Adam Nelson setzt auf Orakel von Nordhausen
US-Kugelstoßer Adam Nelson liebt Hallenauftritte. Da spürt er das Publikum auf Rufweite und kann sich noch mehr motivieren. Unverkennbar und stets umjubelt seine Vorbereitung direkt vor dem Gang in den Kugelstoßring: Impulsiv bringt er sich und die Zuschauer in Stimmung, reißt sich zur Krönung das T-Shirt von den Schultern und wirft es auf den Boden. Und dann: hinein in den Ring! In Nordhausen können die Kugelstoß-Fans dieses Ritual am 20. Januar bewundern.

Doch ob es damit zum Sieg reicht, ist fraglich. Sehr stark ist die Konkurrenz um den deutschen Weltmeister David Storl (LAC Erdgas Chemnitz) sowie Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) und Marco Schmidt (VfL Sindelfingen). Auch der polnische Olympiasieger Tomasz Majewski sowie die beiden US-amerikanischen Stammgäste Christian Cantwell und Reese Hoffa haben ihre Teilnahme zugesagt.
Das Ziel ist London
Von seinen beiden Landsleuten erfuhr Adam Nelson von der tollen Atmosphäre in der Wiedigsburghalle. Man erzählte ihm auch vom Orakel von Nordhausen, das einfach zu erklären ist: Wer in Nordhausen gewann, der konnte sich anschließend entweder in der Halle oder im Freien einen internationalen Titel erkämpfen.
Dieses Orakel will Adam Nelson, der sich mit 36 Jahren nun im Herbst seiner Karriere befindet, nutzen. „Mein Hauptziel sind die Olympischen Spiele in London. Ich will mich nicht nur dafür qualifizieren, sondern auch im Finale eine gute Rolle spielen.“
Familie tröstet bei Misserfolgen
Dreimal stand der US-Amerikaner bereits dicht vor olympischem Gold: 2000 und 2004 holte er Silber. Danach gewann er 2005 in Helsinki (Finnland) den WM-Titel. Was ihm nun noch fehlte, war der Olympiasieg. Doch wenige Tage vor dem Finale bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking (China) zerrte er sich einen Brustmuskel. Im Wettbewerb gelang ihm dann kein gültiger Stoß. Kampflos musste er zusehen, wie der Pole Tomasz Majewski das Gold holte.
Aber Adam Nelson zerbrach nicht daran. „Ich habe ein sehr geringes Kurzzeitgedächtnis“, sagt er. Will heißen: Er verdrängte dieses Negativ-Erlebnis. Und sein Glück war, dass gerade in diese sportlich schwierige Zeit die Geburt seiner Tochter Caroline Grace fiel. „Seitdem meine Tochter auf der Welt ist, gibt es für mich keine schlechten Tage mehr. Sie hat immer ein Lächeln auf den Lippen, das unsere Herzen erwärmt.“ Mit uns meint er sich und seine Ehefrau Laci, die im Januar 2011 die zweite Tochter Lauren Olivia auf die Welt brachte.
Leidenschaft für das Kugelstoßen
In Adam Nelsons Langzeitgedächtnis sind dagegen viele Ereignisse gespeichert. Besonders gern erinnert er sich an die US-Trials, bei denen er sich für die Olympischen Spiele 2000 in Sydney (Australien) qualifizierte. „Es war wie im Rausch, so etwas hatte ich vorher nicht erlebt. Das Publikum raste und der Veranstalter musste sogar mit den Sprintwettbewerben warten, ehe wir unseren Wettkampf beendet hatten.“
Adam Nelson bricht in diesem Zusammenhang eine Lanze für das Kugelstoßen: „Wenn die Zuschauer alles aufmerksam verfolgen, dann haben auch wir Athleten ein gutes Gefühl. Wir können unsere Energie länger halten, unsere Technik stabilisieren und damit weite Würfe ermöglichen.“
Betrug nicht vollständig vermeidbar
Dabei macht er deutlich, dass ihm für den Erfolg nicht alle Mittel recht sind. Kugelstoßer standen nicht nur einmal im Ruf, mit unerlaubten Mitteln nachgeholfen zu haben. Schlagzeilen machte vor allem sein Landsmann C.J. Hunter, der bullige Ex-Ehemann von Sprinterin Marion Jones, der wegen Dopings aus dem Verkehr gezogen wurde.
Aber Adam Nelson ist auch nicht so blauäugig zu denken, es sei möglich, Doping für immer aus dem Sport zu verbannen. „Es wird immer wieder Leute geben, die betrügen und sich in Grauzonen bewegen. Sie sind Teil einer Welt, in der es nicht nur schwarz oder weiß gibt.“
„Elder Statesman“ des Kugelstoßens
Als sich seine Konkurrenten Andy Bloom und Kevin Toth vom aktiven Sport verabschiedeten, wurde Adam Nelson gewissermaßen zum „Elder Statesman“ des US-Kugelstoßens. Andere Landsleute schlossen zwar zu ihm auf oder überholten ihn zeitweise, so wie Reese Hoffa oder Christian Cantwell. Aber Adam Nelson blieb dabei, auch wenn ihn manchmal das Pech verfolgte.
„Ich war immer zum falschen Zeitraum verletzt oder krank“, erinnert sich Adam Nelson. So war es auch bei der WM 2009 in Berlin, als er sich zwei Tage vor der Qualifikation einen Infekt einfing. „Ich war mit phänomenaler Form angereist, doch dann kam das Fieber, und danach war ich sieben Wochen krank.“ So war erklärbar, dass im Olympiastadion nur ein fünfter Rang heraussprang.
Vollzeitstudium in Virgina
Für Adam Nelson besteht das Leben aber nicht nur aus dem Kugelstoßen. Seit 2007 verband er Training, Reisen, Wettkämpfe und das Familienleben mit einem Vollzeitstudium an der Universität Virginia in Charlottesville, das er inzwischen abgeschlossen hat.
„Ich wollte mich schon immer selbstständig machen, ein eigenes Geschäft aufbauen“, beschreibt er seine beruflichen Plänen. Aus dem Vorhaben, einen Joghurt-Shop zu eröffnen, wurde allerdings zunächst nichts. Adam Nelson blieb in Charlottesville, coachte dort andere Werfer und arbeitete hin und wieder beim lokalen CBS-Sender. Eine Schuhfirma unterstützte er bei der Entwicklung eines neuen Wurfschuhs. „Es ist ja nicht nur alles Laufen in der Leichtathletik“, sagt er.
Doch bevor er richtig ins Berufsleben einsteigt, will er sich seinen olympischen Goldtraum erfüllen. Die erste Hürde auf diesem Weg sind wie immer die US-Trials - berühmt, berüchtigt, gelobt, kritisiert. Doch bis zum Sommer ist es noch eine Weile hin. Zunächst will Adam Nelson in Nordhausen glänzen. Und wie immer sein T-Shirt voller Inbrunst auf den Boden werfen, so wie man es von ihm seit vielen Jahren kennt.