Jens Borrmann liebt die Abwechslung
Jens Borrmann hat eine Eigenschaft, die nur wenige Läufer in Deutschland mit ihm teilen. Während die meisten Rennen auf der Bahn oder Straße bevorzugen, liebt er den Crosslauf. Nach zwei Titeln 2001 und 2002 über die Mittelstrecke, gewann er dieses Jahr über die lange Distanz und qualifizierte sich damit für die Cross-EM in Tilburg (Niederlande).
Jens Borrmann liebt Berge, Schnee und Matsch (Foto: Kiefner)
Und das, obwohl nicht alles glatt lief in den vergangenen zwei Jahren."Umso schlammiger und bergiger, desto besser für mich. Ich bin eher ein kräftiger Läufer, da kommen mir schwierige Bedingungen entgegen", sagt der Leipziger. "Außerdem finde ich das Rundenrennen auf der Bahn auch ziemlich langweilig." Dabei war er 2003 schon einmal Deutscher Vizemeister über 10.000 Meter. Nur Dieter Baumann war damals schneller.
Zu den Deutschen Cross-Meisterschaften nach Darmstadt war er mit dem Willen gereist, wieder zu gewinnen. Dass es dann aber wirklich auch klappte, wundert ihn doch etwas. Zu Beginn dieses Jahres hatte ihn eine starke Erkältung erwischt. "Ich habe den ganzen Sommer gebraucht, um wieder in Tritt zu kommen. Erst seit Oktober läuft es bei mir wieder", blickt er zurück.
Jubel ohne Grenzen
Bei kleinen regionalen Crossläufen hatte er seine Form getestet. "Aber ich wusste nicht genau, wo ich stand, denn dort bin ich immer alleine vorne gelaufen." Auch in Darmstadt lief er die ganze Zeit an der Spitze. "Wenn ich mich gut fühle, laufe ich gerne vorne. Außerdem habe ich im Hinblick auf die Nominierung für die Cross-EM gehofft, dass wir schnell nur noch zu sechst vorne sind." Dem war zwar nicht so, aber im Endspurt empfahl er sich nachdrücklich für die kommenden kontinentalen Meisterschaften. Umso größer war die Freude. Jubelnd rannte er aus dem Zielbereich.
Verständlich wird diese Freude auch, wenn man einen Blick in seine Vergangenheit wirft. Im August 2003 nahm ihm, als er im Training mit dem Rad unterwegs war, eine Autofahrerin die Vorfahrt, er fuhr ungebremst in sie hinein. "Die akuten Verletzungen waren eigentlich gar nicht so schlimm. Ich hatte einen Bluterguss im Oberschenkel und konnte erst einmal nicht mehr trainieren."
Ärzte-Odyssee
Doch als er das Training wieder aufnahm, hatte er immer wieder Schmerzen in Rücken und Leiste. "Ich bin von Arzt zu Arzt gelaufen. Zuerst wurde vermutet, dass ich einen Leistenbruch hätte und ich wäre beinahe deswegen operiert worden", berichtet der 31-Jährige. Eine Verbindung zum Unfall sah zunächst niemand. Erst nach langer Zeit wurde eine Blockierung im Rücken als Ursache der Schmerzen festgestellt, wahrscheinlich eine Folge des Sturzes.
Kaum war das eine Problem behoben, folgte das nächste. Beim Fußballspielen zog sich Jens Borrmann einen Bänderriss zu. Training, zumindest Laufen, war wieder unmöglich. Doch der Polizeiobermeister der Leipziger Bereitschaftspolizei zeigte sich einfallsreich. Während er sonst schon mal auf Skiern unterwegs ist und auch an Skilanglauf-Wettkämpfen im Fichtelgebirge teilnimmt, war er mit dem lädierten Fuß vor allem mit dem Rennrad unterwegs.
"Bums" in den Beinen
"Ich habe mir dann Ziele gesucht, damit ich nicht einfach immer nur so rumfahre." Und so nahm er 2003 an der Radfernfahrt "FichKona" teil. Vom Fichtelberg ging es dabei über 601 Kilometer nach Kap Arkona auf der Insel Rügen, vom höchsten zum nördlichsten Punkt der ehemaligen DDR. Ziel ist es dabei, die Strecke unter 24 Stunden zu bewältigen. Jens Borrmann kam nach sieben kurzen Pausen und 21:20 Stunden an. Ziel gesucht – Ziel erreicht. "Als Läufer war man da aber schon eher ein Exot", schmunzelt er.
"Durch das Radfahren und den Skilanglauf habe ich mir richtig Bums in den Beinen geholt. Dadurch musste ich den ganzen letzten Sommer kein Krafttraining machen", beschreibt er die weiteren Vorteile des alternativen Trainings.
Dies beweist, dass er nicht fixiert ist auf reines Lauftraining, sondern auch offen gegenüber anderem. "Ich denke schon, dass mir das auch geholfen hat in der Zeit, in der ich nicht laufen konnte. Viele haben mich in der Zeit gefragt, wieso ich mir das noch immer antue. Mit 31 Jahren werden die Verletzungen ja schließlich auch nicht weniger", blickt er zurück. "Aber Gedanken ans Aufhören habe ich eigentlich nie gehabt. Ich habe mich nicht aus der Ruhe bringen lassen."
Abwechslung erwünscht
Hinzu kam noch die niederschmetternde Diagnose Brustkrebs bei seiner Trainerin Katja Herrmann. "Aber sie hat sich da durchgekämpft und den Krebs besiegt. Da denke ich auch in den Rennen dran. Ich will so kämpfen, wie sie es getan hat", sagt der Läufer.
Große Unterstützung erfährt er von seinem Arbeitgeber, der Leipziger Bereitschaftspolizei. "Ich bin ihnen sehr dankbar. Auch in den letzten beiden Jahren, in denen ich keine sportlichen Erfolge hatte, haben sie immer zu mir gestanden. Dort habe ich perfekte Bedingungen, werde immer für Wettkämpfe und Trainingslager freigestellt und habe auch sonst genügend Zeit für das Training."
Etwa 150 bis 180 Kilometer läuft der Mann vom SC DHfK Leipzig in der Woche, außerdem stehen Krafttraining und Gymnastik auf dem Programm. Trotzdem ist er froh, dass er nebenbei auch noch arbeitet. "Mir ist es schon wichtig, auch mal mit Leuten zu reden, die nichts mit Sport zu tun haben. Ich war ein Jahr bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr und konnte mich da allein auf den Sport konzentrieren, das war nicht mein Ding. Da denkt man dann nur an den nächsten Wettkampf."
Locker nach Tilburg
Das Training absolviert er meist alleine, nur manchmal gesellen sich ein bis zwei andere Athleten zu ihm. Insgesamt steht der Sport im Mittelpunkt seines Lebens. "Ab und zu spiele ich auch Theater in der Kirche. Da haben wir früher an Heiligabend immer ein Stück aufgeführt, aber das haben mittlerweile die Jüngeren übernommen."
In dieser Woche hat er das Training lockerer angehen lassen. "Vor Wettkämpfen trainiere ich eigentlich nie besonders hart", berichtet er aus dem Trainingsalltag. Am Mittwoch ist er zu einem Freund nach Erkelenz gefahren. Einen Tag später stand noch einmal ein Zehn-Kilometer-Lauf mit einem letzten schnellen Kilometer auf dem Programm, bevor Jens Borrmann am heutigen Freitag nach Tilburg reist.
"Bis jetzt habe ich mich einfach nur über meinen Titel gefreut, aber jetzt wird es Zeit, etwas Spannung aufzubauen", erzählte er zu Beginn der Woche. "Vor drei Jahren war ich schon einmal bei einer Cross-EM und bin 45. geworden. Das will ich diesmal verbessern", gibt er sein Ziel für Sonntag (11. Dezember) vor. "Aber ich weiß nicht, wo ich in Europa stehe."
Leichtathletik-Pause
Nach den kontinentalen Titelkämpfen hat er noch einen Start beim Bietigheimer Silvesterlauf geplant. Danach nimmt sich der Deutsche Cross-Meister erst einmal wieder eine Auszeit von der Leichtathletik. "Hallenwettkämpfe kann ich nicht leiden, da ist die Luft immer so schlecht."
Stattdessen wird er wieder auf den schmalen Skilanglaufbrettern stehen und an regionalen Wettkämpfen teilnehmen. "Das ist schon schön, wenn alles weiß und ruhig ist um dich rum." Bleibt zu hoffen, dass er sich nicht zu sehr an die Ruhe gewöhnt und am Start steht, wenn es im kommenden März wieder um die Vergabe der Deutschen Cross-Titel geht. Dann in Regensburg, dort durfte er auch schon einmal jubeln!