Sonia“ gerieten die Herren der Schöpfung ein wenig in den Schatten. John Yuda aus Tansania, „Vize“ bei der Cross-WM hinter dem neuen Superstar Kenenisa Bekele, behauptete sich in 22:43 Minuten vor dem Europameister im Gelände, Sergej Lebid aus der Ukraine, der in Dublin noch ausgestiegen war. Lebid bewältigte die fünf Meilen in 23:01 Minuten und schnappte sich das zweite Preisgeld vor dem Briten Allen Graffin.