Abstecher ins Eis - Macht kalt schnell?
Der Winter steht vor der Tür. Für ganz mutige Menschen bringen die eigentlich ungeliebten Temperaturen die Möglichkeit, sich unerschrocken zu Seen und Gewässer aufzumachen, um sich durch ein kleines Loch in der gefrorenen Wasseroberfläche ins kalte Nass zu stürzen. Eisbaden soll fit machen. Wie sieht es damit bei Leistungssportlern aus?

Paula Radcliffe schwört auf Eisbäder
Paula Radcliffe badet unabhängig von der Jahreszeit in eiskaltem Wasser. Genauer gesagt, steigt sie nach jedem harten Training sowie Wettkampf für 15 Minuten in eine Wanne. Zunächst sitzt sie mit ihren Beinen im kalten Wasser, ehe langsam Eiswürfel zugegeben werden. Die Marathon-Weltrekordhalterin schwört auf die Leistungssteigerung solcher Eisbäder, ebenso am Abend vor einem Rennen. Auf Zittern folgt Regenerieren
Nach anfänglichem Zittern und sicher einigen Kälteschocks, stellt diese Art von Baden für die ehrgeizige Britin inzwischen eine tägliche Routine dar. So werden Entzündungen im (über)beanspruchten Körper nach intensiven Einheiten reduziert und die Muskulatur erholt sich schneller.
Neben beschleunigter Regeneration soll die Aktivität der Blutgefäße verbessert werden. Im nächsten Training sind somit wieder hohe Umfänge möglich und die Verletzungsanfälligkeit sinkt. Zusätzlich führt das Eisbaden in der Wanne genau wie in freien Gewässern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zu einem Abhärtungseffekt und auch zur Stärkung des Immunsystems.
Kälte gegen Hitze
Einfache Methoden führen eben manchmal zum Erfolg. Deutsche Athleten sind in Bezug auf ein solches Eisbaden eher verhalten, wollen der Methode einen leistungssteigernden Erfolg aber nicht völlig absprechen.
DLV-Disziplintrainer Detlef Uhlemann (Langstrecke) ist zumindest aus der deutschen Laufszene, speziell aus seinem ihm zugehörigen Kader kein Eisbader persönlich bekannt. Zwar steht man dieser Methode generell offen gegenüber, wartet aber auf entsprechende Studien, welche den positiven Effekt belegen können.
"Interessant ist dieses Thema auf jeden Fall", erscheint für Detlef Uhlemann vor allem der Einsatz solcher Bäder vor Wettkämpfen in Hitzeländern zur Leistungssteigerung sowie besserer Hitzetoleranz nachvollziehbar. Ähnlich sieht es Henning von Papen (Disziplintrainer Mittelstrecke), der von internationalen Wettkämpfen und kaltem Wasser zum Runterkühlen der Athleten berichtet. Der Erfurter Lauftrainer Dieter Herrmann ist ebenfalls vorsichtig bei Dingen, "die einer vormacht" und erinnert sich an frühere Zeiten, als Athleten unter ärztlicher Aufsicht bis zur Hüfte zur Abhärtung ins kalte Wasser der Ostsee geschickt wurden.
Erste Projekte mit Kühlwesten
An einem entsprechendem Projekt teilgenommen hat bereits DLV-Disziplintrainerin Beate Conrad mit ihrer Trainingsgruppe um Antje Möldner. In diesem Rahmen wurden Kühlwesten im Training getragen. Ziel dieser Westen ist eine erhöhte körperliche Leistungsfähigkeit durch die Reduzierung der Hauttemperatur. "Der Effekt war für mich aber nicht so überzeugend", wartet sie die noch ausstehenden Studienergebnisse ab. "Wir sind auf jeden Fall bereit für neue Dinge und probieren viel aus."
Beim Eisbaden vom Kopf bis zu den Knien wurde bereits vor einigen Jahren der mehrmalige Europameister sowie Vize-Weltmeister Harald Schmid nach einem anstrengenden 400-Meter-Hürden-Lauf gesichtet, um für die anschließende Staffel wieder fit zu sein. Ebenso benutzte Langstreckler Stephane Franke die Methode vor seinem Wettkampf und geht auch in einem seiner Bücher darauf ein.
Das Abkühlen in einer Wanne mit Eiswürfeln bedeutet natürlich auch einen massiven Aufwand. "Wenn ich einen Kühlschrank mit riesigem Eisfach hätte, würde ich diese Methode sicher ausprobieren", analysiert die deutsche Rekordhalterin im Hindernislauf, Melanie Schulz (LC Erfurt).
"Warmduscher" mit Erfolg
Fest steht, das Paula-Radcliffe-Rezept Eisbaden ist bei den deutschen Leichtathleten zwar bekannt, entsprechende Erfahrungen fehlen jedoch. Verglichen mit dem britischen Laufwunder sind deutsche Leichtathleten wohl doch mehr die "Warmduscher". Erfolge können sie auf ihre Art dennoch vorweisen.
Aber der nächste Winter kommt bestimmt. Und vielleicht brechen dann einige Läufer zu einem zugefrorenen See auf. Dabei könnten sie sich den Weg sparen, denn Paula Radcliffe scheint mit ihren Leistungen der Methode des Eisbadens in einer Wanne Recht zu geben.